„Das Haus in Portugal geht an meine Kinder…“ – Zur Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Erbeinsetzung.

„Das Haus in Portugal geht an meine Kinder…“ – Zur Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Erbeinsetzung.
Viele Erblasser haben den Wunsch, nach ihrem Tod einzelne Vermögensgegenstände aus ihrem Nachlass einer bestimmten Person zuzuweisen. Z.B. soll das Haus in Portugal nach dem Tod des Erblassers an seine Kinder fallen. Nach deutschem Erbrecht können einzelne Vermögensgegenstände jedoch nicht „vererbt“ werden. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau beleuchtet die Unterschiede zwischen Vermächtnis und Erbeinsetzung und zeigt auf, was beim Errichten einer letztwilligen Verfügung zu beachten ist.

1. Rechtlicher Hintergrund
Grundsätzlich immer dann, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte oder eine Rechtswahl zu Gunsten seines Heimatrechts getroffen hat, kommt deutsches Erbrecht zur Anwendung. Im deutschen Erbrecht gilt der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge. Das bedeutet, dass im Erbfall die Erbschaft als Ganzes kraft Gesetz auf den oder die Erben übergeht (Vonselbsterwerb). Mit anderen Worten: Mit dem Erbfall rückt der Erbe vollständig in die Rechtsposition des Erblassers ein und wird automatisch Eigentümer des gesamten Nachlasses. Es ist demnach nicht möglich, einzelne Vermögensgegenstände aus dem Nachlass herauszunehmen, und diese einer bestimmten Person zu vererben. Dennoch kann der Erblasser seinen Nachlass unter bestimmten Voraussetzungen aufteilen und eine Zuweisung bezüglich einzelner Nachlassgegenstände treffen.

2. Unterschied zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis
Einzelne Vermögensgenstände können durch ein Vermächtnis zugewendet werden. Der Vermächtnisnehmer ist gegenüber dem Erben jedoch in einer rechtlich schwächeren Position. Er hat lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Erben. Der Anspruch richtet sich auf Herausgabe des ihm zugedachten Gegenstandes und Verschaffung des Eigentums an diesem. Der Vermächtnisnehmer wird also nicht automatisch Eigentümer des Gegenstandes, sondern muss sich zur Realisierung seines Anspruchs aus dem Nachlass an den oder die Erben halten. Dies kann mitunter zur Folge haben, dass der Erbe auf Herausgabe des Gegenstandes verklagt werden muss, wenn dieser zur Herausgabe nicht bereit ist. Denkbar ist auch der Fall, dass der Erbe kraft seiner Eigentümerstellung rechtswirksam über den Gegenstand verfügt oder der Nachlassgegenstand zerstört wird. Zu beachten ist auch, dass kraft der Eigentümerstellung des Erben der ererbte Gegenstand automatisch in dessen eigenen Nachlass übergeht und somit von diesem im Todesfalle weiter vererbt werden kann. Dem Vermächtnisnehmer steht in diesen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen nur ein Anspruch auf Schadens- bzw. Wertersatz zu.

3. Auslegung von letztwilligen Verfügungen
In der Praxis werden in Testamenten die Begriffe „vermachen“ und „vererben“ häufig falsch verwendet. Dies ist jedoch in der Regel unschädlich, da bei der Auslegung von letztwilligen Verfügungen nicht streng am Wortlaut der Formulierung zu haften ist. Es ist stets nach dem wirklichen Willen des Erblassers zu forschen. Ist dieser nicht ermittelbar, ist der Zuwendung
einzelner Gegenstände und Bruchteile im Zweifel nicht von einer Erbeinsetzung, sondern von der Zuwendung eines Vermächtnisses auszugehen. Ein Indiz für das Vorliegen eines Vermächtnisses ist es zudem, wenn der Gegenstand im Vergleich zum übrigen Nachlassvermögen wertmäßig gering ist. Auch spielt das Näheverhältnis bzw. der Verwandtschaftsgrad des Erblassers zu der bedachten Person bei der Auslegung des Testaments eine Rolle. So ist bei einer engen verwandtschaftlichen Beziehung eher von einer Erbeinsetzung auszugehen. Bei der Verwendung des Begriffes „vermachen“ liegt also nicht automatisch ein Vermächtnis vor. Ebenso wenig lässt der Begriff „vererben“ zwangsläufig auf eine Erbeinsetzung schließen.

Beispiel 1: Der Erblasser formuliert in seinem Testament: Hiermit vermache ich meiner Ehefrau mein gesamtes Vermögen mit Ausnahme meines Autos. Dieses soll nach meinem Ableben mein Sohn erben. Trotz des Wortlauts des Testaments wäre hier von einer Erbeinsetzung der Ehefrau auszugehen, wohingegen der Sohn als Vermächtnisnehmer anzusehen wäre.

