Neu in Portugal – Das Punktesystem bei Verkehrsverstößen:

Neu in Portugal – Das Punktesystem bei Verkehrsverstößen:
Am 1. Juni 2016 tritt in Portugal das neue Punktesystem (Carta por Pontos) nach deutschem Vorbild in Kraft. Nach dem Willen des portugiesischen Gesetzgebers sollen Verkehrsteilnehmer, die wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßen, mit einheitlichen Strafen zu einer besseren Regelbeachtung angehalten werden. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau erläutert das neue Punktesystem.

In Deutschland wurde am 1. Mai 1974 weltweit erstmals ein sogenanntes „Mehrfachtäter-Punktsystem“ eingeführt, welches am 1. Mai 2014 grundlegend reformiert wurde. Andere Staaten, wie Spanien, Frankreich, Italien, England, Malta, Polen, Österreich und Dänemark sind dem Beispiel des „Mehrfachtäter-Punktesystems“ gefolgt. Nun ist auch Portugal an der Reihe.
Nach dem noch geltenden Recht kommt es zu einem Führerscheinentzug, wenn der Verkehrsteilnehmer in einem Zeitraum von fünf Jahren drei sehr schwere oder fünf schwere oder sehr schwere Ordnungswidrigkeiten begeht. Das neue Punktesystem findet nur Anwendung auf Ordnungswidrigkeiten, die nach dem 1. Juni 2016 begangen werden.

Nach der neuen Regelung werden dem Verkehrsteilnehmer zwölf Punkte zugeteilt. Im Gegensatz zu der Regelung in Deutschland kommt es mit der Begehung von Verkehrsverstößen somit nicht zu einem Punkteaufbau, sondern zu einem Punkteabbau. Mit der Begehung einer schweren Ordnungswidrigkeit verliert der Verkehrsteilnehmer zwei Punkte. Bei sehr schweren verliert er vier Punkte.

Das Fahren unter Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln unterliegt einer gesonderten Punkteregelung: Die Begehung einer schweren Ordnungswidrigkeit führt zu einem Abzug von drei Punkten und bei einem sehr schweren Verkehrsverstoß werden fünf Punkte abgezogen. Der Gesetzgeber rechtfertigt diese Sonderregelung damit, dass das Fahren unter Alkoholeinfluss für ein Drittel der Verkehrstoten in Portugal verantwortlich ist.

Zu einem Abzug von sechs Punkten kommt es nach der neuen Rechtslage, wenn eine Verkehrsstraftat begangen, die Strafe auf Bewährung ausgesetzt und das Strafverfahren in Folge der Erfüllung der Bewährungsauflagen eingestellt wurde.

Zum Vergleich: In Deutschland werden für Verstöße gegen das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrsordnung zwischen ein und drei Punkten vergeben. Einen Punkt gibt es für eine verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeit, sofern ein Bußgeld von mindestens 60 Euro erhoben wird. Zwei Punkte werden vergeben für Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten. Drei Punkte gibt es für Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis oder eine Sperre angeordnet worden ist.

Sehr streng sind in Portugal die Konsequenzen des Punktverlustes. Wer nur noch vier (von den anfänglichen zwölf Punkten) besitzt, muss an einer Schulung zur Verkehrssicherheit teilnehmen. Hat der Verkehrsteilnehmer nur noch zwei Punkte auf seinem „Punktekonto“, muss er sogar die theoretische Fahrprüfung wiederholen bzw. bestehen. Die Kosten der Schulung bzw. Prüfung trägt der Verkehrsteilnehmer. Wer alle Punkte verliert, muss seinen Führerschein ganz abgeben. Der Betroffene gilt dann unwiderlegbar als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dem Betroffenen kann – im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland – unmittelbar nach dem Entzug der Fahrerlaubnis eine neue Fahrberechtigung erteilt werden, wenn er die theoretische und praktische Fahrprüfung besteht. Erscheint der Verkehrsteilnehmer nicht zur oben genannten Schulung bzw. besteht er die oben genannte theoretische Prüfung nicht, wird sein Führerschein eingezogen. Die Möglichkeit eines Punkteabbaus durch freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar sieht die portugiesische Regelung nicht vor.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Begehung von mehreren schweren oder sehr schweren Verkehrsverstößen am gleichen Tag zu einem Punkteverlust von maximal sechs Punkten führen kann. Davon ausgenommen sind allerdings die Fälle, in denen die Verstöße unter Alkoholeinfluss oder anderen berauschenden Mitteln erfolgten. Dann kann eine Tat theoretisch zum Verlust der gesamten zwölf Punkte führen.

Zum Vergleich: In Deutschland gibt es vier verschiedene Abstufungen der behördlichen Maßnahmen. Bei den ersten drei Punkte werden keine weiteren Strafmaßnahmen eingeleitet. Beim vierten und fünften Punkt erhält der Betroffene eine schriftliche und kostenpflichtige Ermahnung. Zugleich gibt es den Hinweis, dass man seinen Punktestand durch die freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar abbauen kann. Beim sechsten und siebten Punkt bekommt der Betroffene die letzte Verwarnung. Diese erfolgt schriftlich und kostenpflichtig. Zudem gibt es für den Fahrer einen Hinweis zur Teilnahme an einem Fahreignungsseminar. Trotz einer erfolgreichen Teilnahme gibt es jedoch keine Punktereduzierung. Sobald der Betroffene seinen achten Punkt bekommt, wird der Führerschein für mindestens ein halbes Jahr eingezogen. Der Führerschein wird erst wieder ausgehändigt, wenn der Betroffene seine Eignung für den Straßenverkehr nachgewiesen hat. Dies erfolgt durch ein positives Gutachten eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.

