Wann verjähren Steuerschulden in Portugal?
Die Verjährung kann die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen des Finanzamtes unwiderruflich vereiteln. Die Kenntnis des Verjährungszeitpunktes ist deshalb besonders wichtig. Der Experte im Immobilien- und Steuerrecht, Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau, erläutert die Verjährung von Steuerforderungen, Bußgeldverfahren, Geldbußen und Steuerstrafverfahren im portugiesischen Recht. Ferner gibt er einen Überblick über die Fristen, innerhalb derer man sich gegen Steuerbescheide der portugiesischen Finanzverwaltung verteidigen kann.
Das Steuerrecht ist so komplex, dass dem Finanzamt regelmäßig Fehler unterlaufen. Für den Fehler ist nicht immer der Sachbearbeiter verantwortlich. Es kommt häufig vor, dass das Software-System des portugiesischen Fiskus rechtswidrige oder „verspätete“ Bescheide erstellt.
Bei der Frage der „Verspätung“ sind die Verjährungsregeln von Bedeutung. Die Verjährung bezweckt die Herstellung der Rechtssicherheit nach Ablauf einer bestimmten Zeit und die Wahrung des Rechtsfriedens.
Die Berechnung der Frist gestaltet sich wie folgt: Beim Fristbeginn ist erst auf den folgenden Tag null Uhr abzustellen. Es zählen alle Wochentage, nicht nur Werktage. Im portugiesischen Steuerrecht werden die Fristen in der Regel nach Monaten und Jahren bestimmt. Die Fristen enden mit dem Ablauf des (letzten) Monats oder des (letzten) Jahres, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag des fristauslösenden Ereignisses entspricht. Zum Beispiel endet eine Monatsfrist, die am 3. Januar begann, am 3. Februar, 24:00 Uhr. Eine Acht-Jahres-Frist, die am 31.12.2007 begann, endet am 31.12.2015, 24:00 Uhr. Trifft das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so verlängert sich die Frist auf den nächsten Werktag.
A. Verjährung von Steuerforderungen
Das portugiesische Steuerrecht unterscheidet zwischen der Festsetzungsverjährung (caducidade; auch Verfall genannt) und der Zahlungsverjährung (prescrição).
1. Festsetzungsverjährung
Ist Festsetzungsverjährung eingetreten, kann das Finanzamt einen Steuerbescheid nicht mehr erlassen. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre. Die Steuerfestsetzung durch das Finanzamt ist demnach nur wirksam, wenn der Bescheid dem Adressaten vor dem Ablauf der vier Jahre ordnungsgemäß zugestellt, d.h. gem. den gesetzlichen Zustellungsregeln bekannt gegeben wurde. Bescheide, die per Einschreiben versendet werden, gelten am dritten Tag nach der Versendung an den beim Finanzamt registrierten Steuerwohnsitz als wirksam zugestellt. Fällt der dritte Tag auf keinen Werktag, gilt die Zustellung als am darauffolgenden ersten Werktag als vorgenommen. Ausnahmsweise beträgt die Frist nur drei Jahre, etwa im Falle eines augenfälligen Fehlers in der Steuererklärung. Die Festsetzungsverjährung beginnt bei der Einkommensteuer, Grundsteuer und Kraftfahrzeugsteuer mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist (31. Dezember). Bei der Grunderwerbsteuer und Stempelsteuer beginnt die Frist zum Zeitpunkt des Eintritts des steuerauslösenden Ereignisses (z.B. Immobilienkauf). Bei der Mehrwertsteuer und bei einer endgültigen Quellensteuer beginnt die Frist mit Beginn des Jahres, das dem Ereignisjahr folgt (1. Januar). Die Verjährung kann durch unterschiedliche Handlungen gehemmt werden. Gehemmt wird die Verjährung durch die Zustellung des Steuerbescheides (notificação), dem Beginn einer Steuerprüfung und auch durch die Anhängigkeit eines behördlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, das über das Recht auf eine Steuerfestsetzung entscheidet. Bei einer Hemmung der Frist wird der Lauf der Frist für die Dauer des Hemmungsgrundes lediglich angehalten bzw. unterbrochen. Einzelheiten regelt das Gesetz.
2. Zahlungsverjährung
Die Zahlungsverjährung lässt den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen, d.h. ein bereits festgesetzter Steueranspruch kann durch das Finanzsamt nicht mehr (zwangsweise) durchgesetzt werden. Tritt Zahlungsverjährung ein, kann das Finanzamt den Anspruch zwar nicht mehr durchsetzen, die Steuerschuld bleibt aber bestehen. Der Steuerschuldner könnte die Schuld freiwillig begleichen. Anders als im Zivilrecht müssen das Finanzamt und die Gerichte den Eintritt der Zahlungsverjährung von Amts wegen prüfen. Die Frist der Zahlungsverjährung beträgt acht Jahre. Die Regelungen über den Beginn der Frist bei der Festsetzungsverjährung gelten hier entsprechend. Die Frist der Zahlungsverjährung kann nicht nur gehemmt, sondern auch unterbrochen werden. Wird eine Frist unterbrochen, so beginnt die Frist nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes im ursprünglichen Ausmaß wieder neu zu laufen. Gehemmt wird die Frist mit dem Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung oder bis zur endgültigen Entscheidung eines Verfahrens, innerhalb dessen die Hemmung der Frist angeordnet wurde. Ebenso während der Anhängigkeit eines Steuerstrafverfahrens. Unterbrochen wird die Frist mit der Bekanntgabe der Einleitung der Zwangsvollstreckung (citação) durch das Finanzamt und der Einleitung eines Rechtsbehelfes gegen die Steuerfestsetzung durch den Betroffenen.
