Die juristischen Berufsträger und deren Aufgabenverteilung in Portugal:
Die Aufgaben der verschiedenen Berufsträger in Portugal unterscheiden sich teilweise stark von denen anderer Länder. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau stellt die wichtigsten juristischen Berufsträger in Portugal vor und hebt dabei Unterschiede zu Deutschland hervor.
Zu den klassischen juristischen Berufen gehören in der Wahrnehmung von Rechtsprechungsaufgaben der Richter (Juíz), in der Vertretung staatlicher Interessen der Staatsanwalt (Agente do Ministério Público), in der Rechtsberatung der Rechtsanwalt (Advogado) und der Rechtsbeistand (Solicitador) sowie im Beurkundungswesen der Notar (Notário). Außerdem sind im Vollstreckungsverfahren der Vollstreckungsgehilfe (Agente de Execução), im Registerwesen der Rechtspfleger (Conservador) und bei Gericht der Justizbeamte (Oficial de Justiça) zu nennen.
1. Richter
Der Richter (Juíz) ist Inhaber eines öffentlichen Amtes. Er nimmt – als Einzelrichter oder Mitglied eines Spruchkörpers – Aufgaben der Rechtsprechung wahr. Richter der Berufungsgerichte werden Desembargadores und des Obersten Gerichtshofes Conselheiros genannt. Zur Ausübung des Richteramtes berechtigt sind portugiesische Staatsbürger, die zum Zeitpunkt des Auswahlverfahrens das Studium der Rechtswissenschaften absolviert haben, über einen Master- oder Doktorgrad verfügen oder seit mindestens fünf Jahren juristisch tätig sind und alle weiteren Anforderungen für die Ernennung zum Beamten erfüllen. Des Weiteren müssen die Richterkandidaten Aufnahmeprüfungen bestehen sowie Schulungskurse und Praktika erfolgreich absolvieren. Die Richter werden einheitlich im Centro de Estudos Judiciários in Lissabon ausgebildet. Richter sind persönlich unabhängig und allein dem Gesetz unterworfen.
2. Staatsanwalt
Der Staatsanwalt (Agente do Ministério Público oder Magistrado do Ministério Público) vertritt den Staat und verteidigt dessen Interessen. Der Staatsanwalt wird hauptsächlich im Strafverfahren tätig. Anders als in Deutschland nimmt die Staatsanwaltschaft zusätzlich diverse Aufgaben in anderen Rechtsgebieten wahr, etwa im Minderjährigenrecht und Verwaltungsrecht. Ferner vertritt sie Geschäftsunfähige und Abwesende. Die Staatsanwaltschaft ist eine unabhängige Institution mit eigenen Statuten. In der Verfassung wird sie im Kapitel über die Gerichte (Judikative) erwähnt. Sie ist hierarchisch gegliedert. Staatsanwälte sind im Rahmen dieser Hierarchie rechenschaftspflichtig und weisungsgebunden. Ausgebildet werden die Staatsanwälte zusammen mit den Richteranwärtern im Centro de Estudos Judiciários in Lissabon.
3. Rechtsanwalt
Rechtsanwälte (Advogados) sind unabhängige Freiberufler. Sie vertreten ihre Mandanten vor Gericht und bieten ihnen professionelle rechtliche Beratung gegen Entgelt (Honorar) an. Grundsätzlich dürfen nur Anwaltsanwärter (Advogados Estagiários), Rechtsanwälte und Rechtsbeistände Rechtsberatung erteilen. Nach dem Hochschulabschluss in Rechtswissenschaften, d.h. frühestens nach der licenciatura, müssen Bewerber auf die Anwaltschaft eine auf nationaler Ebene ausgetragene Prüfung bestehen. Diese Prüfung dient dem Zugang zur obligatorischen praktischen Ausbildung. Die Ausbildungsdauer beträgt insgesamt 24 Monate und besteht aus zwei Abschnitten. Der Anwaltsanwärter wird hierbei einem Rechtsanwalt zur praktischen Ausbildung zugewiesen. Er hat zusätzlich an regelmäßigen Ausbildungsprogrammen teilzunehmen sowie Zwischenprüfungen und eine Abschlussprüfung zu bestehen. Wichtig ist, dass ein ausländischer Rechtsanwalt (z.B. ein deutscher Rechtsanwalt) sich nicht Advogado nennen darf und in der Berufsausübung in Portugal mehreren Beschränkungen unterworfen ist.
