Wer zahlt, wenn es knallt? Die Haftung bei Verkehrsunfällen in Portugal.
Wer bereits auf Portugals Straßen unterwegs war, kennt die Gefahren des Straßenverkehrs. Wenn es zu einem Unfall kommt, ist dies für alle Beteiligten unangenehm. Zum einen ist es mit Ärger und Sorgen um die Angehörigen verbunden, zum anderen stellt sich häufig die Frage, wer die entstandenen Schäden zu ersetzen hat. Der folgende Beitrag des Experten Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau gewährt einen Überblick über die Haftung im Straßenverkehr.
Wer in Portugal ein Fahrzeug im eigenen Interesse, wenn auch durch einen Gehilfen, effektiv führt, haftet für die Schäden, die aus der konkreten Betriebsgefahr des Fahrzeugs resultieren. Das Fahrzeug muss sich nicht in Bewegung befunden haben. Fahrzeugführer ist, wer die tatsächliche Sachherrschaft bzw. die Kontrolle über das Fahrzeug hat. Anders als im deutschen Recht wird nicht zwischen der Haftung des Halters und des Führers des Fahrzeuges unterschieden. Eine Haftung des Fahrzeughalters kennt das portugiesische Recht nicht. Es wird vermutet, dass der Eigentümer des Fahrzeugs auch dessen Führer ist. Dieser muss sich dann ggfls. Entlasten, d.h. er muss beweisen, dass er zum Unfallzeitpunkt nicht das Fahrzeug geführt hat. Die Haftung des Fahrzeugführers ist nur dann ausgeschlossen, wenn sich in dem Verkehrsunfall nicht die Betriebsgefahr des Fahrzeugs verwirklicht hat oder der Unfall allein dem Verletzten oder einem Dritten zuzurechnen ist.
Ist der entstandene Schaden durch mehrere Fahrzeuge verursacht worden, wird die Haftung grundsätzlich nach dem verwirklichten Betriebsrisiko der jeweiligen Fahrzeuge verteilt, soweit der Unfall von keinem der Fahrzeugführer alleine zu vertreten ist.
Entscheidend ist also die Feststellung des jeweiligen Verursachungsbeitrages. In der Praxis wird zum Beweis häufig auf ein Sachverständigengutachten zurückgegriffen, anhand dessen sich das Unfallgeschehen rekonstruieren lässt. Bestehen dennoch Zweifel, verteilt sich die Haftungslast gleichmäßig auf alle Beteiligten. Es wird dann eine hälftige Aufteilung vorgenommen, d.h. jeder Fahrzeugführer haftet jeweils zu 50 %.
Steht die Haftungsquote der Beteiligten fest, fragt sich wie weit die Haftung geht. Die Gefährdungshaftung ist der Höhe nach begrenzt. Trifft dem Verantwortlichen kein Verschulden, darf der Schadensersatzanspruch nicht die gesetzliche Mindestdeckungssumme der Haftpflichtversicherung überschreiten. Diese beträgt seit Juli 2012 für Personenschäden 5.000.000,- € und für Sachschäden 1.000.000,- €. Trifft dem Verantwortlichen ein Verschulden, haftet er unbegrenzt. Er hat dann die entstandenen Schäden in voller Höhe auszugleichen. Das Verschulden muss aber der Verletzte beweisen.
Die genannten Mindestdeckungssummen haben auch eine wichtige prozessuale Bedeutung: Überschreiten die Anträge des Klägers nicht die genannten Summen, ist Beklagter im Verfahren nur das Versicherungsunternehmen unter Ausschluss des zivilrechtlich Verantwortlichen. Anders als im deutschen Recht kommt es im Rahmen eines Prozesses somit nicht zu einer Streitgenossenschaft mit der Haftpflichtversicherung.
Der Geschädigte kann den Unfallschaden in seinem Heimatland (z.B. Deutschland) außergerichtlich gegenüber dem Schadensregulierungsbeauftragten des portugiesischen Haftpflichtversicherers geltend machen. Alle portugiesischen Kraftfahrthaftpflichtversicherer haben einen sog. Schadensregulierungsbeauftragten im Ausland, der zur außergerichtlichen Regulierung bevollmächtigt ist. Soll gerichtlich vorgegangen werden, sind in der Regel nur die portugiesischen Gerichte international zuständig (Ort des Schadensereignisses).
Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat grundsätzlich den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Bei Verkehrsunfällen ist zu beachten, dass ein Kraftfahrzeug vom Ersatzpflichtigen nicht repariert werden muss, wenn die Reparaturkosten, einschließlich des Restwertes des Fahrzeuges, 100 % bzw. 120 % des Marktwertes des Fahrzeuges übersteigen, je nachdem, ob das Fahrzeug jünger oder älter als zwei Jahre ist (sogenannter Totalschaden).
Darüber hinaus ist folgendes zu beachten:
– Reparaturkosten: Die tatsächlich angefallenen Kosten der Reparatur werden gegen Vorlage der quittierten Reparaturrechnung erstattet. Der Geschädigte kann auch fiktiv auf Basis eines Kostenvoranschlags oder eines Sachverständigengutachtens abrechnen;
– Wertminderung: Die Wertminderung des Fahrzeugs wird nur sehr selten erstattet;
– Mietwagenkosten: Soweit der Geschädigte an der Nutzung seines Fahrzeugs gehindert ist, hat er einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die für die Anschaffung eines gleichwertigen Fahrzeuges erforderlich sind. Bei der Reparatur des Fahrzeugs durch eine vom Geschädigten selbst ausgewählten Werkstatt, kann er das Mietfahrzeug während der gesamten Dauer der Reparatur auf Kosten des Schädigers verwenden;
– Abschleppkosten: Sind erstattungsfähig;
– Heilbehandlungs- und Pflegekosten: Heilbehandlungskosten werden durch die portugiesischen Krankenversicherungen nicht erstattet. Diese sind gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung Geltend zu machen. Pflegekosten sind erstattungsfähig;
– Lohnausfall: Erstattet wird der Bruttolohn, wenn der Geschädigte infolge des Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig war;
– Schmerzensgeld: Ein Schmerzensgeldanspruch besteht nur in bestimmten Einzelfällen. Schmerzensgeld wird pauschal als Einmalbetrag gewährt. Im Todesfall haben die Ehegatten und Kinder ein Anspruch auf Schmerzensgeld;
– Unterhaltsschaden: Die unterhaltsberechtigten Angehörigen eines Erwerbstätigen können bei dessen Tötung Anspruch Erstattung des entgangenen Unterhalts verlangen;
– Beisetzungskosten. Die für eine Beerdigung angefallenen Kosten werden erstattet.