Portugal nach der TROIKA: Änderungen im Wirtschaftsrecht

Portugal nach der TROIKA: Änderungen im Wirtschaftsrecht.
Im Mai 2014 hat Portugal ohne Übergangshilfe erfolgreich den EU-Rettungsschirm verlassen. Um das Land wieder auf einen wirtschaftlich tragfähigen Kurs zu führen, wurden unter der „Herrschaft“ der sog. TROIKA von Mai 2011 bis Mai 2014 tiefgreifende Reformen vorgenommen. Der Experte im Immobilien- und Steuerrecht Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau fasst die Reformen in dem genannten Drei-Jahres-Zeitraum zusammen.

I. Änderungen im Zivilrecht

1.Mietrecht
Vor der Finanz- und Eurokrise gab es in Portugal praktisch keinen Mietmarkt. Der Kauf von Eigentumswohnungen auf Kredit hat zur Überschuldung der Haushalte beigetragen. Im Rahmen der Mietrechtsreform galt es, die Vermietung für Mieter und Vermieter attraktiver zu gestalten, sowie die Stagnation des Mietmarkts zu bekämpfen. Ein Anreiz für die Ver- und Anmietung von Immobilien wurde dabei insbesondere mit der Möglichkeit geschaffen, die Laufzeiten von Wohnmietverträgen flexibler gestalten zu können. Mussten befristete Mietverträge bisher eine Mindestdauer von 5 Jahren betragen, können Mieter und Vermieter die Laufzeit eines befristeten Mietvertrages nun frei vereinbaren. Ferner müssen seit dem Jahr 2012 sämtliche Mietverträge schriftlich abgeschlossen werden, was nicht nur der Rechtssicherheit dient, sondern auch die Kontrolle des Finanzamtes über die Mietzinseinnahmen ermöglicht. Mietverträge sind beim Fiskus zu hinterlegen. Eine Besserstellung des Vermieters ergibt sich insoweit dadurch, dass die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses von drei auf zwei Monate verkürzt wurde, wenn sich der Mieter mit der Mietzinszahlung in Verzug befindet. Ebenfalls erleichtert wurde die Möglichkeit die Mietzinshöhe anzuheben, was insbesondere für „Altmietverträge“, die vor dem Jahr 1990 abgeschlossen wurden, relevant ist. Hervorzuheben ist außerdem die neue „Nationale Mietstelle“ (Balcão do Arrendamento), die für das sog. besondere Räumungsverfahren zuständig ist und ein einfaches, kostengünstiges und zügiges Verfahren in Räumungssachen gewährleisten soll.

2. Insolvenzrecht
Angesichts der leichten wirtschaftlichen Erholung des Landes ist anzunehmen, dass die Anzahl der Insolvenzen im Jahr 2015 im Vergleich zu den letzten drei Jahren weiter sinkt. Hervorzuheben in diesem Zusammenhang ist das sog. „besondere Revitalisierungsverfahren“, das im Jahre 2012 eingeführt wurde. Das Verfahren kann auf Antrag des Schuldners und mindestens eines Gläubigers durchgeführt werden, wenn der Erhalt des in wirtschaftliche Not geratenen Unternehmens möglich erscheint. Unter der Betreuung eines vom Gericht bestellten Verwalters wird ein Erhaltungsplan erstellt, der die Revitalisierung des Unternehmens zum Gegenstand hat. Im Vordergrund dieses Verfahrens steht also der Erhalt des Unternehmens und nicht die Verwertung seines verbleibenden Vermögens. Dem Unternehmen wird eine „Schonzeit“ eingeräumt, während dem es mit den Gläubigern verhandeln kann, ohne dem üblichen Druck ausgesetzt zu sein. Während dieses Zeitraums werden Forderungseintreibungsverfahren ausgesetzt und neue Verfahren können nicht anhängig gemacht werden. Als außergerichtliche Alternative wurde ebenso im Jahr 2012 das sog. „Außergerichtliche System über die Erholung von Unternehmen“ ins Leben gerufen. Auch dieses Verfahren hat den Abschluss einer Vereinbarung über die Unternehmenserhaltung zwischen dem Unternehmen und seinen Gläubigern zum Ziel. Auch hier kann der Erhaltungsplan seit März 2015 durch eine geringe Gläubiger-Anzahl genehmigt werden.

