Arten von Vollmachten und deren besondere Bedeutung.

Arten von Vollmachten und deren besondere Bedeutung.
Vollmachten sind von enormer praktischer Bedeutung. Sie werden nicht nur für Handlungen die unmittelbar bevorstehen erteilt. Vollmachten werden auch vorsorglich erstellt. Rechtsanwalt und Advogado beschreibt die wichtigsten Arten von Vollmachten und auf was nach portugiesischem Recht zu achten ist.

Die Vollmacht entsteht in aller Regel durch eine einseitige Erklärung des Vollmachtgebers gegenüber dem Bevollmächtigten. Von der Vollmacht zu unterscheiden ist das zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten bestehende Grundgeschäft (z.B. Auftrag, Arbeitsvertrag etc.). Wird einem Dritten eine Vollmacht vorgelegt, kann dieser darauf vertrauen, dass der Bevollmächtigte entsprechende Vertretungsbefugnis hat. Ob und inwieweit der Bevollmächtigte allerdings von der Vollmacht Gebrauch machen darf, bestimmt sich nach dem genannten Grundgeschäft, d.h. nach der Absprache zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten.

Da das portugiesische Vollmachtrecht sich stark vom deutschen Recht unterscheidet, besteht bei vielen Deutschen, die in Portugal gewöhnlich ansässig sind, Handlungsbedarf. Die meisten Vollmachten, die in Deutschland erstellt wurden, können in Portugal nicht verwendet werden, da sie den hiesigen Rechtsvorschriften nicht entsprechen.

A. Vorsorgliche Vollmachten
Unter der Kategorie der vorsorglichen Vollmachten fallen in Portugal Generalvollmachten für vermögensrechtliche Handlungen sowie Vollmachten im medizinischen Bereich.

1. Generalvollmachten für vermögensrechtliche Handlungen
Üblich, da sehr wichtig, ist in Portugal die Erstellung einer Generalvollmacht zu Gunsten einer Vertrauensperson für den Fall des Eintritts einer psychischen Erkrankung. In der Regel wird als Vertreter der Ehegatte oder ein Kind eingesetzt.

Wichtig ist, dass – im Gegensatz zu der Rechtslage in Deutschland – die Formerfordernisse für das jeweils vorzunehmende Rechtsgeschäft auch für die Form der Vollmachtserteilung gelten. In Portugal muss demnach der Vertreter bei einem Grundstücksgeschäft eine Vollmacht vorlegen, die entweder notariell oder anwaltlich beurkundet wurde. Die notarielle oder anwaltliche Beurkundung empfiehlt sich jedoch unabhängig vom Vollmachtsumfang.

Auch empfiehlt sich, dass die Vollmacht so genau wie möglich die einzelnen Befugnisse auflistet (Bankgeschäfte, Immobilienverkäufe, Behördenhandlungen, etc.). Generalvollmachten, die nur pauschal „alle möglichen Vertretungsbefugnisse“ einräumen, ohne dieses zu spezifizieren, werden – im Gegensatz zu Deutschland – oftmals nicht akzeptiert.

Die Vollmacht erlischt, wenn sie vom Vollmachtgeber (wirksam) widerrufen wird, der Vertreter auf sie verzichtet oder das ihr zugrunde liegende Grundverhältnis bzw. Grundgeschäft erlischt. Wichtig ist, dass – anders als im deutschen Recht – die Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers oder Vollmachtnehmers erlischt, da das der Vollmacht zugrunde liegende Auftragsverhältnis erlischt. Die Generalvollmacht birgt freilich die Gefahr des Missbrauches. Eine gesetzlich vorgesehene „Kontrollbetreuung“ gibt es in Portugal nicht; vielmehr müsste ein Vormund oder Gebrechlichkeitspfleger gerichtlich bestellt werden.

Die Erstellung einer Generalvollmacht ist deswegen so wichtig, weil dadurch vermieden wird, dass ein Vormund gerichtlich bestellt werden muss, sollte der Vollmachtgeber psychisch erkranken. Das Gesetz sieht vor, dass ein Volljähriger bei einer psychischen Krankheit, Taubstummheit oder Blindheit durch eine gerichtliche Anordnung entmündigt werden kann. Liegen die strengen Voraussetzungen einer Entmündigung nicht vor, kommt die Bestellung eines Gebrechlichkeitspflegers in Betracht. Der Gebrechlichkeitspfleger steht dem Betroffenen unterstützend zur Seite und nur die konkreten Geschäfte, die im Gerichtsurteil im Einzelnen aufgeführt sind, unterliegen seinem Einwilligungs- bzw. Genehmigungsvorbehalt. Das Entmündigungsurteil stellt hingegen den vollständigen Verlust der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen fest. Die Entmündigung führt auch zum Verlust der Ehe- und Testierfähigkeit. Die Entmündigung setzt die gutachterliche Feststellung voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner psychischen Krankheit, Taubstummheit oder Blindheit nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Wer Betreuer bzw. Vormund des Betroffenen wird, bestimmt das Gericht; nicht immer wird es der Wunschkandidat des Betroffenen sein! Das portugiesische Recht sieht nämlich – im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland – nicht die Möglichkeit vor, dass der Betroffene im Wege einer Vorsorgevollmacht zu einem Zeitpunkt, zu dem die Betreuungssituation noch nicht eingetreten ist, bereits eine Person benennt, die als sein Betreuer bzw. Vormund agieren soll. Vielmehr bezieht sich die Vorsorgevollmacht in Portugal nur auf medizinische Behandlungsmethoden im Kontext der Patientenverfügung.

