JUNI 2011: Das Ende der Pflicht, einen Steuervertreter zu beauftragen.
(EUGH-Rechtsprechung verpflichtet Portugal zum Handeln).
Am 5. Mai 2011 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Sitz in Luxemburg entschieden, dass portugiesische Steuervorschriften gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen, wonach gebietsfremde Steuerpflichtige verpflichtet sind, einen steuerlichen Vertreter in Portugal zu benennen. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Rathenau, versierter Experte im Immobilien- und Steuerrecht, erläutert.
Mit der Verpflichtung, einen Steuervertreter zu beauftragen, wurden in der Praxis hauptsächlich ausländische Mitbürger konfrontiert, die beabsichtigten, in Portugal eine Immobilie zu erwerben. Bisher mussten gebietsfremde Steuerpflichtige („Nichtresidenten“), d.h. Personen, die sich nicht über 183 Tage im Jahr in Portugal faktisch aufhalten, einen Steuervertreter benennen. Steuervertreter musste eine natürliche oder juristische Person sein, die in Portugal steuerlich ansässig ist (s. ESA 04/10). Das Finanzamt sandte alle Mitteilungen direkt an den Steuervertreter, der nach dem Auftragsverhältnis verpflichtet war, die Bescheide dem Steuerpflichtigen weiterzuleiten. Da die Übernahme der Steuervertretung nicht nur mit Pflichten, sondern auch mit Haftungsgefahren verbunden ist, wurde diese Dienstleistung vermehrt von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (sog. Limitadas) kostenpflichtig angeboten. Zum einen musste der Steuerpflichtige ein jährliches Entgelt an den Steuervertreter zahlen, obwohl er „nur“ eine Immobilie in Portugal erworben hat und in Portugal darüber hinaus nicht wirtschaftlich tätig war. Zum anderen musste er einen Steuervertreter beauftragen, den er häufig nicht kannte und deshalb auch nicht vertraute.
Obwohl die Portugiesische Republik am 18.07.2007 und am 26.06.2008 von der Europäischen Kommission aufgefordert wurde, die fraglichen Vorschriften zu ändern, blieb sie untätig. Deshalb hat die Kommission Klage gegen Portugal beim EuGH erhoben. Im Verfahren versuchte sich Portugal mit „Scheinargumenten“ zu verteidigen. Zum Beispiel wurde vorgetragen, dass Art. 130 CIRS (Einkommensteuergesetz) zwar ausdrücklich eine Verpflichtung zur Benennung eines Steuervertreters vorsieht, aus dieser Vorschrift in der Anwendungspraxis aber keine Verpflichtung hergeleitet wird. Auch das Argument, die Pflicht zur Beauftragung eines Steuervertreters sei gerechtfertigt, da diese Pflicht das Ziel verfolge, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten und Steuerflucht zu bekämpfen, wurde vom EuGH zu Recht zurückgewiesen.
Die Pflicht zur Beauftragung eines Steuervertreters verstößt bekanntermaßen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH umfasst der Kapitalverkehr die Vorgänge, durch die Personen im Gebiet eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ihren (gewöhn-lichen) Wohnsitz haben, Investitionen in Immobilien tätigen.
Die Verpflichtung zur Benennung eines steuerlichen Vertreters zwingt den Immobilienerwerber, einen Vertreter zu beauftragen und in der Praxis die Kosten der Vergütung dieses Vertreters zu tragen. Zu Recht trug der EuGH vor, dass solche Zwänge für diese Steuerpflichtigen eine Belastung schaffen, die geeignet ist, sie davon abzuhalten, in Portugal Kapital zu investieren und insbesondere Immobilieninvestitionen zu tätigen. Außerdem gibt es bereits EU-Richtlinien, wonach sich die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gegenseitig alle Auskünfte erteilen, die für die zutreffende Festsetzung u. a. der Steuern vom Einkommen geeignet sein können. Dieser Auskunftsaustausch findet auf Ersuchen der portugiesischen Finanzverwaltung statt. Die Richtlinie Nr. 77/799 sieht sogar vor, dass sich die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei bestimmten Fallgruppen Auskünfte ohne vorheriges Ersuchen erteilen. Ferner ist in dem Fall, dass der portugiesischen Finanzverwaltung steuerrelevante Informationen verschwiegen wurden und diese nicht über Anhaltspunkte verfügen, die die Einleitung von Ermittlungen gestatten, nicht ersichtlich, wie die Verpflichtung zur Benennung eines steuerlichen Vertreters als solche zur Entdeckung solcher Anhaltspunkte führt.
Zwar hat sich der EuGH nur zur Kapitalverkehrsfreiheit geäußert, die Pflicht zur Benennung eines steuerlichen Vertreters verstößt aber auch gegen die allgemeine Freizügigkeit innerhalb der EU, d.h. gegen das Recht jedes Unionsbürgers, sich frei in Portugal zu bewegen und aufzuhalten. Die portugiesischen Vorschriften zur Steuervertretung unterscheiden nämlich nicht zwischen wirtschaftlich aktiven und wirtschaftlich nicht aktiven Bürgern. Deshalb besteht eine Diskriminierung gegenüber all denjenigen, die, und sei es auch nur vorübergehend, von ihrem Recht auf Freizügigkeit im Gemeinschaftsgebiet Gebrauch machen. Eine portugiesische Steuernummer benötigt man in verschiedenen Situationen des täglichen Lebens. Nicht nur bei Immobiliengeschäften benötigt man eine Steuernummer.
Der Gerichtshof führt aus, dass angesichts der modernen Kommunikationsmittel denkbar wäre, die gebietsfremden Steuerpflichtigen zu verpflichten, den portugiesischen Steuerbehörden für alle von diesen übermittelten Mitteilungen eine Adresse in einem anderen Mitgliedstaat als der Portugiesischen Republik mitzuteilen. In den Fällen, in denen eine physische Anwesenheit des Steuerpflichtigen wesentlich ist, würde es ausreichen, diesem die Benennung eines steuerlichen Vertreters zu gestatten, anstatt eine allgemeine Verpflichtung zur Benennung eines solchen Vertreters vorzusehen. Damit gibt der Gerichtshof Portugal zu verstehen, dass in Zukunft jeder Unionsbürger das Recht haben soll, unter Angabe seiner Heimatadresse eine portugiesische Steuernummer zu erhalten. Der Steuerpflichtige soll außerdem frei entscheiden können, ob er einen Steuervertreter beauftragt.
Darauf hinzuweisen ist, dass Personen, die gewöhnlich in einem Staat der Europäischen Freihandelsassoziation (Schweiz, Fürstentum Liechtenstein, Island und Norwegen) ansässig sind, wahrscheinlich auch in Zukunft weiterhin verpflichtet sind, einen Steuerrepräsentanten zu beauftragen.