3. Gesellschaftsrecht
Die Anzahl von Gesellschaften betrug im Jahr 2013 knapp über 1 Million. Bereits vor der Krise gab es gesetzgeberische Initiativen die den Abbau von Bürokratie zum Inhalt hatten, um die Gründung von Gesellschaften zu vereinfachen. Seit dem Jahr 2005 kann z.B. im Rahmen des Verfahrens über die sofortige Unternehmensgründung (Empresa na Hora) eine Gesellschaft vor ausgewählten Handelsregistern in weniger als einer Stunde gegründet werden. Erwähnenswert ist auch der seit 2006 geltende Verzicht auf die notarielle Beurkundung, z.B. bei der Gründung von Gesellschaften, Änderung von Gesellschaftsverträgen, Fusionen oder Auflösungen von Gesellschaften. Ebenfalls seit 2006 können, gegen Zahlung einer Gebühr, Handelsregisterauszüge online beantragt werden. Hervorzuheben ist in diesem Kontext außerdem der elektronische Grundbuchauszug, den es seit dem 1. Januar 2009 gibt. Während der Troika-Zeit wurde im Jahr 2011 zudem das Mindeststammkapital für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (sociedade por quotas) abgeschafft. Musste dieses bisher 5.000 € betragen, kann in Portugal eine GmbH nunmehr mit einer Einlage von 1 Euro gegründet werden. Begründet wird dies zum einen damit, dass gerade Jungunternehmer ein Mindeststammkapital nicht aufbringen können. Andererseits spiegele das Stammkapital einer Gesellschaft nicht deren Liquidität wieder.

4. Arbeitsrecht
Auch das portugiesische Arbeitsrecht wurde im Zuge der Vorgaben der Troika umfassend reformiert. Wesentliche Rechte der Arbeitnehmer wurden dabei eingeschränkt. Im Jahre 2012 wurde der bereits seit 2011 geltende Arbeitsabfindungsfonds konkretisiert. Ferner wurden drei gesetzliche Feiertage aufgehoben, sowie die Voraussetzungen für eine vorübergehende Aussetzung des Arbeitsvertrages oder Reduzierung der Arbeitszeit infolge einer Unternehmenskrise gelockert. Auch die Kündigungsregeln wurden neu gefasst. Wurde der von der Kündigung betroffene Mitarbeiter bisher allein anhand der Dauer der Betriebszugehörigkeit ausgesucht, fließen nun auch subjektive Kriterien in die Auswahl des zu entlassenden Mitarbeiters ein, z.B. wer die schlechteste Leistung erbringt und die geringste Erfahrung hat. Weitere Einschränkungen erfuhren die Arbeitnehmerrechte durch die Kürzung der Vergütung für Überstunden, sowie des weitgehenden Wegfalls eines zusätzlich bezahlten Freizeitausgleichs. Auch wurde zugunsten des Arbeitgebers die Möglichkeit der Verlängerung von kalendermäßig befristeten Arbeitsverträgen erweitert.

