„Wildcamping“ in der Algarve – Wohnmobile als Dorn im Auge der Behörden

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Wollen Sie mit dem Wohnmobil an die sonnenverwöhnte Algarveküste fahren? Wollen Sie Camping- oder Wohnmobilstellplätze meiden und stattdessen lieber in der freien Natur, womöglich sogar direkt am Meer campen?
Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau schildert, was Sie zum Thema Campen in der Algarve unbedingt wissen sollten.

I. Ausgangslage
Campen (portugiesisch campismo) erfreut sich nach wie vor ungebrochener Beliebtheit. Nicht nur die traditionellen Freunde des Campings aus den Niederlanden mit ihren Wohnmobilen oder Wohnwägen (autocaravana bzw. caravana), sondern auch britische, deutsche, österreichische, Schweizer, französische und spanische Reisende haben in den letzten Jahren verstärkt Portugal und insbesondere den Algarve als Reiseziel für sich entdeckt. Vor allem in den wärmeren Monaten säumen dort vielenorts Reisemobile die Küstenstreifen. Tendenz steigend. Auch die Zahl der offiziellen Campingplätze ist von landesweit 71 im Jahr 1977 auf 230 im Jahr 2017 gestiegen. Ebenso sind allein im Algarve hunderte, teilweise sogar kostenlose Caravanstellplätze entstanden.
Jedoch stößt diese Entwicklung bei Einheimischen und Behörden auf wenig Gegenliebe. Zwar mag in Portugal vieles wesentlich entspannter als etwa in Deutschland ablaufen, doch ist das Land im äußersten Südwesten des europäischen Kontinents deshalb keineswegs ein rechtsfreier Raum. Das Campen außerhalb von eigens dafür ausgewiesenen Flächen (campismo selvagem) – sei es im Zelt oder im Wohnmobil – ist auf dem gesamten Staatsgebiet nicht gestattet. Zu groß sind leider die Schäden, die die Urlauber der empfindlichen Natur zufügen. So verrichten viele Camper ihr „Geschäft“ im Freien, hinterlassen Abfälle und zerstören mit ihren Fahrzeugen die Vegetation. Für die Umwelt fatal. Auch die in den trockenen Sommermonaten extreme Waldbrandgefahr verträgt sich nicht mit den von einigen Reisenden entfachten Lagerfeuern. Negativ fallen vorwiegend Camper mit Reisemobilen auf, während die klassischen Zeltcamper kaum ein Problem darstellen.

II. Rechtslage
1. Vorschriften über das Camping sind in Portugal leider nicht übersichtlich an einer einzigen Stelle geregelt, sondern finden sich – wie übrigens auch in Deutschland – über verschiedene Regelungskörper verstreut. Während in der Vergangenheit das Campen außerhalb von Campingplätzen im Grundsatz für jedermann erlaubt war, gilt seit 1995 ein nationales, sog. „präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. Das heißt, eine grundsätzlich erlaubte Verhaltensweise wird vorbeugend verboten und von der Erteilung einer Genehmigung abhängig gemacht, um dadurch der Verwaltung eine möglichst sachgerechte Steuerung im Einzelfall zu ermöglichen. Zuständig für die Erteilung einer solchen Erlaubnis sind die Gemeinden, Art. 18 Gesetzesdekret Nr. 310/2002. Die Genehmigung kann bei Camping auf Privatgrundstücken stets nur dann erteilt werden, wenn der jeweilige Grundstückseigentümer ausdrücklich zustimmt. Ferner müssen befürwortende Stellungnahmen seitens der Gesundheitsbehörde und der Polizei (PSP [Polícia de Segurança Pública] bzw. GNR [Guarda Nacional Republicana]) abgegeben werden. In der Praxis ist dies natürlich kein praktikabler Weg für Individualreisende.
Einige Gemeinden, so z.B. Aljezur und Silves, erlassen in letzter Zeit beruhend auf ihrem verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrecht kommunale Verordnungen (Regulamento Municipal), die das Camping auf ihrem Hoheitsgebiet detailliert regeln und auf diese Weise „disziplinieren“ sollen. Es finden sich Vorschriften über das Antrags-, Genehmigungs- und Widerrufsverfahren sowie die zu entrichtenden Gebühren, zahlreiche Definitionen rund um das Thema Camping und präzise Auflistungen der absoluten Verbotszonen wie etwa Strände, Dünen und Steilküsten sowie ein Radius von zwei Kilometern um existierende Camping- oder Wohnmobilstellplätze und von einem Kilometer um den Haupteingang von Gerichten und anderen öffentlichen Gebäuden wie Schulen oder Museen (s. etwa Verordnung 284/2017 von Silves).