2. Vollmacht im medizinischen Bereich
In Zeiten der fortschreitenden modernen Medizin und der damit verbundenen Möglichkeiten, Patienten immer länger künstlich am Leben zu erhalten, ist es für viele Menschen von erheblichem Interesse, ihre Vorstellungen von einem würdevollem Sterben in einer Patientenverfügung festzuhalten und so einer „Übertherapie“ zu entgehen. In Portugal hat der Gesetzgeber diesem Thema in den letzten Jahren mehr Beachtung geschenkt. In Portugal ist das Erstellen einer Patientenverfügung erst seit dem 16.08.2012 möglich. Die Patientenverfügung steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vollmacht im medizinischen Bereich, d.h. beide Urkunden ergänzen sich. Sowohl die Patientenverfügung als auch die Vollmacht im medizinischen Bereich müssen – anders als nach der deutschen Rechtslage – zwingend vor einem Notar unterzeichnet werden. Deutsche Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten, die oftmals nur einfach unterschrieben wurden, werden deshalb nicht anerkannt.

Wer im Ernstfall die Rolle des Betreuers in medizinischen Angelegenheiten übernimmt, sollte nicht dem Zufall überlassen werden. Da Familienangehörige und Ehepartner nicht automatisch dazu berechtigt sind, sich in Gesundheitsfragen gegenseitig zu vertreten, kommt der Vollmacht im medizinischen Bereich (Vorsorgevollmacht) große Bedeutung zu. Der Bevollmächtigte kann die Anweisungen der Patientenverfügung gegenüber dem Behandlungsteam durchsetzen. Es empfiehlt sich daher eine Kombination von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Wichtig ist, dass der in der Vorsorgevollmacht genannte Betreuer (begrifflich besser: Bevollmächtigter) in Portugal nur als Vertreter in medizinischen Angelegenheiten fungiert. Der Vollmachtgeber kann eine beliebige Person einsetzen. Der Betreuer entscheidet über medizinische Behandlungen, die der Vollmachtgeber entweder erhalten oder nicht erhalten möchte, wenn dieser sich in einer Lage befindet, in der er nicht mehr seinen Willen eigenständig bekunden kann.

B. Vollmachten für bevorstehende Handlungen

1. Vollmachten für den Abschluss von Immobiliengeschäften und die Eingehung der Ehe
Enthält eine Vollmacht die Vertretungsmacht für den Abschluss eines Immobiliengeschäftes, so ist bei Schenkungen darauf zu achten, dass die Immobilie in der Vollmacht genau identifiziert sein muss. Dies gilt auch bei einer Vollmacht für die Eingehung der Ehe. Hier müssen die Verlobten genau identifiziert werden. In Deutschland ist hingegen eine Vertretung bei der Eingehung der Ehe nicht möglich. Bei Käufen und Verkäufen muss die Immobilie hingegen nicht bezeichnet werden. Wie bereits oben ausgeführt, unterliegen diese Vollmachten der Beurkundungspflicht. Es empfiehlt sich allerdings, dass alle Vollmachten, auch solche, die z.B. nur Behördenhandlungen umfassen, beurkundet werden. Versteht der Vollmachtgeber den portugiesischen Vollmachttext nicht, muss ein Dolmetscher auftreten, der im Beurkundungsvermerk namentlich genannt wird. Reine Prozessvollmachten, die Anwälten erteilt werden, müssen hingegen weder beurkundet noch müssen die Unterschriften beglaubigt werden.

2. Sonderfall der Vollmachten, die im Interesse des Bevollmächtigten ausgestellt werden
Wie bereits ausgeführt, erlischt die Vollmacht – anders als im deutschen Recht – mit dem Tod des Vollmachtgebers oder Vollmachtnehmers, da das der Vollmacht zugrunde liegende Auftragsverhältnis erlischt. Liegt jedoch eine unwiderrufliche Vollmacht vor, führt der Tod des Vollmachtgebers nicht zum Erlöschen der Vollmacht. Eine unwiderrufliche Vollmacht liegt nach portugiesischem Recht vor, wenn der Widerruf vom Vollmachtgeber ausgeschlossen wurde. Wichtig ist, dass der Vollmachtgeber – anders als im deutschen Recht – auch solche Vollmachten ohne Zustimmung des Vollmachtnehmers nicht widerrufen kann, die in seinem eigenen Interesse oder im Interesse eines Dritten erteilt wurden.

Über folgenden Fall musste das Amtsgericht Olhão urteilen: Klägerin und Beklagter waren im Güterstand der Gütertrennung verheiratet. Vor der Scheidung erwarb die Ehefrau (die Klägerin) eine Immobilie in der Algarve. Einige Jahre später, als die Klägerin und der Beklagte noch miteinander verheiratet waren, erteilte die Klägerin dem Beklagten eine Vollmacht vor einem deutschen Notar, wonach der Beklagte „(…) alles tun kann, um die portugiesische Immobilie auf ihn (den Beklagten) zu übertragen (…)“. Nach der Scheidung der Ehe hatte der Beklagte noch nicht von der Vollmacht Gebrauch gemacht und erhielt mehrere Schreiben der Anwälte der Klägerin, worin der Widerruf der Vollmacht mit sofortiger Wirkung erklärt wurde. Ungeachtet der Widerrufserklärungen der Klägerin, hat der Beklagte vor einem portugiesischen Notar unter Vorlage der Vollmacht einen Kaufvertrag mit sich selbst abgeschlossen. Das Eigentum an der Immobilie ging mit dem Kaufvertrag von der Klägerin auf den Beklagten über. Daraufhin erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag auf Feststellung, dass der Kaufvertrag nichtig ist, da sie die Vollmacht widerrufen habe. Zu Recht wandte das Gericht auf die Frage des Widerrufes portugiesisches Recht an und entschied, dass die Vollmacht nicht frei durch die Klägerin widerrufen werden konnte. Die Klägerin ging somit leer aus.

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