Die Patientenverfügung in Portugal.
Am 01.07.2015 wurde in Portugal die „Registo Nacional do Testamento Vital“ (Rentev) ins Leben gerufen, eine Zentralstelle, die die Verwaltung von Patientenverfügungen zur Aufgabe hat. Das langwierige Verfahren zur rechtlichen Realisierung der Patientenverfügung in Portugal ist damit abgeschlossen. Die Unterschiede zu einer Patientenverfügung nach deutschem Recht sind erheblich. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau zeigt auf, weshalb es für deutsche Staatsangehörige, die häufig oder dauerhaft in Portugal leben, sinnvoll ist, eine nach portugiesischem Recht wirksame Patientenverfügung zu erstellen.
1. Ausgangslage
In Zeiten der fortschreitenden und modernen Medizin und der damit verbundenen Möglichkeiten, Patienten immer länger künstlich am Leben zu erhalten, ist es für viele Menschen von erheblichem Interesse, ihre Vorstellungen von einem würdevollem Sterben in einer Patientenverfügung festzuhalten und so einer „Übertherapie“ zu entgehen. Die Wertvorstellungen des Patienten zu kennen, ist für den behandelnden Arzt von großer Bedeutung. Insbesondere, wenn mit dem Patienten aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht mehr direkt kommuniziert werden kann, ist die Patientenverfügung (Testamento Vital) ein geeignetes Instrument, um den Willen des Patienten festzustellen, die richtigen Maßnahmen einzuleiten, sowie die Angehörigen zu entlasten.
2. Gesetzgebungsgeschichte
Während in Deutschland eine verbindliche gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung bereits seit dem Jahr 2009 existiert, stellen Patientenverfügungen in Portugal ein absolutes Novum dar. Erst in den letzten Jahren hat der portugiesische Gesetzgeber diesem Thema mehr Beachtung geschenkt. Das Verfahren zur Realisierung der Patientenverfügung verlief schleppend. Erst seit dem Jahr 2012 ist es in Portugal überhaupt möglich, eine Patientenverfügung zu errichten, obwohl es bereits im Jahr 2006 Initiativen zur Legalisierung der Patientenverfügungen gab. Es dauerte drei weitere Jahre bis im Mai 2009 ein entsprechender Gesetzesvorschlag erarbeitet wurde, der kurze Zeit später jedoch wieder zurück genommen wurde. Im Dezember 2010 hat der Nationale Ethik-Rat ein Gutachten zu Patientenverfügungen erstellt und die Verabschiedung eines Gesetzes, das schriftliche Patientenverfügung sowie Vorsorgevollmachten zulässt, empfohlen. Die vorgetragenen Regelungsvorschläge wurden vom Gesetzgeber weitgehend angenommen. Am 16.08.2012 trat das Gesetz schließlich in Kraft. Der in dem Gesetz vorgesehene und eingangs erwähnte Registo Nacional do Testamento Vital, bei der die Patientenverfügungen nunmehr einzureichen sind, wurde jedoch erst zum 01.07.2015 etabliert.
3. Inhalt der Patientenverfügung
Grundsätzlich kann die Einwilligung oder der Verzicht in sämtliche konkrete medizinische Behandlungen, lebenserhaltende Maßnahmen (künstliche Ernährung, künstliche Flüssigkeitszufuhr, künstliche Beatmung, Dialyse), sowie die Situation für die dies gelten soll, in der Patientenverfügung dargelegt werden. Diesbezüglich kann es ratsam sein, den Rat eines Fachkundigen einzuholen. Eine Beratungspflicht besteht aber nicht, da die Absicht des Verfassers auch darin liegen kann allgemeine Richtlinien für medizinische Behandlungen festzuhalten, die dann als Indiz für den mutmaßlichen Patientenwillen zu berücksichtigen sind.