B. Verfolgungsverjährung bei Bußgeldverfahren Liegt eine Verfolgungsverjährung vor, darf hinsichtlich verjährter Steuerordnungswidrigkeiten ein Bußgeldverfahren nicht mehr eingeleitet werden. Die Frist beträgt fünf Jahre und beginnt zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung, die das Bußgeldverfahren auslöst. Es gelten verschiedene Hemmungs- und Unterbrechungsregelungen, die hier nicht dargestellt werden können. Verjährung tritt allerdings immer ein, wenn seit Fristbeginn – unbeschadet eines möglichen Hemmungszeitraumes – die Frist zuzüglich einer weiteren Fristenhälfte, d.h. siebeneinhalb Jahre, vergangen sind.
C. Vollstreckungsverjährung (Eintreibung einer Geldbuße)
Eine rechtskräftig festgesetzte Geldbuße darf nach Eintritt der Vollstreckungsverjährung nicht mehr vollstreckt werden. Die Frist beträgt ebenso fünf Jahre und beginnt mit dem Eintritt der Bestandskraft bzw. Rechtskraft der Bußgeldentscheidung. Auch hier sind Hemmungs- und Unterbrechungsvorschriften zu beachten.
D. Verfolgungsverfahren bei Steuerstraftaten
Die Verfolgungsverjährung schließt nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist die Ahndung von Straftaten aus. Die Frist beträgt in der Regel fünf Jahre. Die Frist kann jedoch länger ausfallen, wenn die konkrete Straftat mit einer Gefängnisstrafe von fünf oder mehr Jahren geahndet werden kann. Die Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit der Beendigung der Tat. Der Beginn der strafrechtlichen Verjährung bedarf einer sorgfältigen Prüfung und ist von vielen Umständen abhängig. Das Gesetz sieht umfangreiche Hemmungs- und Unterbrechungsvorschriften vor, welche die Beauftragung eines Spezialisten in dieser Materie unumgänglich machen. Wie beim Bußgeldverfahren tritt Verjährung immer ein, wenn seit Fristbeginn – unbeschadet eines möglichen Hemmungszeitraumes – die Frist zuzüglich einer weiteren Fristenhälfte vergangen sind.
Auch in Portugal sind jüngst „Steuer-CDs“ aufgetaucht, zuletzt im Zusammenhang mit der Schweizer Bank HSBC. In Portugal registrierte Steuerbürger stehen auf der Liste der Kontoinhaber. Hier stellt sich die Frage nach der Verjährung der Steuerstraftat. Wie geschildert, ist die strafrechtliche Verjährung der Steuerstraftat (sog. Verfolgungsverjährung) von der steuerlichen Verjährung (sog. Festsetzungsverjährung) zu unterscheiden. Wichtig ist somit, dass zwei unterschiedliche Fristenregelungen auseinander zu halten sind: Die strafrechtliche Verfolgungsverjährung betrifft die Frage, ob eine Steuerstraftat noch strafrechtlich verfolgt werden kann. Hingegen geht es bei der steuerlichen Festsetzungsverjährung um die Frage, ob der Fiskus für bestimmte Besteuerungszeiträume (Jahre) noch steuerliche Nachforderungen stellen kann oder Abänderungsbescheide infolge der Festsetzungsverjährung für das betreffende Jahr nicht mehr erlassen werden dürfen.
Wer Adressat eines Steuerbescheides der portugiesischen Finanzverwaltung ist, sollte sich demnach zunächst die Frage der Verjährung stellen. Ist keine Verjährung eingetreten, ist zu prüfen, ob man sich erfolgreich gegen den Bescheid verteidigen kann. Das portugiesische Recht sieht hauptsächlich vier Verteidigungsmittel im weitesten Sinne vor: (1) Einreichung einer neuen Steuererklärung, welche die fehlerhafte Erklärung ersetzt (declaração de substituição); (2) Einlegung eines Widerspruchsverfahrens auf Behördenebene (reclamação administrativa); (3) Einreichung einer Klage vor dem staatlichen Gericht und (4) Anrufung des Schiedsgerichts (Tribunal Arbitral).
Es sind zwei Verfahren auf Behördenebene zu unterscheiden: a) Beschwerde vor der Ausgangsbehörde (reclamação graciosa) und b) Widerspruch vor der obersten Behörde (recurso hierárquico). Die allgemeine Frist für die Einlegung der Beschwerde beträgt 120 Tage. Besondere Fristen gelten z.B. im Einkommensteuer- und Grunderwerbsteuergesetz. Die Widerspruchsfrist vor der obersten Behörde, namentlich dem Finanzministerium in Lissabon, beträgt 30 Tage. In der Praxis wird oft übersehen, dass es außerdem noch einen außerordentlichen Rechtsbehelf gibt, wonach sich der Betroffene innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach Erlass der belastenden Entscheidung – demnach auch nach Ablauf aller oben genannten gesetzlichen Anfechtungsfristen – an den Finanzminister wenden kann. Die Klagefrist vor Gericht bei vollständiger oder teilweiser Zurückweisung im Rahmen der behördlichen Anfechtungsverfahren beträgt in der Regel 90 Tage. Seit dem 01.07.2011 kann man alternativ zum staatlichen Gericht auch ein Schiedsgericht anrufen. Das Schiedsverfahren soll die Gerichte entlasten und dafür sorgen, dass Entscheidungen zügiger ergehen. Es wurde ein Zeitraum von 6 Monaten für eine Entscheidung festgelegt. Diese Frist darf maximal um weitere 6 Monate verlängert werden. Dem Bürger steht das Recht zu, einen der Schiedsrichter zu benennen. Wie das Verfahren vor den staatlichen Gerichten ist das Schiedsgerichtsverfahren kostenpflichtig.