Hilfspaket über 78 Milliarden für Portugal: Zu erwartende steuerliche Änderungen

JULI 2011: Hilfspaket über 78 Milliarden für Portugal: Zu erwartende steuerliche Änderungen.

Die Finanzhilfe für den Dreijahres-Zeitraum 2011 bis 2013 im Umfang von 78 Milliarden Euro hat sich Portugal gesichert. Im Gegenzug hat sich Portugal jedoch verpflichtet, Reformen auf den Weg zu bringen. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Rathenau, Experte im Immobilien- und Steuerrecht, berichtet über die zu erwartenden Änderungen.


Die neue am 5. Juni 2011 gewählte portugiesische Regierung bestehend aus der bürgerlichen Sozialdemokratischen Partei (PSD) und der rechten Volkspartei (CDS/PP) muss die zwischen der „Troika“ und der früheren sozialistischen Übergangsregierung ausgehandelte Reformagenda („Memorandum of Understanding“) umsetzen. Die „Troika“ setzt sich aus der Euro-päischen Kommission (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammen.

Die Reformagenda sieht Steuererhöhungen, Kürzungen bei Sozialleistungen und Renten, Privatisierungen und Strukturreformen unter anderem auf dem Arbeitsmarkt vor. Es ist zu erwarten, dass das Parlament die Reformen, die das Immobilien- und Steuerrecht betreffen, bereits bis Ende dieses Jahres umsetzt.

1. Grundsteuer
Die Grundsteuer (Imposto Municipal sobre Imóveis) ist von demjenigen zu zahlen, der am 31.
Dezember des jeweiligen Steuerjahres den Nutzen aus der Immobilie zieht (s. ESA 04/11). Die Grundsteuer fällt jährlich an. Überschreitet die Höhe der Grundsteuer 250 €, wird diese in zwei Raten gezahlt: Die erste Rate im April und die zweite im September. Grundlage für die Berechnung der Grundsteuer ist der sog. Einheitswert (valor patrimonial tributário) der Immobilie. Das Grundsteuergesetz vom 01.12.2003 beinhaltet die mathematische Bewertungsformel für die Berechnung des Einheitswertes von Immobilien und schreibt vor, dass bis Ende 2013 alle Immobilien neu bewertet werden müssen. Die Mehrzahl der Immobilien weist niedrige Einheitswerte auf, da sie noch nicht neu bewertet wurden. Der Pakt mit der „Troika“ schreibt vor, dass der Einheitswert erhöht und an den Verkehrswert angepasst werden soll. Durch die zügige Neufestsetzung der Einheitswerte sollen zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von mindestens 250 Millionen € im Jahr 2013 erzielt werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber neue Bewertungsformeln verabschieden wird oder die Bewertungsformel des geltenden Grundsteuergesetzes weiterhin in Kraft bleibt. Es ist zu erwarten, dass Eigentümer verpflichtet werden, ihre Immobilie bis Ende 2011 neu bewerten zu lassen. Wird das Neubewertungsverfahren nicht freiwillig durchgeführt, wird die neue Festsetzung von Amts wegen vorgenommen. Der Wert von Wohnimmobilien soll künftig alle drei Jahre neu festgesetzt werden. Gewerbliche Immobilien sollen sogar jedes Jahr neu bewertet werden. Für 2012 ist außerdem die Erhöhung des Steuersatzes geplant. Zur Zeit beträgt der Steuersatz für städtische Immobilien, die neu bewertet wurden, 0,2 bis 0,4 % des Einheitswertes. Mit einer Erhöhung des Spitzensatzes auf 0,5 % ist zu rechnen. Bis Ende 2011 werden außerdem die Steuerbefreiungen beim Erwerb von Wohnimmobilien verschärft. Bisher konnte bei einem Kauf-preis von bis zu 236.250 € eine zeitweilige Steuerbefreiung beantragt werden. Der Zeitraum der Steuerbefreiung variierte, je nach Höhe des Kaufpreises: Bis zu 157.500 € – Befreiung über acht Jahre; von 157.500 € bis 236.250 € – Befreiung über vier Jahre. Diese Befreiungen sollen „kräftig“ reduziert werden. Immobilieneigentümer müssen demnach mit einer wesentlichen Anhebung der Grundsteuer rechnen.

2. Grunderwerbsteuer
Käufern von Immobilien trifft grundsätzlich die Pflicht, vor dem Kauf Grunderwerbsteuer (Imposto Municipal sobre as Transmissões Onerosas de Imóveis) zu zahlen (s. ESA 02/11). Die Grunderwerbsteuer soll reduziert werden. Eine Senkung führt zu weniger Steuereinnahmen, weshalb dieser Schritt auf den ersten Blick im Widerspruch zum Ziel der Reformagenda steht. Auf den zweiten Blick fällt aber auf, dass der voraussichtliche Steuerausfall nicht hoch sein wird. Die Agenda sieht nämlich die drastische Kürzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Darlehensraten und -zinsen vor. Dadurch soll erreicht werden, dass weniger Menschen Eigentumswohnungen kaufen und sich dadurch verschulden. Ca. 76 % der Portugiesen besitzen Eigentumswohnungen. Im europäischen Vergleich handelt es sich hierbei um einen sehr hohen Prozentsatz. Die Kreditaufnahmen zum Immobilienerwerb trugen zur immer tieferen Verschuldung der Familienhaushalte bei. Für diejenigen, die keinen Bankkredit in Anspruch nehmen müssen, könnte die Senkung der Grunderwerbsteuer ein Anreiz sein, Eigentum zu erwerben. Den Kauf von Immobilien zu fördern, ist für die Wiederbelebung der Immobilienwirtschaft von großer Bedeutung.

3. Mietrecht
Die Reformagenda sieht außerdem eine Ankurbelung des Marktes der Mietwohnungen vor. Durch den vorgenannten Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit von Darlehensraten und -zinsen sollen die ärmeren Gesellschaftsschichten anstatt Immobilieneigentum zu kaufen, Wohnungen mieten. Das aktuelle Mietrecht (s. ESA 03/08) wird mehrere Änderungen erfah-ren. Die Rechte und Pflichten der Mieter und Vermieter sollen in Gleichgewicht gebracht werden. Unbefristete Wohnmietverträge sollen unter einfacheren Voraussetzungen aufgehoben bzw. neu verhandelt werden, die Kriterien für die Erhöhung des Mietzinses durch den Vermieter sollen verschärft werden, die Widerspruchsfrist des Vermieters zwecks Beendigung des Mietverhältnis nach Ablauf der Vertragslaufzeit soll verkürzt werden und ein außergerichtliches vereinfachten Räumungsverfahren soll eingeführt werden. Vorgesehen ist auch das Recht der Vermieter, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von nur 6 Monaten, das Mietverhältnis zu kündigen, wenn gewichtige Baumaßnahmen an der Immobilie vorgenommen werden müssen. Zu Recht bemängelt die „Troika“ die Vielzahl von Gebäuden in Portugal, die sich in einem desolaten Zustand befinden. Die Reformagenda setzt in diesem Kontext Regelungen fest, die Renovierungsanreize schaffen sollen. Die baurechtlichen Verfahren für Renovierungsarbeiten und Arbeiten am Haus, die die Qualität und den Wert der Immobilien erhöhen, wie zum Beispiel die Durchführung von Maßnahmen zwecks Erhöhung der Energieeffizienz, sollen vereinfacht werden.

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