In Naturschutzgebieten wie dem beinahe 90.000 Hektar großen Naturpark Parque Natural do Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina (PNSACV) im Südwesten Portugals, der an der Südküste von der Ortschaft Burgau westlich von Lagos bis São Torpes an der Westküste reicht und damit den westlichen Küstenstreifen des Algarve gänzlich und die Alentejo-Küste circa zur Hälfte einnimmt, gelten zum Schutz der dort einheimischen Arten zusätzliche, strengere Regeln. Camping jeder Art ist außer an den hierfür vorgesehenen Stellen verboten, Art. 8 Buchst. r Kabinettsbeschluss Nr. 11-B/2011. Motorbetriebene Fahrzeuge dürfen nicht abseits der gekennzeichneten Wege bewegt werden. Selbstverständlich ist zum Schutze von Flora und Fauna die Jagd auf geschützte Tiere sowie das Sammeln geschützter Pflanzen verboten. Auch dürfen bestimmte fremde Spezies (z.B. Acacia, Carpobrotus edulis) nicht eingeführt werden.

2. Zuständig für die Überwachung und Durchsetzung der Verbote sind im Normalfall die Gemeinden, daneben aber auch die Polizei, Art. 52 Gesetzesdekret 310/2002. Im PNSACV ist zudem die Naturschutzbehörde ICNB (Instituto Público da Conservação da Natureza e da Biodiversidade) zuständig, s. Art. 82 Kabinettsbeschluss Nr. 11-B/2011.
Die portugiesischen Gesetze sanktionieren Wildcamping sowie jede andere Form von Übernachtung, z.B. Biwakieren, im PNSACV momentan mit Bußgeldern von 200 bis 2.000 Euro im Falle fahrlässigen Handelns bzw. von 400 bis 4.000 Euro im Falle vorsätzlichen Handelns. Bei juristischen Personen betragen die Bußgelder 2.000 bis 18.000 Euro im Falle fahrlässigen Handels bzw. 6.000 bis 36.000 Euro im Falle vorsätzlichen Handels (Art. 43 Nr. 4 Buchst. d Gesetzesdekret Nr. 142/2008 in Verbindung mit Art. 22 Nr. 2 Buchst. a und b Gesetz 50/2006).

Bei Lagerfeuern im PNSACV beträgt die Geldbuße 10.000 bis 200.000 Euro (s. Art. 43 Nr. 1 Buchst. r, Nr. 4 Buchst. d Gesetzesdekret 142/2008 in Verbindung mit Art. 22 Nr. 4 Buchst. a Gesetz 50/2006). Bei juristischen Personen kann die Geldbuße bei Lagefeuern 5.000.000 Euro erreichen. Außerhalb der Naturschutzgebiete für die kein ausdrückliches, schriftliches Campingverbot herrscht, beträgt die Geldbuße für wildes Camping derzeit 150 bis 200 Euro, Art. 47 Nr. 1 Buchst. g Gesetzesdekret 310/2002.

III. Reformen
Die betroffenen Gemeinden wollen dem Treiben nicht länger tatenlos zusehen. Auch zahlreiche Anwohner haben das überhandnehmende Wildcamping vor ihrer Haustüre satt. In der Vergangenheit haben sich die verhängten Bußgelder oftmals als ineffektiv erwiesen. Denn zumeist zahlen die Betroffenen die verhängten Bußgelder schlichtweg nicht. Da die meisten Camper im Ausland ansässig sind, gestaltet sich die Zustellung oftmals schwierig, da diese per Einschreiben mit Rückschein erfolgt. Die Gemeindeversammlung (Assembleia Municipal) von Lagos z.B. hat deshalb im Juni 2019 einen Antrag an die portugiesische Regierung beschlossen, um diese zu einer Reform im Bereich der Vollstreckung der Geldbußen zu bewegen. Diese sollen in wesentlich kürzerer Zeit – am besten direkt vor Ort – effektiv eingetrieben werden. Ob dies im Wege der Beschlagnahme der Wohnmobile oder Fahrzeugpapiere oder in anderer Weise geschehen könnte, ist noch offen. Auch die Gemeindeversammlung von Vila do Bispo hat bereits im November 2018 einen ähnlichen Antrag verabschiedet.

IV. Fazit
Wildcamping in Naturschutzgebieten sollte unter keinen Umständen praktiziert werden. Aber auch außerhalb von Schutzgebieten sollten Sie die (für einige Camper) typischen Begleithandlungen wie das Entzünden von Lagerfeuern oder Müllablagerungen unbedingt unterlassen. Es drohen empfindliche Bußgelder.
Im PNSACV sind die Campingplätze relativ dünn gestreut. Momentan beläuft sich ihre Zahl auf ca. 11. Daneben gibt es im Naturpark zurzeit auch an die 23 reine Caravanstellplätze.

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