Neue Rechtslage: Patienten ohne Grenzen.

Neue Rechtslage: Patienten ohne Grenzen.
Sie müssen sich im Urlaub ärztlich behandeln lassen? Oder begeben sich sogar gezielt ins Ausland, um dort behandelt zu werden? Grundsätzlich werden die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auch im Ausland erbracht. Jedenfalls im europäischen Ausland. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau fasst die neue Rechtslage zur Krankenversicherung im EU-Ausland zusammen.

Hier das portugiesische Gesetz vom 25.08.2014 welches das EU-Recht umgesetzt hat.

Die neue EU-Richtlinie zur Patientenmobilität hat Auslandsbehandlungen vereinfacht: Lassen sich Versicherte in einem EU-Mitgliedstaat behandeln, erstatten die Krankenkassen die Kosten bis zu einer Höhe, die auch für eine entsprechende Behandlung im Inland übernommen wird. Zudem ist die Erstattung nicht mehr auf medizinisch notwendige, also unmittelbar erforderliche Versorgung beschränkt. Dies gilt auch für dauerhaft im EU-Ausland lebende Personen, welche weiterhin dem heimatstaatlichen Sozialversicherungssystem unterliegen.

Bisherige europäische Vorgaben

Grundsätzlich werden die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen nur im Inland erbracht. Ausnahmen gibt es aber durch zwischen- und überstaatliche Regelungen. In den EU-Staaten gibt es nach den europäischen Verordnungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit die Möglichkeit der Krankenbehandlung im Rahmen der Sachleistungsaushilfe. Kerngedanke dieser Verordnungen ist, dass man auch bei einem Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat seinen Krankenversicherungsschutz nicht verliert. Auf Grundlage dieser Verordnungen wurde die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) eingeführt.

Bisher bestand der Krankenversicherungsschutz über die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) beim Aufenthalt im europäischen Ausland ausschließlich bei Unfällen oder akuten Erkrankungen. Der Anspruch war also auf unmittelbar notwendige medizinische Leistungen beschränkt: Akute Zahnschmerzen wurden behandelt, die neue Brücke gab es aber nur im eigenen Land. Wenn Versicherte sich aus bestimmten Gründen bewusst für eine Behandlung im Ausland entschieden, musste mit der Krankenkasse zuvor geklärt werden, ob die Kosten hierfür übernommen werden. Zudem konnten die medizinischen Leistungen in den EU-Mitgliedstaaten nur zu denselben Bedingungen in Anspruch genommen werden, wie sie für die Versicherten des Gastlandes gelten. Wurden die Kosten einer Behandlung dort nur zum Teil übernommen, musste selbst entsprechend zugezahlt werden.

Neue europäische Vorgaben

Diese Rechtslage hat sich durch die Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 09.03.2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (Patientenmobilitätsrichtlinie), welche am 25.10.2013 vollständig wirksam wurde, grundlegend geändert. Portugal hat die Richtlinie durch das Gesetz vom 25.08. 2014 ins nationale Recht umgesetzt, welches am 1. September 2014 in Kraft trat (Gesetzestext oben). Mit der Patientenrichtlinie wurde ein Rahmen für die Rechte geschaffen, die Patienten in Europa bei der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung haben sollen, wenn sie sich selbst und eigenverantwortlich zu einer Behandlung in einen anderen europäischen Mitgliedstaat begeben und anschließend die Kosten dieser Behandlung in ihrem Heimatland erstatten lassen wollen. Dies hat zu einer deutlichen Vereinfachung der Auslandsbehandlungen und zu einer Verbesserung der Versorgung der Patientinnen und Patienten in Europa geführt.

