Besitzer vs. Eigentümer: Wer gewinnt in Portugal?
Die Hausbesetzer-Mafia „Okupas“ versetzt Eigentümer von mallorquinischen Fincas derzeit in Angst und Schrecken. Zahlreiche Medien berichten von Eigentümern, die ihre Ferienimmobilien erst nach Monaten und meist vollkommen verwüstet zurückerhalten. Auch wenn Fälle von Hausbesetzungen in Portugal derzeit nicht bekannt (und auch nicht zu erwarten) sind, erklärt Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau die portugiesische Rechtslage rund um den (widerrechtlichen) Besitz.
1. Begriff des Besitzes in Portugal
Für einige vielleicht unverständlich: Das spanische – und im Übrigen auch das deutsche und portugiesische – Recht verbietet grundsätzlich ein gewaltsames Einschreiten des Eigentümers gegen die Hausbesetzer zum Schutz des Besitzes. Der Besitz ist dadurch jedoch nicht automatisch mehr wert als das Eigentum. Vielmehr lassen sich aus beiden Instituten Rechte unterschiedlicher Art und Weise herleiten.
Der Besitz setzt sich im portugiesischem Recht aus zwei Komponenten zusammen: der tatsächlichen Sachherrschaft und dem Besitzwillen. Er entspringt also aus der tatsächlichen Herrschaft über die Sache. Das Eigentum hingegen definiert sich unabhängig vom Besitz als rechtliche Herrschaft über eine Sache. Kurz gesagt: Der Besitz ist die Verfügungsgewalt über die Sache, das Eigentum das Recht an einer Sache.
Abzugrenzen ist der Besitz von der sogenannten Detention (detenção). Dieses Rechtsinstitut unterscheidet sich vom Besitz dahingehend, dass kein Wille zum Besitz vorhanden ist. Derjenige, der ohne eigenen Besitzwillen lediglich die Duldung des Rechtsinhabers ausnutzt, die Sachherrschaft im fremden Namen oder ohne Rechtinhaberwillen ausübt, ist daher nicht Besitzer im rechtlichen Sinne. Anders als in Deutschland sind der Entleiher, der Mieter und der Verwahrer daher nicht automatisch Besitzer der jeweiligen Sache. Ebenso wie in Deutschland wird zugunsten des Besitzers aber vermutet, dass er Inhaber des Rechts – also des Eigentums – ist.
2. Arten des Besitzes
Das portugiesische Recht kennt verschiedene Arten von Besitz. So wird grundsätzlich zwischen tituliertem und nicht tituliertem Besitz unterschieden. Tituliert ist der Besitz dann, wenn er durch einen formwirksamen Erwerbstitel erlangt wurde. Auf die inhaltliche Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes kommt es dann nicht mehr an. Die in diesem Zusammenhang relevanten Arten des Besitzes sind der gutgläubige und bösgläubige Besitz sowie der unbestrittene und gewaltsame Besitz. Gutgläubig ist der Besitz dann, wenn der Besitzer bei dem Besitzerwerb nicht wusste, dass er das Recht des anderen verletzt. Ist der Besitz tituliert, wird vermutet, dass der Besitzer auch gutgläubig ist. Wurde der Besitz durch Anwendung physischen oder psychischen Zwangs erlangt, liegt ein gewaltsamer Besitz vor. Dieser ist mit der verbotenen Eigenmacht aus dem deutschen Recht vergleichbar.
3. Begründung und Verlust des Besitzes
Der Besitz kann durch eine wiederholte öffentliche Vornahme besitztypischer Handlungen begründet werden, klassischer Weise durch die Nutzung des Gegenstandes. Wenn beispielsweise ein Mieter nach außen hin als Eigentümer eines Hauses auftritt, erwirbt er Besitz an dieser Mietsache. Möglich ist auch, den Besitz durch eine faktische Übergabe der Sache durch den früheren Besitzer oder durch eine entsprechende Vereinbarung zu erlangen. Ein Verkäufer erwirbt beispielsweise dann Besitz an der Kaufsache, wenn vereinbart wird, dass er diese für den Käufer einige Zeit aufbewahrt. Eine zeitliche Komponente ist bei der Begründung des Besitzes nicht zu beachten. Der Besitz kann dann wiederum auf vier Arten verloren gehen. Von zentraler Bedeutung ist der Verlust durch Besitzergreifung eines anderen, sofern der neue Besitz ein Jahr angedauert hat. Währenddessen besteht eine sogenannte Besitzüberlagerung.