5. Zivilprozessrecht
Am 01.09.2013 ist das neue Zivilprozessrecht in Kraft getreten, welches unter dem Zeichen von Beschleunigung, Effizienz, Flexibilität und Vereinfachung steht. Die Dauer von Gerichtsverfahren zu reduzieren stellte eine wesentliche Forderung der Troika dar. Gewährleistet werden soll dies u.a. durch strikte Fristenkontrolle, die Beschränkung der zulässigen Schriftsätze, sowie der Sanktionierung von verzögernden Handlungen. Hervorzuheben ist, dass Rechtsanwälte nunmehr verpflichtet sind, Schriftsätze elektronisch mit digitaler Signatur über das Internet-Portal CITIUS zu übermitteln. Über die Internetplatform erfolgt auch die gesamte Verfahrenskorrespondenz und -verwaltung zwischen den Verfahrensbeteiligten, was zu einer erheblichen Zeitersparnis führt und die Verfolgung des Verfahrens zu jeder Tageszeit ermöglicht. Gegenüber Deutschland, wo das sog. elektronische Postfach noch aussteht, nimmt Portugal insoweit eine Vorreiterrolle ein. Infolge der ebenfalls verwirklichten Re-Organisation der Gerichtslandschaft und der damit verbundenen Hindernisse konnte das neue Verfahrensrecht seine Wirkung bisher jedoch noch nicht entfalten.

II. Änderungen im Steuerrecht
Das im Mai 2011 vorgelegte Memorandum sah auch im Steuerrecht wichtige Änderungen vor. Die Reduzierung und Abschaffung von steuerabzugsfähigen Ausgaben und die Erhöhung der Steuern kennzeichnen die Tätigkeit des Gesetzgebers im Bereich des Einkommenssteuerrechts. Im Jahr 2015 beträgt der Spitzensteuersatz bei einem Jahreseinkommen von über 250.000 € stolze 53 %, wobei die Steuertabelle so gestaffelt ist, dass bereits ab einem Jahreseinkommen von 80.000 € ein Steuersatz von 50% erreicht wird. Immerhin sieht das Gesetz seit 2015 eine steuerliche Entlastung von Familien mit Kindern und Einkommensschwachen vor. Ebenfalls wurden Maßnahmen gegen die Steuerflucht im Vermietungsgewerbe getroffen, um der „Schwarzvermietung“ von Privatunterkünften an Touristen entgegen zu wirken.

Echte Steueranreize wurden im Grunde genommen nur für Ausländer geschaffen, welche durch Steuervergünstigungen nach Portugal gelockt werden sollen. Bestimmte Personengruppen sind nach entsprechender Beantragung des Steuerstatus in Portugal steuerfrei. Eine weitere Besonderheit in diesem Kontext stellt das „Golden Visa Programm“ aus dem Jahr 2012 dar. Mit diesem Programm beabsichtigt Portugal private Investoren aus Drittstaaten, vor allem aus China, anzuziehen. Als Gegenleistung für eine Investition wird eine zunächst befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt, die für den gesamten Schengener Raum gilt. Die Investition kann u.a. in dem Erwerb einer Immobilie mit einem Kaufpreis ab 500.000 €, in der Finanzinvestition von Mindestens 1 Million oder der Schaffung von 10 Arbeitsplätzen bestehen.

Auch im Bereich der Mehrwertsteuer kam es zu einer Anhebung der Steuersätze. Seit 2011 beträgt der normale Mehrwertsteuersatz 23%. Hervorzuheben ist, dass diesem ebenfalls seit 2011, auch Strom- und Gasrechnungen unterliegen. Im Jahr 2012 wurde die Mehrwertsteuer im Restaurantgewerbe ebenfalls auf 23% angehoben. Viele Restaurants können dies jedoch nicht auf ihre Preise aufschlagen, da den Kunden die Kaufkraft fehlt.

Positiv anzumerken sind hingegen die Entwicklungen im Rahmen der Körperschaftssteuer. Mit der Senkung des Steuersatzes für Unternehmen auf 21 % (Tendenz sinkend) wurde Portugal die Möglichkeit eröffnet, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten.

Im Ergebnis kann ein positives Fazit über die Troika-Zeit von 2011-2014 gezogen werden.

Nicht alle Reformen sind gut. Es entstanden jedoch positive wirtschaftliche und politische Impulse, die eine nachhaltige Wirkung auf Land und Leute haben werden.

Die „fetten Jahre“ der Geldverschleuderung sind vorbei. Kranke Wirtschaftsgeflechte haben keinen Platz mehr. Es wird aber noch Jahre dauern, bis Portugal die Maastricht-Kriterien der EU erfüllt.

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