Wichtigste Änderung ist, dass es nun nicht mehr relevant ist, ob die konkrete Behandlung während eines Auslandsaufenthalts medizinisch notwendig wurde. Auch spielen die konkreten Leistungs- und Erstattungsbedingungen im Ausland keine Rolle mehr. Art und Umfang der erstattungsfähigen Leistungen richten sich vielmehr danach, was auch im Inland (Versicherungsstaat) von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird. Von der Krankenkasse des Versicherten werden demnach die Kosten getragen, die auch für eine vergleichbare Behandlung im Versicherungsstaat übernommen worden wären – abzüglich eines Verwaltungskostenabschlags. Eine vorherige Genehmigung der Krankenkasse ist nur für Krankenhausbehandlungen im EU-Ausland notwendig. Dennoch empfiehlt sich auch weiterhin bei geplanten ambulanten Behandlungen eine vorherige Erkundigung bei der Krankenkasse, welche Leistungen konkret erstattungsfähig sind.

Die Richtlinie gilt grundsätzlich für gesetzlich und privat Versicherte gleichermaßen. Einzige Ausnahme bilden die Regelungen zur Kostenerstattung. Diese gelten nur für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht aber für Privatversicherte. Darüber hinaus bietet die Richtlinie vor allem praktische Erleichterungen bei der Wahrnehmung der Rechte von Versicherten. Bürgerinnen und Bürger bekommen ein Mehr an Information und Klarheit. In allen Mitgliedstaaten mussten bis zum 25. Oktober 2013 nationale Kontaktstellen eingerichtet werden, die den Patienten sowie den Gesundheitsdienstleistern Informationen rund um die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung bieten und die europaweit miteinander zusammenarbeiten. Der Zugang zu den behandlungsrelevanten Informationen wird damit erheblich erleichtert.

Auch für die Versorgung mit Arzneimitteln sieht die Richtlinie Erleichterungen vor: Wenn ein Medikament in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, muss das Rezept des Arztes auch in den Apotheken jedes anderen Mitgliedstaates der EU eingelöst werden können, vorausgesetzt, das Medikament ist in dem betreffenden Staat verfügbar.

Dennoch bleibt es dabei, dass die Ausgestaltung der Gesundheitssysteme und insbesondere die Regeln für den Anspruch auf Leistungen und Dienste durch die einzelnen Mitgliedstaaten geregelt werden. Und da die Kosten für ärztliche Behandlungen sowie Medikamente nach den im eigenen Land geltenden Regeln erstattet werden, zahlt der Patient drauf, wenn die Behandlung im Ausland teurer ist.

Bei einem dauerhaften Aufenthalt im EU-Ausland kann man sich die Frage stellen, welches EU-Land überhaupt für die Sozialversicherung einschließlich der Krankenversicherung zuständig ist. Die Antwort hängt vom wirtschaftlichen Status und dem Wohnort der betreffenden Person ab und nicht von der Staatsangehörigkeit. Arbeitnehmer (inkl. Familienangehörige) sind in dem EU-Land gesetzlich krankenversichert, in dem sie leben und arbeiten. Sie erhalten alle Leistungen, die im dortigen Krankenversicherungssystem vorgesehen sind. Für Rentner ist grundsätzlich unabhängig vom Wohnsitz innerhalb der EU das Gesundheitssystem desjenigen Landes zuständig, aus welchem die Rente empfangen wird.

Dem Grundsatz „die Pflegeversicherung folgt der Krankenversicherung“ folgend, bleibt die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Pflegeversicherung bestehen, wenn die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) in Deutschland fortbesteht. Andersherum endet diese mit dem Ende der KVdR-Mitgliedschaft. Zu beachten ist, dass es in vielen EU-Staaten eine klassische Pflegeversicherung nicht gibt. Die Rentner können allerdings – Wohnsitz in einem EU-Staat oder der Schweiz vorausgesetzt – die Geldleistungen aus der deutschen gesetzlichen Pflegeversicherung beantragen und sich unmittelbar von der gesetzlichen Pflegekasse in Deutschland auszahlen lassen. Mit dem der maßgebenden Pflegestufe entsprechenden Geldbetrag können die erforderlichen Pflegeleistungen im Wohnortstaat selbst beschafft werden.

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