Werden in Portugal während eines Zeitraumes von drei Jahren keine schwere oder sehr schwere Ordnungswidrigkeit und auch keine Verkehrsstraftat begangen, werden dem „Punktekonto“ drei Punkte gutgeschrieben. Berufskraftfahrer werden insoweit begünstigt, als sie bereits nach dem Ablauf von zwei Jahren Punkte gutgeschrieben bekommen. Interessant ist, dass Verkehrsteilnehmer bis zu fünfzehn Punkte gutgeschrieben bekommen können, d.h. drei Punkte mehr als die anfänglichen zwölf Punkte, wenn sie keine Verstöße begehen, die zu einem Punkteabzug führen. Diese Regelungen machen deutlich, dass das Punktsystem Konzepte der Verkehrspsychologie umsetzt, die auf Verhaltens- und Einstellungsänderung des Kraftfahrers abzielen. Die Wirksamkeit von Punktesystemen wird durch die Aussicht auf Entzug der Fahrerlaubnis bestimmt.

In Portugal wurde eine Online-Plattform unter https://portalcontraordenacoes.ansr.pt erstellt, durch die jeder Verkehrsteilnehmer in Zukunft die ihn betreffende Verkehrsverstöße einsehen kann.

Zum Vergleich: In Deutschland verfallen die Punkte nach festen Fristen, die sich anhand der schwere des jeweiligen Verstoßes orientieren. Der Verfall bezieht sich auch lediglich auf den jeweiligen Verstoß und nicht etwa auf das gesamte Punktekonto. Die Frist beginnt, sobald die entsprechende Entscheidung rechtskräftig ist. Bevor die Punkte gelöscht werden, muss zu den Tilgungsfristen eine so genannte Überliegefrist addiert werden, die eine Laufzeit von einem Jahr hat. Unter dieser Überliegefrist ist die nachwirkende Speicherung von Einträgen bei der Tilgung zu verstehen. Ordnungswidrigkeiten, die mit einem Punkt geahndet wurden, werden nach zwei Jahren und sechs Monaten gelöscht. Ordnungswidrigkeiten und Straftaten mit zwei Punkten werden nach fünf Jahren gelöscht. Straftaten mit drei Punkten werden erst nach zehn Jahren gelöscht. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bei einem Punktestand von einem bis fünf Punkten, durch freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, einen Punkt abzubauen. Ein solcher Abbau ist allerdings nur einmal innerhalb von fünf Jahren möglich.

Zu beachten ist, dass man im Straßenverkehr in Portugal sehr schnell einen schweren oder sehr schweren Verkehrsverstoß begeht. Alle Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, die nicht nur mit einer Geldstrafe, sondern auch mit einer Zusatzsanktion geahndet werden, sind entweder als schwer oder sehr schwer einzustufen. Die Zusatzsanktion besteht in der Regel in einem zeitweiligen Fahrverbot, das allerdings auf Bewährung ausgesetzt werden kann, wenn keine „Vorstrafen“ bestehen.

Als schwer werden in Portugal u.a. folgende Ordnungswidrigkeiten eingestuft: a) das Fahren in die entgegengesetzte Richtung („Geisterfahrer“); b) die Überschreitung der zugelassenen Geschwindigkeit um mehr als 30 km/h außerhalb von Ortschaften oder um mehr als 20 km/h innerhalb von Ortschaften; c) das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit, wenn aufgrund äußerlicher Einflüsse (z.B. Wetterverhältnisse) eine Drosselung der Geschwindigkeit hätte vorgenommen werden müssen; d) die Missachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen zwischen Fahrzeugen, die Missachtung der Vorfahrts- und der Überholungsregelungen; e) das Anhalten oder Parken von Fahrzeugen auf Autobahnen; f) die Missachtung von Fußgängern auf Zebrastreifen; g) das Fahren unter Alkoholeinfluss; h) die Beförderung von Kindern ohne die Verwendung vorgeschriebener Kindersitze. Der typische Fall einer schweren Ordnungswidrigkeit besteht in der Überschreitung der zugelassenen Geschwindigkeit. Mittlerweile gibt es in Portugal mehrere Radarfallen. Auf den Autobahnen werden in der Regel mobile Radarfallen aufgestellt. In Lissabon gibt es bereits mehrere feststehende Blitzer. Auf der Autobahn kann es auch vorkommen, dass ein Polizeifahrzeug in Zivil die Geschwindigkeit des voranfahrenden Fahrzeuges misst. Auf der Algarve-Autobahn (A22) ist ein Alfa Romeo der Polizei bereits bekannt. Eine sehr schwere Ordnungswidrigkeit liegt z.B. bereits vor, wenn trotz Gegenverkehr das Fernlicht verwendet wird, an einer Stelle gepackt wird, die weniger als 50 m von der nächsten Kreuzung oder Kurve entfernt ist oder ein Stoppschild missachtet wird.

Für welchen Regelverstoß es in Deutschland wie viele Punkte gibt, kann der Bußgeldtabelle – einsehbar unter https://www.bussgeldtabelle.org/ – entnommen werden.

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