Die Abrissverfügung im portugiesischen Baurecht

demolish, bulldozer, tearing

Haben Sie eine Immobilie mit illegalen Baukörpern erworben oder haben Sie selbst „schwarz“ gebaut?
Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau und Ref. Johann Niller erläutern, was Sie zum Thema Abrissverfügung in Portugal wissen sollten.

Ebenso wie im öffentlichen Baurecht Deutschlands existiert auch in seinem portugiesischen Pendant das Instrument der Abrissverfügung (in den deutschen Gesetzen fast durchgängig als Beseitigungsanordnung bezeichnet): Unter bestimmten Voraussetzungen kann die zuständige Behörde die vollständige oder teilweise Beseitigung von Gebäuden oder sonstigen Anlagen anordnen. Dieses für Bauherren und Hauseigentümer regelrechte Horrorszenario ist für die Verwaltung die ultima ratio neben weniger einschneidenden Maßnahmen wie insbesondere der Baueinstellung (port. embargo) und der Nutzungsuntersagung (cessação da utilização).

I. Rechtsgrundlage
In Portugal enthält Art. 106 RJUE (Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, zu Deutsch „Rechtliche Bestimmungen über die Urbanisierung und den Bau“) die maßgebliche gesetzliche Grundlage für den Erlass von Abrissverfügungen. Neben dem Abriss kann die Behörde zudem auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Grundstückszustandes anordnen. Zuständig ist stets der jeweilige Gemeindebürgermeister (Presidente da Câmara Municipal). In Deutschland hingegen existieren 16 verschiedene Landesbauordnungen mit jeweils eigener Rechtsgrundlage für den Erlass von Abrissverfügungen, da das Grundgesetz das Bauordnungsrecht (früher Baupolizeirecht) als Teil des Gefahrenabwehrrechts entsprechend der föderalen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern letzteren zuweist. Zuständig ist die jeweilige Bauaufsichtsbehörde, in Rheinland-Pfalz z.B. die Kreisverwaltung.

II. Voraussetzungen und Verfahren
1. Eine Abrissverfügung kann in Portugal ergehen, wenn ein Bauvorhaben a) ohne die erforderliche Genehmigung oder ordnungsgemäße Voranzeige, b) abweichend vom eingereichten Bauprojekt oder den Bedingungen der erteilten Genehmigung oder denjenigen der Voranzeige oder c) unter Verletzung der sonstigen im konkreten Fall anwendbaren Rechtsvorschriften errichtet wurde. Die deutschen Gesetze stellen i.d.R. lediglich generalklauselartig den Verstoß gegen „baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, die Änderung, die Instandhaltung oder die Nutzungsänderung“ (so z.B. § 81 LBauO Rheinland-Pfalz) von (baulichen) Anlagen als Voraussetzung für den Erlass von Abrissverfügungen auf.

Wenn die Verwaltung nun im konkreten Einzelfall einen Abriss anordnen möchte, kann sie dies – man denke an die potenziell durchaus erheblichen Vermögenswerte, die auf dem Spiel stehen – nicht ohne Weiteres tun. Auch wenn ein Bauwerk vorschriftswidrig ist, muss ein Abriss im Ergebnis stets verhältnismäßig sein. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist ele-mentarer Bestandteil eines jeden Rechtsstaats, wonach hoheitliche Eingriffe Rechte der Bürger niemals mehr als unbedingt erforderlich tangieren dürfen. Für den Erlass von Abrissverfügungen bedeutet das, dass relativ hohe Anforderungen erfüllt sein müssen, bevor solche Verfügungen erlassen werden dürfen. Vorrangig sind weniger gravierende Maßnahmen durch die Verwaltung zu ergreifen. Zu der bloß formellen Illegalität muss deshalb stets auch die materielle Illegalität der baulichen Anlage hinzutreten. Erstere meint das Fehlen einer behördlichen Genehmigung, klassischerweise also einer Baugenehmigung. Zweitere meint, dass die Anlage nicht genehmigungsfähig ist, also mit baurechtlichen oder sonstigen einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften per se nicht in Einklang zu bringen ist. Ist eine Anlage genehmigungsfrei, kann sie freilich dennoch Ziel einer Abrissverfügung sein, ohne dass es auf die formelle Illegalität ankäme. Während die deutschen Gesetze i.d.R. mit der Wendung „wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können“ zum Ausdruck bringen, dass eine Beseitigungsanordnung durch nachträgliche Genehmigung verhindert werden kann, spricht das portugiesische Gesetz ausdrücklich von dieser Möglichkeit: wenn das Bauwerk genehmigungsfähig ist oder mittels baulicher Korrektur- oder Änderungsmaßnahmen materiell legalisierungsfähig ist, kann ein Abriss nicht angeordnet werden, Art. 106 Nr. 2 RJUE. Es obliegt hierbei dem Verantwortlichen, am Verfahren aktiv mitzuwirken und insbesondere die nötigen Unterlagen einzureichen. Unterlässt er dies, bleibt der Weg für einen Abriss offen. Nach portugiesischem Verständnis kommt es für die Frage der Legalisierbarkeit der baulichen Anlage auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abrissverfügung an. Hierbei handelt es sich um einen großen Unterschied zum deutschen Recht. Nach deutschem Recht genießt das Bauwerk Bestandsschutz, wenn es zu einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit rechtmäßig errichtet wurde.