4. Besitzschutz
Der Besitzer hat Abwehrrechte gegen die Störung und die Entziehung des Besitzes in Form eines Selbsthilferechts. Darüber hinaus stehen ihm auch Besitzschutzansprüche zu, die aus dem faktischen Besitz folgen und unabhängig von einem Recht zum Besitz bestehen. Zweck dieser Besitzschutzvorschriften ist die Wahrung des Rechtsfriedens und die Vermeidung von Selbstjustiz.
Wird der Besitzer in der Ausübung seines Besitzes gestört, hat er einen Erhaltungsanspruch. Wurde ihm der Besitz entzogen, hat er einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes. In der Praxis wird der Rechtsschutz hauptsächlich durch den Erlass von einstweiligen Verfügungen mit dem Ziel der Wiedereinräumung des Besitzes realisiert. Im Falle von verbotener Eigenmacht steht dem Besitzer ein besonderes Eilverfahren zur Seite, welches die vorläufige Wiedererlangung des Besitzes ohne Anhörung des Gegners vorsieht. Diese Ansprüche verfallen jedoch innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Besitzstörung bzw. der Besitzentziehung. Entsteht aufgrund der widerrechtlichen Verletzung des Besitzes ein Schaden, steht dem Berechtigten ein Schadensersatzanspruch zu.
5. Rechtslage bezogen auf die Hausbesetzungen
Hausbesetzer können aufgrund der genannten Abwehrrechte – die ihnen als vermeintliche Besitzer einer Immobilie grundsätzlich zustehen – nicht ohne Weiteres aus einem besetzten Haus entfernt werden. Notwendig ist stets, dass ein Gericht die Situation rechtlich beurteilt und den Besitz der Hausbesetzer als widerrechtlich einstuft. Dies ist auch aufgrund der Eigentumsvermutung des Besitzers stets notwendig und nicht etwa – wie von den „Okupas“ behauptet – aufgrund verfassungsrechtlicher Schutznormen. Die spanischen Hausbesetzer berufen sich darauf, von dem ihnen von der Verfassung eingeräumten „Recht auf eine würdige Unterkunft“ und dem „Recht auf Besitz“ Gebrauch zu machen. Vergleichbare Rechte finden sich in der Constituição da República Portuguesa in Artikel 62 (Direito de propriedade privada) und 65 (Habitação). Eine widerrechtliche Besitzposition an Wohneigentum wird von diesen Grundrechten jedoch nicht geschützt.
Der widerrechtliche Besitz bei einer Person ermächtigt den Berechtigten (in der Regel den Eigentümer) wiederum seinerseits zum Ergreifen von Besitzschutzmaßnahmen, etwa einer Räumungsverfügung. Ein Einschreiten der Polizei ist daher erst dann möglich, wenn dem Eigentümer ein entsprechender Gerichtsbeschluss zur Seite steht, der die Widerrechtlichkeit bescheinigt. Ein sofortiges Einschreiten ist nur dann denkbar, wenn die Hausbesetzer in flagranti (in Spanien nach bis zu 72 Stunden) beim Einsteigen erwischt und gestoppt werden. So konnten die Besetzer zum einen dann schon keinen Besitz begründen, zum anderen kann wegen der Verwirklichung eines Hausfriedensbruchs auf strafrechtlicher Ebene gegen die Eindringlinge vorgegangen werden. Sind jedoch bereits die Schlösser ausgetauscht worden, sieht es für den Eigentümer zunächst schlecht aus.
6. Fazit
Eigentümer von Immobilien können sich in Portugal – ebenso wie in Spanien und Deutschland – gegen eine illegale Hausbesetzung wehren. Die aktuellen Probleme der Spanier liegen also weniger im Recht als in dessen Durchsetzung begründet. Um Selbstjustiz zu vermeiden, ist in den meisten Fällen ein Gerichtsbeschluss zur Räumung notwendig. Ob die Spanier angesichts der aufgetretenen Probleme – wie vielfach angekündigt – ihr Besitzrecht reformieren, bleibt abzuwarten. In Portugal jedenfalls muss man sich wegen der „Okupas“ keine Sorgen machen, da es dieses Phänomen hierzulande schlicht nicht gibt.