In der Praxis ist die Überraschung oft groß, wenn sich herausstellt, dass die Person, die nach dem Willen des Erblassers Erbe sein soll, rechtlich „nur“ als Vermächtnisnehmer einzustufen ist.

Beispiel 2: Der Erblasser formuliert in seinem Testament: Das Haus in Portugal soll nach meinen Tod meine Ehefrau erben. Dies ist, entgegen der weitläufigen Annahme, der klassische Fall für die Zuwendung eines Vermächtnisses, da hier über einen einzelnen Vermögensgegenstand verfügt wird.

Aber auch, wenn neben einem einzelnen Vermögensgegenstand weiteres Vermögen zugewiesen wird, spricht dies nicht automatisch für eine Erbeinsetzung.

Beispiel 3: Der Erblasser formuliert in seinem Testament: Nach meinem Tod soll mein gesamtes Vermögen in Portugal meine Ehefrau bekommen. Hier ist die Ehefrau trotzdem nicht automatisch Erbin. Dies wäre nur der Fall, wenn das Vermögen in Portugal den „Löwenanteil“ des Nachlassvermögens insgesamt darstellen würde. Handelt es sich nur um einen Bruchteil, läge nur ein Vermächtnis vor.

4. Teilungsanordnung
Sollen mehrere Personen als Erben eingesetzt werden, kann der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung mit einer Teilungsanordnung bestimmen, wie ein oder mehrere Nachlassgegenstände bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft untereinander verteilt werden sollen. Trotz der Zuweisung einzelner Gegenstände stellt die Teilungsanordnung kein Vermächtnis, sondern eine Erbeinsetzung dar. Mit der Vornahme einer Teilungsanordnung werden die Erbquoten nicht beeinflusst. Für den Fall, dass der Wert eines zugewiesenen Gegenstandes höher ist als die Erbquote des Bedachten, besteht eine Ausgleichspflicht gegenüber den Miterben. Im Rahmen einer Teilungsanordnung kommt es also nicht zu einer Privilegierung
einzelner Miterben. Zu beachten ist, dass auch die Teilungsanordnung nicht unmittelbar den Eigentumsübergang auf den Bedachten bewirkt. Vielmehr begründet die Teilungsanordnung einen schuldrechtlichen Anspruch zwischen den Miterben auf Vornahme einer Erbauseinandersetzung im Sinne des Erblassers. Die Erben können sich jedoch einvernehmlich über die Teilungsanordnung hinwegsetzen.

5. Vorausvermächtnis
Abzugrenzen von der Teilungsanordnung ist das Vorausvermächtnis. Bei einem Vorausvermächtnis wird ein bestimmter Vermögensgegenstand aus dem Nachlass einem Miterben zugewiesen, d.h. der Bedachte ist gleichzeitig Erbe und Vermächtnisnehmer. Zu beachten ist, dass es bei einem Vorausvermächtnis im Gegensatz zu einer Teilungsanordnung nicht zu einer Ausgleichspflicht gegenüber den übrigen Erben kommt. Der Bedachte erhält den Gegenstand vorab (= Vorausvermächtnis) aus der zu verteilenden Erbmasse, ohne dass der Gegenstand auf seinen Erbteil angerechnet wird. Ein Vorausvermächtnis bewirkt also die Besserstellung eines Einzelnen gegenüber den übrigen Erben. Abgrenzungsschwierigkeiten zur Teilungsanordnung entstehen häufig bei selbstverfassten Testamenten aufgrund unklarer oder missverständlicher Formulierungen.

Beispiel 4: Der Erblasser formuliert in seinem Testament: Mein Haus in Portugal soll nach meinem Ableben meine Tochter A erhalten, das übrige Vermögen sollen meine Söhne B und C zu gleichen Teilen bekommen. Bei dieser Formulierung bleibt unklar, ob der Erblasser die Tochter A begünstigen wollte (dann Vorausvermächtnis) oder einen Ausgleich für die Zuwendung des Hauses in Portugal gegenüber den Söhnen B und C anstreben wollte (dann Teilungsanordnung).

6. Was ist beim Erstellen einer letztwilligen Verfügung zu beachten?
Erblasser sollten sich im Vorfeld genau mit der Frage beschäftigen, wie sie ihren Nachlass aufteilen möchten und welche rechtliche Position die bedachten Personen einnehmen sollen. Um sicherzustellen, dass das Haus in Portugal oder die Briefmarkensammlung tatsächlich an die gewünschte Person gelangt, sollte eine klare testamentarische Formulierung getroffen
werden. Dies führt auch dazu, dass Rechtsstreitigkeiten unter den Erben vermieden werden.

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