Die portugiesische Aktiengesellschaft

NOVEMBER 2011: Die portugiesische Aktiengesellschaft.

Die Aktiengesellschaft (AG) ist hinter der GmbH die zweitwichtigste Rechtsform in Portugal. Dem juristischen Laien weitgehend unbekannt ist die Struktur der AG. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Rathenau, Experte im Immobilien- und Steuerrecht, schildert die Organisationsmodelle der portugiesischen Aktiengesellschaft.

Die Aktiengesellschaft (AG) ist hinter der GmbH die zweitwichtigste Rechtsform in Portugal. Dem juristischen Laien weitgehend unbekannt ist die Struktur der AG. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Rathenau, Experte im Immobilien- und Steuerrecht, schildert die Organisationsmodelle der portugiesischen Aktiengesellschaft.
Das portugiesische Gesellschaftsrecht sieht für die Organisation und Verwaltung einer Aktiengesellschaft, deren Mindestkapital 50.000 € beträgt, drei Organisationsmodelle bzw. Leitungssysteme vor. Ein Wechsel von einem System zum anderen ist grundsätzlich möglich. Bei einem Wechsel müssen die Bezeichnungen der Organe entsprechend geändert werden, um Missverständnisse im Rechtsverkehr zu vermeiden. Die Hauptversammlung (assembleia geral) ist Organ der Aktiengesellschaft in jeder Organisationsform.

1. Monistisches bzw. klassisches System
Nach dem monistischen bzw. klassischen System obliegt die Leitung der Aktiengesellschaft einem Verwaltungsrat (conselho de administração). Ihm ist ein Kontrollrat (conselho fiscal) als Aufsichtsorgan zur Seite gestellt. Die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates kann in der Satzung frei bestimmt werden. Eine Gesellschaft mit einem Gesellschaftkapital bis 200.000 € kann einen Verwaltungsrat mit nur einem Mitglied haben. Die Mitglieder des Verwaltungsrates werden von der Hauptversammlung für vier Jahre gewählt. Die Mitglieder des Verwaltungsrates wählen den Verwaltungsratsvorsitzenden, der bei Pattsituationen die entscheidende Stimme hat. Dem Verwaltungsrat ist die Geschäftsführung anvertraut. Der Gesetzgeber hat einen harten Verwaltungsrat vor Augen. Nur Ausnahmsweise ist er an Entscheidungen der Aktionäre gebunden. Auch der Kontrollrat darf nur in gesetzlich geregelten Einzelfällen in die Tätigkeit des Verwaltungsrates eingreifen. Dem Verwaltungsrat obliegt auch die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der AG. Die Arbeit des Verwaltungsrates wird vom Kontrollrat überwacht. Die Anzahl seiner Mitglieder hängt von der Größe der Aktiengesellschaft ab. Der Kontrollrat muss aus mindestens drei Mitgliedern bestehen. Unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere bei kleinen Aktiengesellschaften, kann der Kontrollrat aus nur einer Person bestehen. In diesem Fall muss der Einzelne als Wirtschaftsprüfer (revisor oficial de contas) zugelassen sein.

2. Dualistisches bzw. germanisches Modell
Im dualistischen bzw. germanischen Modell sind die Organe einer Aktiengesellschaft der Vorstand (conselho de administração executivo), der Aufsichtsrat (conselho geral e de supervisão) und der Abschlussprüfer (revisor oficial de contas). Die Bezeichnung als germanisches Modell folgt aus der Parallele zum früheren § 162 des deutschen Aktiengesetzes, nach dem der Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss der Aktiengesellschaft zu prüfen hatte. Im Gegensatz zum portugiesischen Recht war der Wirtschaftsprüfer nach deutschem Recht kein Organ der Gesellschaft. Die Satzung muss die Zahl der Vorstandsmitglieder bestimmen. Es genügt, wenn eine Mindest- oder Höchstzahl genannt wird. In der Satzung kann bestimmt werden, ob die Vorstandsmitglieder von der Hauptversammlung oder vom Aufsichtsrat gewählt werden. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. In Aktiengesellschaften mit einem Kapital bis zu 200.000 € kann ein Einzelvorstand (único director) bestellt werden. Der Vorstand führt die Geschäfte der Aktiengesellschaft. Er vertritt diese gerichtlich und außergerichtlich durch die Mehrheit seiner Mitglieder. In bestimmten Einzelfällen ist der Aufsichtsrat dafür zuständig. Die Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsrates ist nicht beschränkt; sie muss allerdings die Zahl der Vorstandsmitglieder übersteigen. Auch eine juristische Person kann Mitglied des Aufsichtsrates sein, die aber eine natürliche Person mit der Ausübung des Amtes beauftragen muss. Die Mitglieder des Aufsichtsrates werden von der Hauptversammlung gewählt oder in der Satzung bestimmt. Auch die Amtszeit kann in der Satzung festgelegt werden, darf aber einen Zeitraum von vier Jahren nicht überschreiten. Fehlt eine solche Bestimmung in der Satzung, beträgt die Amtszeit vier Jahre. Der Aufsichtsrat überwacht die Arbeit des Vorstandes, vertritt die Gesellschaft in Rechtsstreitigkeiten mit anderen Organen, ernennt und entlässt die Vorstandsmitglieder und den Vorstandsvorsitzenden. Auch erstellt er den Jahresbericht, den er der Hauptversammlung vorlegen muss. Börsennotierte Aktiengesellschaften und Aktiengesellschaften einer bestimmten Größe müssen eine Finanzkommission innerhalb des Aufsichtsrates einrichten, der für die Überwachung der finanziellen Tätigkeit zuständig ist und die Bilanzen kontrolliert.
Der Abschlussprüfer ist ein Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (sociedade de revisores oficiais de contas), der bzw. die die Buchhaltung der Aktiengesellschaft prüfen. Der Abschlussprüfer hat die Stellung eines Organs der Gesellschaft. Der Abschlussprüfer darf nicht für mehr als vier Jahre bestellt werden.

3. Angelsächsisches Modell
Im angelsächsischen Modell sind Organe der Gesellschaft der Verwaltungsrat (conselho de administração) und der Abschlussprüfer (revisor oficial de contas). Wie im Board-System des englischen Rechts, besteht der Verwaltungsrat aus geschäftsführenden und nichtgeschäftsführenden Mitgliedern. Daraus folgt auch die Bezeichnung als angelsächsisches Modell. Beträgt das Kapital der Aktiengesellschaft weniger als 200.000 €, kann auch nur eine Person als geschäftsführender Verwaltungsrat benannt werden. Jedoch müssen in diesem System drei weitere Personen als nichtgeschäftsführende Verwaltungsräte bestellt werden, die die Auf-sichtskommission (comissão de auditoria) innerhalb des Verwaltungsrates bilden. Der Verwaltungsrat des angelsächsischen Modells hat somit immer mindestens 4 Mitglieder. In der Satzung kann festgelegt werden, dass die Aufsichtskommission aus mehr Mitgliedern besteht. Sie stellt ein selbstständiges Organ der Gesellschaft mit einem eigenen Zuständigkeitsbereich dar. Die geschäftsführenden Verwaltungsräte sind entsprechend ihrer Bezeichnung für die Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft zuständig. Diese werden von der Aufsichtskommission überwacht und kontrolliert. Die Kontroll- und Überprüfungspflichten können durch die Satzung erweitert werden. Neben Verwaltungsrat und Aufsichtskommission ist auch in diesem System der Abschlussprüfer ein Organ der Gesellschaft.

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