2. Der Adressat einer Beseitigungsverfügung muss zunächst angehört werden, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Kann er die Verwaltung dadurch nicht umstimmen, so erlässt diese die Abrissverfügung unter Setzung einer angemessenen Frist, innerhalb deren der Betroffene der Verfügung nachzukommen hat. Der Gleichheitssatz (Art. 13 d. port. Verfassung, Art. 3 Abs. 1 GG) verbietet es der Verwaltung im Übrigen, ohne sachlichen Grund nur hinsichtlich eines bestimmten Bauwerks den Abriss anzuordnen, ein anderes hingegen etwa wegen persönlicher Beziehungen zum Eigentümer vom Abriss verschont zu lassen. Die Verwaltung ist jedoch nicht gehindert, bei einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle zunächst nur einen einzelnen als „Testballon“ herauszugreifen, um im Vorfeld besser ausloten zu können, ob ein bauaufsichtliches Eingreifen einer zu erwartenden gerichtlichen Kontrolle standhält.

3. Weigert sich der Adressat der Abrissverfügung, dieser innerhalb einer gesetzten Frist nachzukommen, kann die Gemeindeverwaltung den Abriss selbst vornehmen und dem Verantwortlichen die Kosten in Rechnung stellen. In der Praxis geschieht dies allerdings recht selten, da die Verwaltung oftmals den Weg scheut, die Kosten im Wege eines langwierigen Verwaltungsvollstreckungsverfahrens einzutreiben und nicht selten auch außerstande ist, sie selbst vorzuschießen.

4. Bemerkenswert ist die in Portugal hinzukommende Strafbarkeit gemäß Art. 348 des port. Strafgesetzbuches (Código Penal) wegen „Ungehorsams“ (desobedência) für den Fall der unterlassenen Ausführung der rechtmäßig angeordneten Beseitigung. Die möglichen Sanktionen sind Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Zudem sieht Art. 278-A Código Penal eine Umweltstraftat vor, wenn Bauten in Naturschutzgebieten illegal errichtet werden. Ferner existiert ein Ordnungswidrigkeitentatbestand (Art. 98 RJUE) für Schwarzbauten, der freilich nicht die Erwerber solcher Immobilie betrifft, sondern lediglich diejenigen, die das Bauwerk als Verantwortliche errichtet haben.
Es ist dringend zu raten, nur solche mit Immobilien bebauten Grundstücke zu erwerben, die über gültige Genehmigungen verfügen. Gerade in Schutzgebieten (REN/RAN-Gebiete u.a.) sollte besonderes Augenmerk hierauf gelegt werden. Ist der worst case eingetreten und Ihnen ein Abrissbescheid ins Haus geflattert, sollten Sie sich zeitnah anwaltlicher Beratung bedienen, um die Legalisierungsmöglichkeiten für Ihre Immobilie zu ermitteln und die Erfolgsaussichten eines entsprechenden verwaltungsrechtlichen Verfahrens abschätzen zu können.

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