Checkliste bei Wohnsitzaufnahme in Portugal – Teil II:
Rechtliche und praktische Tipps bei Wohnsitzaufnahme in Portugal gab Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau bereits in der letzten Ausgabe. Nun folgt Teil II der Checkliste, der für Zugezogene nützliche Informationen, u.a. zum Sozialversicherungssystem in Portugal und zu wichtigen Vorsorgemaßnahmen, enthält.
I. Sozialversicherung
Zugang zum portugiesischen Sozialversicherungssystem haben alle Einwohner Portugals, die einer abhängigen oder selbstständigen Beschäftigung nachgehen sowie deren Ehepartner und Kinder. Alle Arbeitnehmer und Selbstständige sowie Arbeitgeber leisten entsprechende Beiträge zur Finanzierung des Systems. Bei Angestellten belaufen sich diese Beiträge auf insgesamt 34,25 % des Einkommens. Davon übernehmen 11 % die Arbeitnehmer und 23,25 % die Arbeitgeber. Selbstständig tätige zahlen Beiträge in Höhe von derzeit ca. 30 % ihres Einkommens. Diese Beiträge umfassen sämtliche Zweige der sozialen Sicherung, außer der Unfallversicherung.
1. Krankenversicherung und medizinische Versorgung
In Portugal gibt es eine gesetzliche Krankenversicherung, die dem deutschen System grundsätzlich ähnelt. Die Gesundheitsversorgung wird durch den allgemeinen, meist kostenlosen Nationalen Gesundheitsdienst (Serviço Nacional de Saúde (SNS)) sichergestellt. Die Leistungen der portugiesischen Krankenversicherung umfassen u.a. die Zahlung von Krankengeld, die kostenfreie Behandlung bei Ärzten und Zahnärzten, die für den SNS tätig sind sowie in Krankenhäusern und Gesundheitszentren des SNS. Zudem erfolgt eine teilweise Kostenübernahme für Arzneimittel. Da jedoch häufig mit langen Wartezeiten gerechnet werden muss, sind viele Portugiesen zusätzlich privat krankenversichert.
2. Arbeitslosenversicherung
In Portugal gibt es zudem eine Arbeitslosenversicherung, welche unter bestimmten Umständen bei Lohnausfällen aufgrund von Arbeitslosigkeit einspringt. Die Dauer der Arbeitslosengeldzahlung hängt vom Alter und der bisher geleisteten Beiträge ab. Maßgeblich für die Höhe des Arbeitslosengeldes ist der durchschnittliche Bruttotageslohn der vorangegangenen zwölf Monate ausgehend von zwei Monaten vor Beginn der Arbeitslosigkeit. Grundsätzlich beträgt das Arbeitslosengeld 65 % des Bezugslohns. Nach einem Bezug von 180 Tagen wird es um 10 % gesenkt.
3. Rentenversicherung
Die portugiesische Rentenversicherung wird im Wege des Umlageverfahrens durch die entsprechenden Beiträge und teilweise vom Staat finanziert. Die Regelaltersrente wird derzeit ab einem grundsätzlichen Renteneintrittsalter von 66 Jahren und drei Monaten gezahlt. Voraussetzung für die Gewährung der Altersrente ist eine Wartezeit von 15 Beitragsjahren. Für den Bezug einer vollen Rente müssen insgesamt 40 Beitragsjahre nachgewiesen werden.
Die Rentenhöhe ist unter anderem abhängig von der Anzahl der Versicherungsjahre und des durchschnittlichen Monatsverdienstes im Beitragszeitraum. Es gibt eine Mindestrente (pensão mínima), welche 30 % des durchschnittlichen Monatseinkommens beträgt und die gesetzlichen Mindestwerte nicht unterschreiten darf.
4. Pflegeversicherung
Menschen, die dauerhaft Hilfe von Dritten für die Verrichtung des alltäglichen Lebens sowie spezialisierte ärztliche oder vollstationäre Pflege benötigen, können von der portugiesischen Pflegeversicherung unterstützt werden. Die Leistungen sind vollständig vom Staat finanziert und werden anhand der individuellen Bedürftigkeit erbracht. Eine Vergleichbarkeit mit dem deutschen System der Pflegeversicherung besteht nicht. Leistungen der portugiesischen Pflegeversicherung kommen nur für Personen in Betracht, die bereits am Existenzminimum leben. Unter bestimmten Umständen ist es möglich, das Pflegegeld der deutschen Pflegeversicherung auch in Anspruch zu nehmen, wenn man in Portugal ansässig ist.
