Das portugiesische Insolvenzrecht im Zeichen der Krise

Das portugiesische Insolvenzrecht im Zeichen der Krise.
Es verwundert nicht, dass im Kontext der Wirtschaftskrise die Anzahl von Insolvenzanträgen von juristischen und natürlichen Personen in Portugal in den letzten Jahren stark zunahm. „Besorgniserregend ist, dass trotz des Anstieges verhältnismäßig wenige Schuldner zum Insolvenzantrag greifen. Die Ungewissheit der mit dem Insolvenzverfahren eintretenden Folgen hält sie davon ab. Das schadet den Schuldnern selbst und ihren Gläubigern“, erläutert Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau.

Die Unternehmensinsolvenz ist von der Privatinsolvenz zu unterscheiden.

A. Insolvenz von juristischen Personen (Unternehmensinsolvenz)

Ist der Schuldner eine juristische Person (z.B. eine Limitada), hat er die Insolvenz gem. portugiesischem Recht innerhalb von 30 Tagen ab Kenntnis oder Kennenmüssen des Insolvenzgrundes zu beantragen. Er gilt als insolvent, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Eine Limitada befindet sich in dieser Lage, wenn die Passiva die Aktiva wesentlich übersteigen. Erfüllt der Schuldner bestimmte Zahlungsverpflichtungen nicht, wie z.B. Steuerschulden oder Sozialversicherungsabgaben, wird nach Ablauf von 3 Monaten nach Fälligkeit dieser Forderungen unwiderleglich vermutet, dass der Schuldner die Insolvenzlage kannte. Die Vermutung gilt auch, wenn bei einer juristischen Person die Passiva die Aktiva weit überschreiten. Wird der Insolvenzantrag verschleppt, kann dies zur Folge haben, dass der Geschäftsführer und Buchhalter der Gesellschaft persönlich in Haftung genommen werden und gegen sie ein Berufsverbot verhängt wird. Außerdem droht ihnen ein Strafverfahren. Das portugiesische Strafgesetzbuch enthält Insolvenzstraftaten, die Freiheitsstrafen bis zu 5 Jahren vorsehen.

Ziel des Insolvenzverfahrens ist es einen gerechten Ausgleich zwischen Schuldner und Gläubigern zu erreichen und für die möglichst vollständige Befriedigung aller Gläubiger zu sorgen. Dazu wird das gesamte Vermögen des Schuldners seiner Verfügungsbefugnis entzogen und auf einen Insolvenzverwalter übertragen. Der Insolvenzverwalter hat die Aufgabe, das Schuldnervermögen zu verwalten, es zu verwerten und den erzielten Erlös an die Gläubiger zu verteilen. Das Verfahren dient demnach dem Gläubigerinteresse. Das Insolvenzverfahren hat nach dem Willen des portugiesischen Gesetzgebers jedoch nicht das primäre Ziel, das Unternehmen zu zerschlagen. Vielmehr soll das verbleibende Schuldnervermögen zur Sanierung und Erhalt des Unternehmens Verwendung finden. Das Verfahren dient demnach auchdem Schuldnerinteresse. Im Insolvenzverfahren können einzelne Gläubiger nicht mehr in das Schuldnervermögen vollstrecken. Die Sanierung steht natürlich auch im Interesse der Gläubi-ger, da nach erfolgter Sanierung bestehende Schulden aus künftigen Gewinnen des Unternehmens beglichen werden können. Seit Kurzem sieht das Insolvenzgesetzbuch ein sog. Besonderes Revitalisierungsverfahren vor. Befindet sich der Schuldner nur in einer schwierigen Wirtschaftslage oder in einer drohenden Insolvenzlage, kann er sich dazu entscheiden, das besondere Revitalisierungsverfahren zu durchlaufen, wenn ein Erhalt des Unternehmens möglich erscheint. Das Revitalisierungsverfahren wird durch einen gemeinsamen Antrag des Schuldners und mindestens eines seiner Gläubiger eingeleitet. In dem gemeinsamen Antrag wird manifestiert, dass Verhandlungen stattfinden sollen, die zur Revitalisierung des Unter-nehmens auf der Grundlage eines zu genehmigenden Erhaltungsplanes führen.

Den Insolvenzantrag kann nicht nur der Schuldner, sondern auch der Gläubiger oder die Staatsanwaltschaft stellen. Die Staatsanwaltschaft vertritt den Staat bei Schulden gegenüber der öffentlichen Hand. Das Insolvenzurteil wird nur den 5 größten (bekannten) Gläubigern zugestellt. Die restlichen Gläubiger werden von der Entscheidung durch öffentliche Bekanntmachung in Kenntnis gesetzt. Für Gläubiger ist die Kenntnisnahme des Insolvenzurteils von großer Bedeutung, da sie innerhalb einer Frist, die maximal 30 Tage beträgt, ihre Forderungen anmelden müssen. Es ist deshalb üblich, dass auf diesem Gebiet tätige Rechtsanwälte auf In-solvenzdatenbanken Zugriff haben, um die Frist der Forderungsanmeldung nicht verstreichen zu lassen.

B. Insolvenz von natürlichen Personen (Privatinsolvenz)

Ratsam ist ein Verbraucherinsolvenzverfahren für Menschen, die überschuldet sind und deren Gläubiger einen Vergleich ablehnen. Anders als bei juristischen Personen, besteht zwar keine Pflicht zur Beantragung der Insolvenz, jedoch ist auch in diesem Verfahren eine wichtige Frist zu beachten. Diese Frist beträgt 6 Monate und steht im Zusammenhang mit der anzustrebenden Restschuldbefreiung. Die Restschuldbefreiung, die der portugiesische Gesetzgeber nach deutschem Vorbild übernommen hat, ermöglicht verschuldeten natürlichen Personen nach einer Wohlverhaltensphase schuldenfrei zu werden. Darauf hinzuweisen ist, dass die Restschuldbefreiung keine Steuerschulden, Unterhaltsschulden und solche Schulden erfasst, die ihren Rechtsgrund in einer unerlaubten Handlung haben. Die Restschuldbefreiung wird abgelehnt, wenn das Insolvenzverfahrens erst nach dem Ablauf von 6 Monaten nach dem Eintritt der Insolvenzlage eröffnet wird und durch diese Verzögerung Gläubiger geschädigt wurden sowie der Schuldner erkennen musste, dass sich seine wirtschaftliche Situation nicht ernsthaft verbessern werde. Damit der Schuldner in den Genuss der Restschuldbefreiung gelangt, muss er außerdem die sog. Wohlverhaltensphase durchlaufen. Diese Phase beträgt 5 Jahre nach Ende des Insolvenzverfahrens. Innerhalb dieses Fünf-Jahres-Zeitraumes tritt der Schuldner sein pfändbares Einkommen an einen Treuhänder ab. Außerdem hat er während dieser Zeit bestimmte Obliegenheiten zu erfüllen. Hervorzuheben ist die Obliegenheit, eine vergütete Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.

Sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen sollten sich in diesem sensiblen Bereich anwaltlich beraten lassen. Falsche Entschlüsse, die zu Verzögerungen oder gar zur Untätigkeit führen, können im Extremfall zu Haftstrafen führen. Wer als Privatperson sich einen „fresh start“ ohne Schulden nicht verbauen möchte, muss rechtzeitig tätig werden.

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