Das Vereinswesen ist fest in der portugiesischen Gesellschaft verankert. Welche Arten von Vereinen gibt es?
Welchen Regeln unterliegen Sie?
Wie erreicht man die Anerkennung der Gemeinnützigkeit?
Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau erläutert.
Ein Verein ist eine Organisation, in der sich Personen mit bestimmten gemeinsamen Interessen bzw. Zielen zu gemeinsamem Tun zusammenschließen. Die Gründung eines Vereins steht erst seit dem Ende des Estado Novo und dem Inkrafttreten der neuen Verfassung im Jahre 1976 nicht mehr unter dem staatlichen Genehmigungsvorbehalt. Die freie Vereinsgründung ist Ausdruck eines demokratischen Rechtsstaates. Es gibt aber Regeln und Voraussetzungen, die der Verein erfüllen muss, insbesondere dann, wenn er um staatliche Privilegien ringt.
Darauf hinzuweisen ist, dass das portugiesische Recht privatnützige Stiftungen nicht anerkennt. Wer demnach sich ohne Gewinnerzielungsabsicht zusammenschließen möchte, dem bleibt grundsätzlich nur der Verein. Eine rechtsfähige Stiftung entsteht erst durch die Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit durch das Innenministerium. Grundvoraussetzung ist der Nachweis der Existenz von ausreichendem Vermögen, während bei einem Verein nicht das Vereinsvermögen, sondern vielmehr die Menschen im Vordergrund stehen. Es existieren nur wenige Stiftungen in Portugal. Die vorhandenen Stiftungen beschränken sich auf die Förderung des kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Wohls der Allgemeinheit. Die bekannteste Stiftung ist die Calouste Gulbenkian Stiftung in Lissabon. Per Testament bestimmte Gulbenkian die Gründung der Stiftung zur Förderung der universellen menschlichen Werte. So kommen Kunst, Wissenschaft und Bildung eine besondere Rolle zu.
1. Rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger Verein
a) Rechtsfähiger Verein
Rechtsfähige Vereine (associações com personalidade jurídica) sind Vereinigungen, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet ist. Darunter fallen insbesondere Wohltätigkeitsvereine, Idealvereine (z.B. Sportvereine) und freiwillige Feuerwehren.
Denjenigen Vereinen wird Rechtsfähigkeit zugesprochen, deren Satzung notariell beurkundet wird und die den gesetzlichen Mindestinhalt aufweist. Es gibt Ausnahmen von der Beurkundungspflicht, wie z.B. bei der sog. Blitzgründung (associação na hora). Nach der Gründung wird der Verein im Staatsanzeiger (Diário da República) bekanntgegeben.
Die Satzung muss mindestens folgenden Inhalt aufweisen: Namen, Zweck, Sitz, Zuwendungen der Mitglieder (welche zum Vereinsvermögen beitragen), Regelungen des Vereinslebens (Organe, Zuständigkeitsverteilung, Beschlussfassungen, Einberufung der Versammlungen, u.a.) und Geltungsdauer, sollte der Verein nicht auf unbestimmte Zeit gegründet werden. Da verschiedene Aspekte, wie z.B. die Aufnahme und der Ausschluss von Mitgliedern, nicht gesetzlich geregelt sind, sollte die Vereinsatzung weitere Bereiche abdecken. Den Mitgliedern des Vereins steht die Satzungshoheit zu. Die Mitgliedschaft kann weder unter Lebenden übertragen noch vererbt werden, es sei denn, die Satzung enthält eine anderslautende Bestimmung.
Ein rechtsfähiger Verein kann bereits durch zwei Personen gegründet werden; nach seiner Gründung müssen jedoch die Pflichtorgane mit mindestens neun, d.h. drei Personen je Organ, besetzt werden: Vorstand, Aufsichtsrat und Mitgliederversammlung. Zum Vergleich: Eine portugiesische GmbH (limitada) setzt nur einen Gesellschafter voraus. Die Mitgliederversammlung wählt spätestens nach der Vereinsgründung die weiteren Vereinsorgane, namentlich den Vorstand und den Aufsichtsrat. Damit die Versammlung ordnungsgemäß geleitet werden kann, wird in der Regel zunächst der Vorsitzende sowie zwei Schriftführer der Versammlung gewählt (auf portugiesisch spricht man hier von der Zusammensetzung der mesa da assembleia). Dieser „Tisch der Versammlung“ stellt aber neben der Mitgliederversammlung kein eigenständiges Organ dar. Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich. Der Aufsichtsrat überwacht die Tätigkeit des Vorstandes. In der Regel besteht die Gründung eines Vereins aus sechs Schritten: I) Gründungsversammlung und Einigung auf eine Satzung; II) Antrag auf Namensgenehmigung (mitsamt automatischer Zuweisung von Steuer- und Sozialversicherungsnummer), III) Beurkundungsakt, IV) Veröffentlichung im Staatsanzeiger, V) Wahl der Besetzung der Organe und VI) sonstige Handlungen, je nach Fall.
