Immer mehr Menschen leben mit ihrem Partner in einer faktischen Lebensgemeinschaft. Sie entscheiden sich bewusst gegen die Eheschließung. Welche Rechte und Pflichten treffen die Partner einer Lebensgemeinschaft nach portugiesischem Recht?
Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau beantwortet die häufigsten Fragen.
1. Wann liegt eine faktische Lebensgemeinschaft vor?
Eine faktische Lebensgemeinschaft liegt vor, wenn zwei Personen, unabhängig vom Geschlecht, über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren unter eheähnlichen Bedingungen zusammenleben.
2. Kann jedermann Partner einer faktischen Lebensgemeinschaft sein?
Nein. Zum Zeitpunkt der Gründung der Lebensgemeinschaft müssen beide Partner mindestens 18 Jahre alt sein. Kein Partner darf außerdem verheiratet sein. Die Existenz einer Ehe schließt die Gründung einer Lebensgemeinschaft i.S.d. Gesetzes aus, es sei denn, es fand eine gerichtliche Trennung von Personen und Gütern statt, welche die Ehe nicht auflöst. Die Partner dürfen außerdem nicht miteinander in direkter Linie oder im 2. Grad in der Seitenlinie verwandt sein. Leidet ein Partner unter erkennbarer Demenz schließt das Gesetz die Gründung einer Lebensgemeinschaft ebenso aus. Steht ein Partner unter Betreuung, kann das Betreuungsgericht in seinem Urteil entscheiden, dass die Gründung einer Lebensgemeinschaft ausgeschlossen ist.
3. Wie kann ich nachweisen, dass ich in einer faktischen Lebensgemeinschaft lebe oder gelebt habe?
Grundsätzlich kann jede Art von Beweis beigegebracht werden, insbesondere durch die Vorlage von Urkunden und die Vernehmung von Zeugen. In der Praxis verlangen Ämter jedoch den Urkundenbeweis. Kann keine Urkunde vorgelegt werden, muss notfalls das Gericht über die Existenz einer Lebensgemeinschaft entscheiden. Für die portugiesische Finanzverwaltung, auch aber für andere Ämter, wie das Sozialversicherungsamt, ist der Nachweis von Relevanz, dass die Partner über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren die gleiche Steueradresse besitzen bzw. besaßen. Insofern sollten Partner darauf achten, dass sie vor dem portugiesischen Finanzamt die gleiche Steueradresse hinterlegt haben. Gegenüber anderen Ämtern und nach meiner Erfahrung ausnahmsweise auch gegenüber der Finanzverwaltung und dem Sozialversicherungsamt wird der Nachweis der Lebensgemeinschaft durch eine Bescheinigung des Ortsgemeindeamts (junta de freguesia) erbracht.
4. Wie wird der Antrag auf Nachweis der Lebensgemeinschaft vor dem Ortsgemeindeamt gestellt?
Der Antrag wird durch beide Partner gestellt. Sie versichern an Eides statt, dass sie bereits über einem Zeitraum von mehr als zwei Jahren zusammenleben. Dem Antrag sind die Geburtsurkunden beider Partner beizufügen. Das Ortsgemeindeamt kann auch bescheinigen, dass die Lebensgemeinschaft aufgelöst wurde; es muss erklärt werden, wann die Auflösung stattfand. In diesem Falle genügt es, wenn der Antrag nur durch einem der Ex-Partner gestellt wird, sollte sich der andere Ex-Partner weigern, den Antrag zu unterzeichnen. Letztes gilt natürlich auch, wenn ein Partner verstorben ist und bescheinigt werden soll, dass die Partner vor dem Ableben in einer faktischen Lebensgemeinschaft lebten. Neben der Geburtsurkunde des überlebenden Partners ist in diesem Falle außerdem die Todesurkunde vorzulegen.
5. Welche Rechte haben Partner einer faktischen Lebensgemeinschaft?
Die wichtigsten Rechte der Partner einer faktischen Lebensgemeinschaft lauten: I) Schutz der Familienwohnung (dazu weiter unten); II) Gleichstellung der Lebensgemeinschaft einer Ehe im Rahmen arbeitsrechtlicher Bestimmungen (Urlaub, Fehlzeiten, Zahlungsansprüche bei Arbeitsunfällen etc.); III) Gleichstellung der Lebensgemeinschaft einer Ehe im Rahmen der Einkommensteuer, insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit der gemeinsamen Veranlagung IV) Anspruch auf Sozialleistungen im Falle des Todes des Partners.
6. Hat der überlebende Partner einer Lebensgemeinschaft ein gesetzliches Erbrecht?
Dem überlebenden Partner einer Lebensgemeinschaft steht – anders als dem überlebenden Ehepartner – kein gesetzliches Erbrecht zu. Hat der verstorbene Partner den überlebenden Partner demnach nicht wirksam testamentarisch zum Erben oder Vermächtnisnehmer eingesetzt, geht der überlebende Partner leer aus. Dem überlebenden Partner kann aber im Falle einer Bedürftigkeit ein Anspruch auf Zahlung von Unterhalt gegen die Erben des verstorbenen Partners zustehen.
