Vollmachten in Portugal – Lassen Sie sich vertreten!

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JUNI 2010: Vollmachten in Portugal – Lassen Sie sich vertreten!
Die Bedeutung von Vollmachten nimmt in Portugal stetig zu. Am häufigsten werden Vollmachten Rechtsanwälten erteilt, die bevollmächtigt werden, im Namen der Vollmachtgeber (Mandanten) vor Gericht aufzutreten. Aber auch beim Hauskauf, bei der Firmengründung oder sogar Eheschließung ist eine Bevollmächtigung nach Auskunft von Rechtsanwalt Dr. Rathenau möglich.

Unter Vollmacht versteht man die durch Rechtsgeschäft begründete Vertretungsmacht. Die Vollmacht entsteht durch einseitige Erklärung des Vollmachtgebers (Mandant). Es ist zwischen dem Innenverhältnis (Mandant-Anwalt) und dem Außenverhältnis (bevollmächtigter Anwalt-Dritter) zu unterscheiden. Die Vollmacht kann im Außenverhältnis weiter gehen als im Innenverhältnis mit dem Mandanten vereinbart. Vollmachten enthalten in Portugal in der Regel die Befugnis, Untervollmacht zu erteilen. Der Anwalt kann dann notfalls das Geschäft delegieren, wenn er (z.B. infolge Erkrankung) das Geschäft nicht selbst abschließen kann. Möglich ist, dass ein Anwalt beide Parteien des Rechtsgeschäftes vertritt. Dann hat aus dem Vollmachttext ausdrücklich hervorgehen, dass der Anwalt Geschäfte mit sich selbst abschließen darf.

Von den üblichen Vollmachten unterscheidet man Spezialvollmachten. Während übliche Vollmachten z.B. zum Kauf oder Verkauf von Immobilien, Gründung von Gesellschaften und Vornahme von Handlungen vor öffentlichen Ämtern einen allgemeinen Wortlaut aufweisen dürfen (z.B. „Immobilien in Portugal zu kaufen“, „eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Namen der zukünftigen Gesellschafter X und Y zu gründen“, „jede Art von Anträgen bei der Gemeinde zu stellen“), müssen Vollmachten z.B. zur Schenkung einer Immobilie und Eingehung der Ehe das konkrete Geschäft detailliert beschreiben (z.B. „die Immobilie gelegen in Lagos, eingetragen im Grundbuch unter der Nummer 1111, an Frau Anna Mustermann zu verschenken“, „die Ehe mit Frau Anna Mustermann im Güterstand der Gütertrennung einzugehen“). Anders als in den meisten europäischen Ländern, ist eine Trauung per Stellvertreter in Abwesenheit des Bräutigams in Portugal möglich. Diese Art des Eheschlusses wird Handschuhehe genannt. Die Bezeichnung deutet auf die früher dabei übliche Überreichung eines Handschuhes als Sinnzeichen der Botenbeauftragung hin. Der Bevollmächtigte hat aber in Portugal – anders als in einigen islamischen Staaten – nicht das Recht, den Ehepartner auszuwählen. Die o.g. Spezialvollmacht muss vielmehr den Ehepartner ausdrücklich festlegen. Historisch sei erwähnt, dass die Handschuhehe noch im Europa des 18. Jahrhunderts weithin zu-lässig war. Sie war im Adelsstand gebräuchlich. Allerdings konnte sie nach kirchlichem Recht bis zu ihrem Vollzug (Geschlechtsverkehr mit den Ehegatten) annulliert werden. Vertreten kann man sich in Portugal auch bei der einvernehmlichen Scheidung vor dem Standesamt (s. dazu ESA 2/2010). Somit ist es theoretisch möglich, jemanden zu heiraten und sich anschlie-ßend scheiden zu lassen, ohne den Ehepartner jemals gesehen zu haben.

Vollmachten müssen nach portugiesischem Recht, anders als in Deutschland, stets den Form-vorschriften des Rechtsgeschäftes genügen, zu welchem die Vollmacht ermächtigt. Bespiel: Wurde eine Vollmacht zum Kauf einer Immobilie erteilt, muss die Vollmacht in der besonderen notariellen Form erteilt werden, wie der spätere auf der Grundlage der Vollmacht abzuschließende Kaufvertrag über die Immobilie. Da Anwälte in Portugal mittlerweile auch Kauf-verträge über Immobilien beurkunden dürfen („Quasi-Notare“, s. ESA 01/2009), können diese Vollmachten von Anwälten beglaubigt werden. Befindet sich der Mandant im Ausland, kann die portugiesische Vollmacht im Ausland beurkundet werden. Die Beurkundung der Vollmacht im Ausland kann auf zwei unterschiedliche Wege erfolgen: Vor einem portugiesischen Konsulat (oder der portugiesischen Botschaft) oder vor einem beliebigen Notar. Im erstgenannten Fall wird der in portugiesischer Sprache verfasste Vollmachttext in der Gegenwart des Beamten der diplomatischen Vertretung unterzeichnet und beglaubigt. Im zweitgenannten Fall wird der in deutscher Sprache verfasst Vollmachttext vor dem Notar unterzeichnet und beglaubigt. In dieser letztgenannten Variante muss die Vollmacht im Anschluss an die notarielle Beglaubigung aber noch mit einer Apostille nach der Haager Konvention vom 5. Oktober 1961 versehen werden. Die Apostille ist eine Beglaubigungsform, die zwischen den Vertragsstaaten der Haager Konvention eingeführt wurde. In Deutschland sind in der Regel die Landgerichtspräsidenten für die Anbringung der Apostille zuständig. Im Anschluss daran werden die Vollmacht, der Beglaubigungsvermerk des Notars und die Apostille in die portugiesische Sprache übersetzt. Die Übersetzung erfolgt in Portugal unter Anwendung der portugiesischen Übersetzungs- und Legalisierungsvorschriften.

Vollmachten sind grundsätzlich jederzeit frei widerruflich. Von großer Bedeutung ist, dass nach portugiesischem Recht Vollmachten, die auch im Interesse des Bevollmächtigten erteilt werden (z.B. A erteilt B die Vollmacht, das sich im Eigentum von A stehende Haus auf sich – B – zu übertragen), grundsätzlich unwiderruflich sind. Dies gilt auch dann, wenn im Voll-machttext nicht ausdrücklich erwähnt wurde, dass die Vollmacht unwiderruflich ist. In der Praxis ist die unwiderrufliche Vollmacht bei Immobilienverkäufen weit verbreitet. Vor allem in Fallkonstellationen, in denen der Eigentümer der Immobilie diese noch nicht verkaufen kann, da Unterlagen fehlen (z.B. es fehlt die Nutzungsgenehmigung des Hauses, ohne die kein Kaufvertrag abgeschlossen werden darf), kann der Eigentümer dem „Käufer“ eine unwiderrufliche Vollmacht erteilen. Diese Vollmacht ermächtigt den Bevollmächtigten, die fehlenden Unterlagen zu beantragen und die Immobilie zu einem späteren Zeitpunkt sich oder einem Dritten zu einem festgelegten Preis zu verkaufen. Zug-um-Zug mit der Erteilung der Vollmacht erhält der Vollmachtgeber bereits den vollen Kaufpreis. Vor der Erteilung der Vollmacht muss die Grunderwerbsteuer gezahlt werden. Die Zahlung der Steuer wird somit vorverlagert. Zum Kauf und damit zum Eigentumsübergang kommt es ja erst später. Dieser „Verkauf“ birgt aber eine Gefahr: Die Vollmacht kann nicht in das Grundbuch eingetragen werden.

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