4. Rechtliche Situation
Bei dem Testamento Vital handelt es sich um ein einseitiges frei widerrufliches Dokument, in dem der Patient in noch nicht unmittelbar bevorstehende konkrete ärztliche Maßnahmen, für den Fall der späteren Einwilligungsunfähigkeit, einwilligt oder diesen widerspricht (Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes). Der behandelnde Arzt ist an das Testamento Vital gebunden. Jedoch gibt es Situationen, in denen der Arzt die Anweisungen aus der Patientenverfügung nicht befolgen muss. So ist der behandelnde Arzt nicht an das Testamento Vital des Patienten gebunden, wenn die Befolgung gegen das Gesetz oder die öffentliche Ordnung verstoßen würde oder Maßnahmen verlangt werden, die gegen die guten Sitten verstoßen würden (Art.5 des Gesetzes). Beispiele hierfür bilden die Tötung auf Verlangen gem. Art. 134 sowie die Förderung der Selbsttötung gem. Art. 135 des Código Penal (Strafgesetzbuch). Außerdem kann der behandelnde Arzt den in dem Testamento Vital festgelegten Willen des Patienten missachten, wenn nachgewiesen wird, dass der Patient die Verfügung nicht beibehalten möchte, eine offenbare Willensänderung des Patienten infolge des Fortschritts der therapeutischen Behandlungsmethoden festzustellen ist oder sein in der Verfügung festgehaltener Wille nicht dem eingetretenen Sachverhalt entspricht, den er zum Zeitpunkt der Errichtung der Patientenverfügung vorhersah. Schließlich besteht die Möglichkeit aus Gewissensgründen die Umsetzung des in der Verfügung manifestierten Willens des Patienten zu verweigern. Im letzteren Fall hat der Arzt seine Weigerung zu begründen. Ein anderer Arzt wird sodann mit der Durchführung betraut. Außerdem kann der Arzt im Falle des Eintritts einer plötzlichen Lebensgefahr des Patienten die Verfügung unberücksichtigt lassen, wenn deren Einholung zu Verzögerungen führen würde, die das Leben oder die Gesundheit des Patienten gefährden würden (Art. 6 Abs. 4 des Gesetzes).
Hinsichtlich der Formvorschriften gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen der Rechtslage in Deutschland und Portugal. Zwar unterliegen sowohl die Patientenverfügung als auch das Testamento Vital der Schriftform und müssen durch den Verfügenden persönlich unterzeichnet werden. Allerdings muss die Verfügung in Portugal notariell beglaubigt werden und die Uhrzeit der Unterzeichnung muss aus der Urkunde hervorgehen. Auch die Änderung und der Widerruf des Testamento Vital unterliegen der Schriftform mit notarieller Beglaubigung (Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes). Ausnahmsweise kann die Verfügung jedoch auch mündlich widerrufen oder geändert werden, wenn die Erklärung gegenüber dem behandelnden Arzt erfolgt.
Der portugiesische Gesetzgeber hat verdeutlicht, dass es keinen wie auch immer gearteten Zwang zur Abfassung einer Patientenverfügung geben darf. Insbesondere darf die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung in beiden Ländern nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden (Art. 10 des Gesetzes).
Das Testamento Vital ist fünf Jahre lang gültig, wobei die Frist nach Ablauf der fünf Jahre verlängert werden kann, indem dies in gleicher Form bekundet wird. Das Testamento Vital bleibt nur in Kraft, wenn der Verlust der Einwilligungsfähigkeit innerhalb der Gültigkeitsdauer von fünf Jahren eintritt. Wird das Testamento Vital geändert, verlängert sich die Gültigkeitsdauer der Verfügung automatisch um weitere fünf Jahre (vgl. Art. 7 des Gesetzes).
5. Vorsorgevollmachten
Um sicherzustellen, dass die Patientenverfügung gegenüber dem Behandlungsteam durchgesetzt wird, empfiehlt es sich, gemeinsam mit der Patientenverfügung eine Vorsorgevollmacht zu erstellen. Wer im Ernstfall die Rolle des Betreuers in medizinischen Angelegenheiten übernimmt, sollte nicht dem Zufall überlassen werden. Da Familienangehörige und Ehepartner nicht automatisch dazu berechtigt sind, sich in Gesundheitsfragen gegenseitig zu vertreten, kommt der Vorsorgevollmacht große Bedeutung zu. Wichtig ist, dass der in der Vorsorgevollmacht genannte Betreuer (begrifflich besser: Bevollmächtigter) in Portugal nur als Vertreter in medizinischen Angelegenheiten (procurador de cuidados de saúde) fungiert (Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 25/2012 vom 16.07.2012). Der Vollmachtgeber kann eine beliebige Person einsetzen. Der Betreuer entscheidet über medizinische Behandlungen, die der Vollmachtgeber entweder erhalten oder nicht erhalten möchte, wenn dieser sich in einer Lage befindet, in der er nicht mehr seinen Willen eigenständig bekunden kann. Anders als die Patientenverfügung scheint die Vorsorgevollmacht nach dem Gesetzeswortlaut keiner begrenzten Gültigkeitsdauer zu unterliegen.
6. Fazit
Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen ist ausländischen Mitbürgern, wie deutschen Staatsangehörigen, die in Portugal gewöhnlich ansässig sind oder die sich regelmäßig in Portugal aufhalten, zu raten, eine nach portugiesischem Recht wirksame Patientenverfügung sowie Vollmacht im medizinischen Bereich zu erstellen. Nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass das Selbstbestimmungsrecht im Falle einer lebensbedrohlichen oder ernsthaften Erkrankung gewahrt wird.