Advogados haben im Vertragswesen im Vergleich zu der Rechtslage in den deutschen Bundesländern weitgehende Zuständigkeiten. Dies betrifft insbesondere die Befugnis, verschiedene Arten von Beglaubigungen, wie die Beglaubigung von Abschriften und Unterschriften, vorzunehmen. Die notarielle Beurkundungspflicht von Verträgen wurde aufgehoben. Rechtsanwälte können Verträge mit einem besonderen Beglaubigungsvermerk versehen, anstatt von einem Notar beurkunden zu lassen.
4. Rechtsbeistand
Der Rechtsbeistand (Solicitador) ist ebenso wie der Advogado unabhängiger Freiberufler, der Mandanten gegen Entgelt in juristischen Angelegenheiten vertritt. In der Regel hat er jedoch kein Studium der Rechtswissenschaften absolviert, sondern lediglich eine spezifische Ausbildung auf Fachhochschulniveau abgeschlossen. Ihre Vertretungsbefugnisse sind daher im Vergleich zur anwaltlichen Tätigkeit sehr eingeschränkt. Der portugiesische Solicitador darf nicht mit dem englischen solicitor verwechselt werden. Leider geschieht dies oft.
5. Notar
Der Notar (Notário) wird definiert als freier und unabhängiger Jurist, dessen Urkunden, die er in Ausübung seines Berufes ausfertigt, mit öffentlichem Glauben versehen werden. Zugleich ist er Träger eines öffentlichen Amtes, der Urkunden beglaubigt und sammelt. Im Gegensatz zum Rechtsanwalt hat er unparteiisch zu handeln. Der Wegfall der traditionellen Beurkundungspflicht von Verträgen, führte in der Praxis nicht zu einem starken Rückgang der Tätigkeit des Notars. Viele Rechtsanwälte bedienen sich nämlich (insbesondere aus Haftungsgründen) weiterhin eines Notars zur Beurkundung von Verträgen und Vollmachten. In den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Notare fallen bestimmte Rechtsakte, wie die Beurkundung von Testamenten. Die Zulassung zum Notar setzt den Abschluss eines Studiums der Rechtswissenschaften sowie die erfolgreiche Absolvierung der Notarausbildung voraus.
6. Vollstreckungsgehilfe
Der Vollstreckungsgehilfe (Agente de Execução) nimmt Vollstreckungsaufgaben wahr und agiert außerdem als Zusteller von Gerichtsdokumenten. Vollstreckungsgehilfen müssen mindestens die Ausbildung zum Rechtsbeistand absolviert haben; auch ein Rechtsanwalt kann Vollstreckungsgehilfe sein. Der Vollstreckungsgehilfe und der Rechtsbeistand gehören der gleichen Kammer an.
7. Justizbeamter
Der Justizbeamte (Oficial de Justiça) ist in der Geschäftsstelle des Gerichts oder bei der Staatsanwaltschaft tätig. Er nimmt umfangreiche und vielschichtige Aufgaben wahr, die sich je nach Zuständigkeitsbereich unterscheiden. Insbesondere bearbeiten Justizbeamte Anträge, legen dem Richter Akten zur Entscheidung vor, führen richterliche Anordnungen durch, nehmen Zustellungen vor und treiben Gerichtsgebühren ein.
8. Rechtspfleger
Der Rechtspfleger (Conservador) ist eine Amtsperson, die für die amtliche Eintragung bestimmter rechtlicher Vorgänge als Mittel der Bekanntmachung zuständig ist. Im Wesentlichen ist der Rechtspfleger für die Führung der amtlichen Bücher und Verzeichnisse verantwortlich. In jedem Grundbuch-, Handelsregister-, Kraftfahrzeugregister- und Standesamt arbeitet mindestens ein Rechtspfleger. Eintragungspflichtig sind z.B. Geburten, Adoptionen, Eheschließungen, Todesfälle, und Unternehmensgründungen sowie Fakten im Zusammenhang mit der Verfügung über Kraftfahrzeuge und Immobilien. Voraussetzung für die Aufnahme in diesen Berufsstand ist grundsätzlich der Abschluss eines Studiums der Rechtswissenschaften und die Erfüllung der Bedingungen für die Aufnahme in den Beamtendienst.