Sorgerecht – portugiesisches Familienrecht

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OKTOBER 2010: Sorgerecht – portugiesisches Familienrecht.
Inhaber der elterlichen Sorge sind grundsätzlich beide Eltern. Was geschieht jedoch mit den Kindern, wenn die Ehe oder die Beziehung der Eltern scheitert? Wer erhält das Sorgerecht? Was beinhaltet das Umgangsrecht? Wie hoch ist der Kindesunterhalt? Rechtsanwalt Dr. Rathenau beantwortet Fragen zum portugiesischen Sorgerecht.

Der portugiesische Sorgerechtsbegriff umfasst die Rechte und Pflichten in Bezug auf die Person und das Vermögen des Kindes. Dies beinhaltet auch das Umgangs- und Unterhaltsrecht. Das Umgangsrecht regelt den begrenzten Aufenthalt des Kindes bei dem nicht sorgeberechtigten Elternteil oder das Zusammentreffen mit diesem. Das Unterhaltsrecht setzt fest, welchen Geldbetrag der Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, diesem bzw. dem anderen Elternteil zu zahlen hat.

In Portugal haben die Eltern normalerweise das gemeinsame Sorgerecht. Lassen sich die Eltern scheiden oder trennen sie sich, kann das Sorgerecht auch weiterhin von beiden gemeinsam ausgeübt werden. Steht die gemeinsame Ausübung jedoch dem Interesse des Kindes entgegen, muss diese einem Elternteil übertragen werden. Grundsätzlich wird die Ausübung der elterlichen Verantwortung dem Elternteil zugesprochen, bei dem das Kind gewöhnlich lebt bzw. zu dem sich das Kind stärker hingezogen fühlt.

Eine verbindliche Sorgerechtsentscheidung kann in Portugal – anders als in Deutschland – durch einen Beschluss eines Standesbeamten ergehen. Ein standesamtlicher Beschluss über das Sorgerecht kann aber nur im Rahmen eines einvernehmlichen Scheidungsverfahrens erfolgen (s. ESA 01/2010 „Scheidungsparadies Portugal“). Im Rahmen des Scheidungsverfahrens können die Eltern dem Standesamt einen Vorschlag über das Sorgerecht unterbreiten. Bevor der Standesbeamte die Sorgerechtsvereinbarung der Eltern bestätigt, muss er die Zustimmung der Staatsanwaltschaft einholen. In Portugal werden die Interessen des Kindes durch die Staatsanwaltschaft vertreten und überwacht.

Eine Sorgerechtsentscheidung kann auch durch ein Gericht ausgesprochen werden. Dies kann sowohl im Rahmen eines Scheidungsverfahrens als auch in einem unabhängigen Verfahren zum Sorgerecht geschehen. Ist eine Einigung der Eltern über wichtige Fragen des Sorgerechts nicht möglich, muss sich das Gericht auf Antrag eines Elternteils damit befassen. Hierbei handelt es sich um ein rasches Verfahren vor dem Familiengericht. Es wird zunächst ein Schlichtungsversuch anberaumt. Können sich die Eltern nicht über das Sorgerecht vor Gericht einigen bzw. tangiert die von den Eltern gewünschte Vereinbarung nach Auffassung des Ge-richts die Interessen des Kindes, ist der Schlichtungsversuch gescheitert. Die Eltern erhalten die Gelegenheit, sich innerhalb einer kurzen Frist schriftlich an das Gericht zu wenden und ihren Antrag im Detail zu begründen. Eine Anhörung der minderjährigen Kinder ist, je nach Reife des jeweiligen Kindes, möglich und auch üblich.

Leben die Eltern getrennt, ist es üblich, dass portugiesische Gerichte nur einem Elternteil das Sorgerecht zusprechen. Das bedeutet aber nicht einen völligen Ausschluss des nicht sorgeberechtigten Elternteils. Bei besonders wichtigen Handlungen oder solchen, für die das Gesetz ausdrücklich die Zustimmung beider Elternteile erfordert, muss der nicht sorgeberechtigte Elternteil konsultiert und seine Zustimmung eingeholt werden. Zudem hat der nicht sorgeberechtigte Elternteil das Recht über die Erziehung und die Lebensbedingungen des Kindes informiert zu werden und diese zu überwachen.

Von Bedeutung ist, dass Entscheidungen zum Sorgerecht immer unter dem Gesichtspunkt der Interessen bzw. des Wohles des Kindes getroffen werden. Dazu gehört auch die Aufrechterhaltung einer Beziehung zu dem Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt. Die Aufrechterhaltung dieser Beziehung soll durch das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils gewährleistet werden. Das Kind soll mit Vater und Mutter aufwachsen. Das Umgangsrecht beinhaltet auch eine Umgangspflicht. In der Umgangsregelung wird in der Regel festgelegt, dass das Kind mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil Wochenenden und Schuldferien verbringt.

Neben der persönlichen Beziehung zum Kind, muss auch über die Unterhaltszahlung, die für das Leben des Kindes erforderlich ist, eine Entscheidung getroffen werden. Grundsätzlich zahlt der Elternteil, bei dem das Kind nicht gewöhnlich lebt, dem anderen Elternteil einen monatlichen Unterhalt für das Kind. In Deutschland orientiert sich die Höhe des Unterhalts an der sogenannten „Düsseldorfer Tabelle“, die den Lebensunterhaltungskosten angepasst wird. Die „Düsseldorfer Tabelle“ ist eine Unterhaltsleitlinie des Oberlandesgerichtes Düsseldorf in Abstimmung mit den anderen Oberlandesgerichten und dem Deutschen Familiengerichtstag. Daran richten sich die deutschen Gerichte und Behörden. In Portugal gibt es eine solche Tabelle hingegen nicht. Der Unterhalt richtet sich vielmehr nach dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und nach den konkreten Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten. In der Praxis stellt dies ein Problem dar, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil sein wahres Einkommen nicht dem Finanzamt meldet und demnach sein tatsächliches Einkommen nicht nachgewiesen werden kann.

Anders als viele andere Verfahren werden Sorgerechtsverfahren in Portugal stets zügig durchgeführt. Das Wohl des Kindes steht im Vordergrund und verlangt nach einer raschen Lösung. Zu beachten ist, dass Entscheidungen zum Sorgerecht nie endgültig sind. Wenn sich die Umstände ändern, können auch die gerichtlichen Entscheidungen auf Antrag jederzeit geändert werden.

Sind in einem anderen EU-Mitgliedstaat, zum Beispiel in Deutschland, bereits Entscheidungen zum Sorgerecht ergangen, werden diese in Portugal – ohne dass es einer weiteren Veranlassung bedarf – anerkannt und können auch vollstreckt werden. Für die Anerkennung ist ein Antrag bei dem Familiengericht einzureichen.

Die portugiesischen Gerichte sind international zuständig in Sorgerechtsverfahren, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Portugal hat. Dies trifft grundsätzlich auch für das Unterhaltsrecht zu. Die Staatsangehörigkeit der Eltern oder des Kindes spielt keine Rolle. Die portugiesischen Gerichte wenden portugiesisches Recht an, das Gegenstand dieses Beitrages ist.

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