5. Unfallversicherung
Arbeitsunfälle (auch Wegeunfälle) und Berufskrankheiten werden in Portugal durch die Unfallversicherung abgedeckt. Die Beiträge hierfür trägt zu 100 % der Arbeitgeber. Neben den Kosten für die notwendige ärztliche Behandlung, zahlt die Unfallversicherung auch ein Kranken- bzw. Verletztengeld. Zudem zahlt die Unfallversicherung bei einer andauernden Erwerbsunfähigkeit eine Rente. Verstirbt ein Arbeitnehmer aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit, erhalten die Hinterbliebenen einen prozentualen Anteil der Rentenleistung zur Hinterbliebenenversorgung.
II. Sozialhilfe
Einwohner, die sich in schwierigen sozial-wirtschaftlichen Lagen befinden, erhalten das soziale Eingliederungseinkommen (rendimento social de inserção). Es besteht ein subjektives Recht auf die Leistung, bestimmte Beiträge mussten zuvor nicht erbracht worden sein. Der Antragsteller muss jedoch den Verpflichtungen eines Eingliederungsvertrags zustimmen. Dieser beinhaltet beispielsweise die Verpflichtung, Jobangebote anzunehmen oder an berufsfördernden Programmen teilzunehmen. Grundgedanke hinter der Leistung ist, den Leistungsempfängern und ihren Familien die lebensnotwendigen Mittel zu garantieren, während gleichzeitig schrittweise die soziale und berufliche Integration gefördert wird. Die Höhe der Sozialhilfe ist an den Indexwert für soziale Unterstützungen (indexante dos apoios sociais) gekoppelt, der derzeit 183,84 € beträgt. Jeder Erwachsene erhält 70 %, jeder Minderjährige 50 % dieses Betrags.
III. Schule und Kindergeld
Das portugiesische Schulsystem gliedert sich in eine Vorschule, die grundlegende Basisausbildung und die weiterführende Ausbildung. Die grundlegende Ausbildung findet vom siebten bis zum 16. Lebensjahr statt. Die weiterführende Ausbildung endet mit der Volljährigkeit. Die Schulpflicht beginnt im Alter von sechs Jahren und endet mit der Volljährigkeit oder Beendigung der weiterführenden Ausbildung.
Portugal und Deutschland erkennen gegenseitig ihr Schulsystem an. Schüler aus beiden Ländern können daher in das jeweils andere Land unter Anerkennung ihrer bereits absolvierten Schuljahre wechseln. Auch die Abiturnoten werden gegenseitig anerkannt.
Das Kindergeld in Portugal wird in der Regel bis zu einem Alter von 16 Jahren gezahlt. Je nach Ausbildungssituation ist eine Zahlung bis zu einem Alter von 18, 21 oder 24 Jahren möglich. Die Zahlung von Kindergeld hängt jedoch von der Einkommens- und Vermögenssituation der Familie ab. Maximal erhält man 146,42 €, minimal 9,46 € Kindergeld pro Kind. Deutsche, die in Portugal wohnen, aber in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind oder so behandelt werden, können weiterhin das deutsche Kindergeld erhalten.
IV. Vorsorge
1. Patientenverfügung
Die Unterschiede der Patientenverfügung nach portugiesischem Recht zu der nach deutschem Recht sind erheblich. Bei dem in Portugal üblichen sog. Testamento Vital handelt es sich um ein einseitiges frei widerrufliches Dokument, in dem der Patient in noch nicht unmittelbar bevorstehende konkrete ärztliche Maßnahmen, für den Fall der späteren Einwilligungsunfähigkeit, einwilligt oder diesen widerspricht. Die Patientenverfügung bedarf nach portugiesischem Recht der notariellen Intervention und muss in portugiesischer Sprache verfasst sein. Das Testamento Vital ist fünf Jahre lang gültig, wobei die Frist nach Ablauf der fünf Jahre verlängert werden kann, indem dies in gleicher Form bekundet wird.
2. Vollmachten im medizinischen und vermögensrechtlichen Bereich
In medizinischen Angelegenheiten ist es wichtig zu wissen, dass Familienangehörige und Ehepartner nicht automatisch berechtigt sind, sich in Gesundheitsfragen gegenseitig zu vertreten. Vielmehr fungiert nur der in der Vorsorgevollmacht genannte Bevollmächtigte in Portugal als Vertreter in medizinischen Angelegenheiten (procurador de cuidados de saúde). Der Vollmachtgeber kann eine beliebige Person einsetzen, die dann über medizinische Behandlungen, die er entweder erhalten oder nicht erhalten möchte, entscheidet, sofern sich der Vollmachtgeber in einer Lage befindet, in der er nicht mehr seinen Willen eigenständig bekunden kann.
Bei Generalvollmachten für vermögensrechtliche Handlungen ist von Bedeutung, dass unter Umständen bestimmte Formerfordernisse einzuhalten sind. Vollmachten für Grundstücksgeschäfte bedürfen in Portugal beispielsweise der notariellen oder anwaltlichen Beurkundung. Üblich und empfehlenswert ist eine genaue Auflistung der zulässigen Befugnisse in der Vollmacht.