Für Verbindlichkeiten, die der Verein durch seinen Vorstand begründet, haften nicht die einzelnen Vereinsmitglieder mit ihrem jeweiligen Privatvermögen, sondern nur der Verein mit dem Vereinsvermögen. Hervorzuheben ist, dass der rechtsfähige Verein für Handlungen und Unterlassungen seiner Vertreter wie ein Auftraggeber für den Beauftragten haftet.
b) Nichtrechtsfähiger Verein
Nichtrechtsfähige Vereine (associações sem personalidade jurídica) sind ebenfalls Vereinigungen, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet ist. Der nichtrechtfähige Verein entsteht durch Annahme einer Satzung, die nicht notariell beurkundet wird. Er kann durch zwei Mitglieder gegründet werden. Die Satzung muss keinen Mindestinhalt aufweisen. Die Vermögenswerte, die zum Vermögen des nichtrechtsfähigen Vereins zählen, bilden eine Gesamthand. Solange der Verein besteht, kann kein Mitglied die Aufteilung des Vereinsvermögens beanspruchen. Der Verein haftet primär mit seinem Gesamthandseigentum. Ist der Verein jedoch vermögenslos, haftet das Mitglied mit seinem Privatvermögen persönlich, das die Verpflichtungen für den Verein eingegangen ist. Ist auch das Mitglied, das den Verein verpflichtet hat, vermögenslos, haften die übrigen Mitglieder subsidiär entsprechend des Wertes der von ihnen eingebrachten Vermögenswerte.
Bereits aufgrund dieser haftungsrechtlich ungünstigen Lage ist ein unrechtsfähiger Verein in aller Regel unattraktiv. Das Gesetz sieht nichtrechtsfähige Vereinigungen für besondere Zwecke vor, z.B. zwecks Durchführung von Hilfsaktionen. Die Mitglieder und Organe dieser Vereinigungen haften allerdings persönlich und gemeinsam für den Erhalt des Gesamthandvermögens, für die bestimmungsgemäße Verwendung dieses Vermögens sowie für allgemeine Verbindlichkeiten der Vereinigung. Die Gründung von nichtrechtsfähigen Vereinen sowie Vereinigungen für besondere Zwecke müssen ebenso öffentlich bekanntgegeben werden.
2. Wichtiger Spezialfall: Gemeinnütziger Verein
Die Gemeinnützigkeit definiert sich in Deutschland aus der Abgabenordnung. In Portugal entscheidet über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit hingegen die Sozialversicherungsstelle. Der gemeinnützige Verein ist in Portugal unter dem Begriff instituição particular de solidariedade social, kurz: IPSS, bekannt (auf deutsch: staatlich anerkannter Verein für soziale Dienste). Innerhalb von 60 Tagen nach der Vereinsgründung ist der Antrag auf Anerkennung beim Sozialversicherungsamt einzureichen. Die Anerkennung setzt folgende Voraussetzungen voraus: I) Rechtswirksame Gründung des (rechtsfähigen) Vereins, wie oben erläutert; II) Gemeinnützigkeit des Zwecks des Vereins im Sinne des Gesetzes (Förderung von Kindern und Jugendlichen, der Familie, der sozialen Integration, Schutz von Menschen im Alter und bei Arbeitsunfähigkeit sowie in allen anderen Fällen von Bedürftigkeit); III) Umsetzbarkeit und gesellschaftliche Bedeutung des Vereinszwecks (es ist ein Aktionsplan, der die beabsichtigte Tätigkeit näher umschreibt, zu erstellen) sowie IV) Übereinstimmung der Satzung mit dem gesetzlichen Pflichtinhalt von IPSS-Vereinen. Zu diesem letzten Punkt zählen: Der Verein muss mindestens doppelt so viele Mitglieder haben, wie die Gesamtanzahl der Personen, welche die Gesellschaftsorgane bekleiden. Dies bedeutet, dass er mindestens 18 Mitglieder haben muss (2 X 9). Ferner muss die Satzung Regeln über die Aufnahme und Ausschluss von Mitgliedern, über Rechte und Pflichten der Mitglieder sowie über Sanktionen bei Nichterfüllung dieser Pflichten beinhalten. Außerdem sieht das Gesetz besondere Regeln über Stimmabgaben (z.B. ein Mitglied darf höchstens eine Stimme haben und darf nicht mehr als ein Mitglied in der Hauptversammlung vertreten) und über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den drei Pflichtorganen (Vorstand, Aufsichtsrat und Mitgliederversammlung) sowie deren Einberufung vor. Hervorzuheben ist, dass die Amtszeit der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder vier Jahre nicht überschreiten darf und der jeweilige Vorsitzende nicht für mehr als drei aufeinanderfolgenden Amtszeiten im Amt bleiben darf.