Wer sind meine Eltern? Das portugiesische Abstammungsrecht im Überblick

Wer sind meine Eltern? Das portugiesische Abstammungsrecht im Überblick
Rechtsanwalt und Advogado Dr.Alexander Rathenau führt die ESA-Leser in eine wichtige Materie ein: Wer gilt vor dem Gesetz als Mutter und Vater eines Kindes? Als einziger deutscher Rechtsanwalt, der vor portugiesischen Gerichten zugelassen ist, berichtet er über seine Praxiserfahrung.

1. Mutterschaft
Die Feststellung der Mutterschaft bereitet in der Regel keine Probleme. Sie beruht auf der Geburt des Kindes und wird in das Standesamtsregister eingetragen. Wird eine Person eingetragen, die nicht die Mutter des Kindes ist, kann die Mutterschaft angefochten werden. Ist die Mutter nicht im Register eingetragen, leitet der Standesbeamte die Akte an das Gericht weiter, das die Aufgabe hat, die Mutterschaft von Amts wegen festzustellen.

In den Fällen, in denen keine Mutter im Register eingetragen ist, steht dem Kind das Recht zu, eine Klage auf Anerkennung
der Mutterschaft zu erheben. Die Klage des Kindes ist an keine Frist gebunden. Die Fristenvorschrift, wonach die Klage nur während der Minderjährigkeit des Kindes oder innerhalb von zehn Jahren nach dem Erreichen der Volljährigkeit erhoben werden kann, ist verfassungswidrig und daher nichtig.
Umstritten ist, ob Einschränkungen bei der Anerkennung des Kindes als gesetzlicher Erbe erfolgen, da vermieden werden soll, dass die Anerkennungsklage dazu miss braucht wird, ausschließlich an das Nachlassvermögen der Eltern zu gelangen.

2. Vaterschaft
a) Eheliches Kind
Bei einer Ehe wird vermutet, dass der Ehemann der Vater des Kindes ist, wenn das Kind während der Ehe gezeugt oder geboren wurde. Gezeugt gilt das Kind grundsätzlich in den ersten 120 Tagen der 300 Tage vor der Geburt. Wurde das Kind innerhalb von 180 Tagen nach der Eheschließung geboren und wird vor dem Registeramt erklärt, dass der Ehemann nicht der Vater ist, erlischt die Vermutung der Vaterschaft des Ehemannes. Außerdem erlischt die Vermutung bei Kindern, die nach dem Ablauf von 300 Tagen nach dem „Ende des Zusammenlebens“ der Ehegatten geboren wurden. Das „Ende des Zusammenlebens“ im genannten Sinne setzt grundsätzlich die Einleitung des Scheidungsverfahrens
voraus.

Die Vaterschaftsvermutung lebt wieder auf, wenn der Beginn des gesetzlichen Empfängniszeitraumes vor der Rechtskraft des Scheidungsurteils liegt und vor Gericht bewiesen wird, dass die Ehegatten während dieses Zeitraumes eine Beziehung pflegten, die eine Vaterschaft wahrscheinlich macht, oder das Kind bei Geburt von beiden Ehegatten als ihr Kind behandelt bzw. als solches im sozialen Umfeld angesehen
wurde. Ferner erlischt die Vermutung, wenn die Mutter bei Geburt erklärt, dass ihr Ehemann nicht der Kindesvater ist. Wurde das Kind während einer zweiten Ehe geboren und sind noch keine 300 Tage seit der Auflösung der ersten Ehe vergangen, wird vermutet, dass der Vater der zweite Ehemann ist.

Beruht die Vaterschaft auf einer gesetzlichen Vermutung, kann diese nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen widerlegt werden. In der Klage auf Widerlegung der Vermutung ist nachzuweisen, dass die Vaterschaft offensichtlich unwahrscheinlich ist. Unabhängig davon, ob dieser Nachweis erbracht werden kann, kann die Vaterschaft erfolgreich angefochten werden, wenn das Kind während der ersten 180 Tage nach der Eheschließung geboren wurde, es sei denn, der Ehemann hatte vor der Heirat Kenntnis von der Schwangerschaft, das Kind wurde mit der Zustimmung des Ehemannes als sein Kind im Register eingetragen oder der Ehemann hat das Kind auf andere Weise als sein Kind anerkannt.
Letzteres gilt nicht, wenn der Vater einem Irrtum über die Umstände unterlag, die maßgeblich zur Annahme der Vaterschaft beitrugen.
Die Frist der Anfechtungsklage beträgt für den Ehemann drei Jahre ab Kenntnis der Umstände, aus denen er ableitet, nicht der Kindesvater zu sein. Die Klagefrist der Mutter beträgt drei Jahre ab Geburt des Kindes. Das Kind unterliegt einer Klagefrist von zehn Jahren nach dem Erreichen der Volljährigkeit. Nach Erreichen der Voll jährigkeit kann das Kind außerdem innerhalb von drei Jahren nach Kenntnis der Umstände, aus denen es ableitet, nicht das Kind des Ehemannes seiner Mutter zu sein, Anfechtungsklage erheben.

b) Uneheliches Kind
Die Vaterschaft bei nichtehelichen Kindern wird durch Anerkennung begründet. Es ist zwischen der freiwilligen Anerkennung der Vaterschaft (perfilhação), der Ermittlung der Vaterschaft von Amts wegen und der gerichtlichen Anerkennung zu unterscheiden. Die freiwillige Anerkennung erfolgt durch die Abgabe einer unwiderruflichen Willenserklärung. Die Anerkennung der Vaterschaft eines volljährigen Kindes setzt dessen Zustimmung voraus. Ist bereits eine andere Person im Zivilregister als Vater eingetragen, muss zunächst das Register berichtigt werden. Ist der Vater im Zivilregister nicht eingetragen, hat das Standesamt den Registerauszug dem Gericht zu übersenden. Das Gericht versucht sodann die Vaterschaft von Amts wegen zu ermitteln.

Die gerichtliche Klage auf Anerkennung der Vaterschaft ist begründet, wenn (1) eine gesetzliche Vaterschaftsvermutung
greift, (2) nachgewiesen wird, dass die Mutter in der Empfängniszeit nur mit dem mutmaßlichen Vater Geschlechtsverkehr hatte oder (3) die biologische Vaterschaft durch eine DNA-Analyse festgestellt wird.
Die Vaterschaft wird widerlegbar vermutet, wenn (1) der mutmaßliche Vater das Kind als sein eigenes Kind behandelt hat und es als sein Kind im sozialen Umfeld angesehen wurde, (2) eine schriftliche Erklärung der Vaterschaft vorliegt, (3) während des gesetzlichen Empfängniszeitraumes eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen der Mutter und dem mutmaßlichen Vater bestand, (4) die Mutter verführt hat oder (5) nachgewiesen wird, dass er eine sexuelle Beziehung mit der Mutter während der Empfängniszeit pflegte.
Wie die Klage auf Feststellung der Mutterschaft, ist die Klage auf Anerkennung der Vaterschaft an keine Frist gebunden.

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