7. Wie löst sich eine faktische Lebensgemeinschaft auf?
Eine faktische Lebensgemeinschaft löst sich auf, wenn ein Partner sich dazu entscheidet (Trennung), wenn ein Partner verstirbt oder wenn ein Partner die Ehe (mit dem Partner oder einem Dritten) eingeht. Wird die Lebensgemeinschaft durch einen Partner aufgelöst, bedarf es hierfür – anders als bei der Ehe – keiner gerichtlichen Entscheidung. Zieht ein Partner nach der Auflösung der Lebensgemeinschaft aber vor Gericht, um seine Rechte geltend zu machen, muss das Gericht über die Auflösung entscheiden.
8. Ich lebe mit einem Partner seit vielen Jahren in einer Wohnung. Welche Rechte stehen mir zu, sollten wir uns trennen?
Sollte die Wohnung von beiden Partnern oder nur von einem Partner gemietet worden sein, können die Partner mit Wirkung gegenüber dem Vermieter vereinbaren, dass das Mietverhältnis durch einen Partner fortgeführt wird. Einigen sich die Partner nicht hierüber, entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen des jeweiligen Partners und etwaiger Kinder. Steht die Familienwohnung im Eigentum eines Partners, kann diese im Falle einer Trennung durch das Gericht dem anderen Partner zur Miete unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Partner und der Kinder zugewiesen werden.
8. Ich lebe mit einem Partner seit vielen Jahren in seiner Wohnung. Welche Rechte stehen mir zu, sollte mein Partner vor mir versterben?
Im Falle des Todes des Partners der faktischen Lebensgemeinschaft, der Eigentümer der gemeinsamen Familienwohnung war, hat der überlebende Partner ein dingliches Wohnrecht an dieser Wohnung für einen Zeitraum von fünf Jahren und für den gleichen Zeitraum ein Recht auf Nutzung des Wohnungsinventars. Bestand die Gemeinschaft länger als fünf Jahre, verlängert sich der genannte Fünf-Jahres-Zeitraum entsprechend. Ausnahmsweise kann das Gericht eine längere Nutzungsfrist festlegen, z.B. wenn der Partner aufgrund schwerer Erkrankung auf die Wohnung angewiesen ist. Die vorgenannten Nutzungsrechte stehen dem überlebenden Partner nicht zu, wenn er eine eigene Wohnung im Gemeindegebiet hat, in dem sich die Familienwohnung befindet. Befindet sich die Familienwohnung in Lissabon oder Porto darf er auch keine Wohnung in den an diese Städte angrenzenden Gemeindegebieten besitzen. Nach Ablauf des genannten Nutzungsrechts, wandelt sich die Nutzung in ein Mietverhältnis um. Zu beachten ist, dass diese Nutzungsrechte erlöschen, wenn die Familienwohnung über ein Jahr nicht genutzt wird, es sei denn, die fehlende Nutzung beruht auf höhere Gewalt, z.B. aufgrund einer Naturkatastrophe.
Hatte der verstorbene Partner die Familienwohnung gemietet, erlischt der Mietvertrag nicht, wenn der verstorbene Mieter mit seinem Partner über ein Jahr faktisch in der Mietwohnung zusammenlebte. Der überlebende Partner kann somit das Mietverhältnis zu den gleichen Bedingungen fortführen.
9. Ich lebte mit meinem verstorbenen Partner seit vielen Jahren in seiner Wohnung. Seine Erben möchten die Wohnung verkaufen. Steht mir ein Vorkaufsrecht zu?
Ja, solange Sie in der Wohnung Ihres verstorbenen Partners wohnen (unabhängig vom Rechtsgrund) steht Ihnen im Falle des Verkaufes der Wohnung ein Vorkaufsrecht zu, d.h. Sie können die Immobilie zu den gleichen Bedingungen kaufen, die ein Dritter den Erben bietet.
10. Während der Lebensgemeinschaft mit meinem Partner habe ich eigenes Geld in die Renovierung seiner Immobilie investiert. Steht mir ein Anspruch gegen meinem Ex-Partner auf Erstattung meines Geldes zu?
Sollten Sie beweisen können, dass Sie dieses Geld investiert haben, können Sie vor Gericht einen Zahlungsanspruch gegen Ihrem Ex-Partner auf der Grundlage des Rechtsinstituts der ungerechtfertigten Bereicherung begründen. Laut jüngster Rechtsprechung aus 2019 können Sie keine Ansprüche aus der Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts herleiten, die Sie ggf. mit Ihrem Partner gründeten. Da keine Ehe bestand, können Sie sich natürlich auch nicht auf die Rechtsfolgen ehelicher Güterstände berufen.