Die Verjährung in Portugal

Die Verjährung in Portugal.

Fragen wie „Bis wann muss ich meinen Anspruch gegen meinen Schuldner geltend machen?“ und „Muss ich dafür vor Gericht ziehen?“ werden Herrn Dr. Alexander Rathenau regelmäßig gestellt. Er ist der einzige deutsche Rechtsanwalt, der gleichzeitig portugiesischer Advogado ist. Als portugiesischer Advogado vertritt er die Interessen seiner Mandanten vor allen portugiesischen Gerichten, einschließlich der Inselgruppen Madeira und Azoren.

Verjährung(prescrição) ist im Zivilrecht der durch den Ablauf einer bestimmten Frist bewirkte Verlust der Möglichkeit, einen bestehenden Anspruch durchzusetzen. Das portugiesische Verjährungsrecht unterscheidet sich wesentlich von der deutschen Rechtslage.

Ansprüche unterliegen den Vorschriften über die Verjährung. Die allgemeine Verjährungsfrist beträgt in Portugal 20 Jahre. In Deutschland beträgt die regelmäßige Verjährung hingegen nur drei Jahre. Auf Ansprüche, die einer kürzeren Verjährungfrist unterliegen, jedoch rechtskräftig festgestellt wurden, findet ebenso die allgemeine Verjährungsfrist von 20 Jahren Anwendung.

Einer Verjährungsfrist von 5 Jahren unterliegen Ansprüche, die regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben. Darunter fallen Strom-,Wasser-, Gas-und Telefonrechnungen. Für diese essentiellen Leistungen des täglichen Gebrauchs existieren außerdem Verbraucherschutzvorschriften: Gem. Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 23/96, vom 26. Juli verjähren die Ansprüche nach Ablauf von 6 Monaten nach der Leistungserbringung, d.h. nach dem Verbrauch bzw. Nutzung durch den Verbraucher. Dadurch soll vermieden werden, dass sich beim Verbraucher über Jahre hinweg Schulden akkumulieren. Zwecks Abwendung der Verjährung ist der Gläubiger (z.B. die EDP) verpflichtet, die Zahlungsansprüche innerhalb der 6 Monate gerichtlich geltend zu machen. Der 5-jährigen Verjährungsfrist unterliegen außerdem Lebensrenten, Miet-und Pachtzahlungen, Zinsen, Gesellschaftsdividenden, Darlehensraten und Unterhaltszahlungen.

Einer Verjährungsfrist von 6 Monaten unterliegen Zahlungsansprüche von Herbergen und Restaurants in Bezug auf die Beherbergung sowie Essen- und Getränkekauf.

Schließlich findet eine Verjährungsfrist von 2 Jahren auf folgende Ansprüche Anwendung: a) Beherbergung von Schülern oder Studenten (mit oder ohne Essen), Schul- und Hochschuldgeld, ärztliche Versorgung von Schülern und Studenten; b) Zahlungsansprüche von Gewerbetreibenden im Zusammenhang mit dem Verkauf von Gegenständen an Verbraucher sowie c) Ansprüche von Freiberuflern in Bezug auf ihre Zahlungsansprüche (Vergütung und getätigte Auslagen).

Eine besondere Verjährungsfrist von 3 Jahren besteht bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung (z.B. Körperverletzung oder Sachbeschädigung).

Die Verjährung wird nicht von Amts wegen vom Gericht geprüft; vielmehr handelt es sich, wie in Deutschland, um eine Einrede, die geltend gemacht werden muss (Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners). Ein einseitiger Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede ist – anders als in Deutschland – erst nach Ablauf der Verjährungsfrist zulässig. Vereinbarungen über die Verjährung sind unzulässig.

Die Verjährungsfrist beginnt, sobald das Recht ausgeübt werden kann, d.h. mit der Entstehung des Anspruchs. In Deutschland beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist hingegen erst mit dem Ende des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist. Folglich beginnt die regelmäßige Verjährung in Deutschland mit Ablauf des 31.12. und endet drei Jahre später am 31.12., 24.00 Uhr. Auch beim Beginn der Verjährung unterscheidet sich demnach das portugiesische Código Civil vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch. Bei einer unerlaubten Handlung beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist erst nachdem der Geschädigte von seinem Anspruch Kenntnis erlangt hat. Der Fristbeginn setzt weder die Kenntnis der Person des Schädigers noch das Ausmaß des Schadens voraus. Unabhängig von der Kenntnis des Anspruchs durch den Geschädigten, beträgt die Höchstfrist 20 Jahre ab Vornahme der unerlaubten Handlung.

Im portugiesischen Recht ist zwischen der Hemmung (suspensão) und Unterbrechung (interrupção) der Verjährung zu unterscheiden. Anders als in Deutschland ist die Hemmung jedoch die Ausnahme. Die Vorschriften über die Hemmung der Verjährung enthalten vor allem Sondervorschriften, wonach die Verjährungsfrist erst gar nicht beginnt: Ansprüche zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern, Gesellschaft und Geschäftsführung, Haushilfe und Hausherr u.a.

Praxisrelevant ist hingegen die Unterbrechung der Verjährung, die zu einem Neubeginn der Verjährung führt. Die Unterbrechung setzt die Zustellung der Klage oder eine Anerkennung des Anspruchs durch den Schuldner voraus. Wird die Klage innerhalb von 5 Tagen nach Eingang bei Gericht nicht wirksam zugestellt und hat der Kläger diese Verzögerung nicht zu vertreten, wird der Eintritt der Unterbrechungswirkung nach dem Ablauf der genannten 5 Tagen fingiert. Der Zustellung der Klage wird nahezu jede andere Art der gerichtlichen Bekanntmachung des Anspruchs gegenüber dem Schuldner gleichgestellt; es genügt auch die Zustellung einer Erfüllungsaufforderung durch das Gericht (notificação judicial avulsa).

Eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung bei Verhandlungen zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger kennt das portugiesische Recht – anders als das deutsche Recht – nicht. Deshalb muss in Portugal für die wirksame Unterbrechung der Verjährung grundsätzlich stets rechtzeitig gerichtlich vorgegangen werden.

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