Recht in Zeiten von COVID 19: Wissenswertes aus Portugal

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Das Coronavirus verbreitet sich weiterhin in Portugal. Menschen stehen vor großen Herausforderungen.
Aber auch Unternehmen haben mit gravierenden kommerziellen Folgen zu kämpfen, die Rechtsfragen aufwerfen. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau gibt Antworten auf rechtliche Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen.

1. Meine „Residência“ ist vor kurzem abgelaufen. Was kann ich tun?
Portugiesische Ausweisdokumente, wie der Bürgerausweis, Personenstandbescheinigungen, Führerscheine und Aufenthaltstitel, einschließlich die für EU-Bürger sowie Schweizer geltende „Residência„, bleiben bis zum 30.6.2020 gültig, solange deren Gültigkeit nach dem 14.3.2020 abgelaufen ist.

2. Der portugiesische TÜV meines PKW läuft ab – was jetzt?
Gängige PKW müssen ab dem 4 bis zum 8 Jahr als 2 Jahre und danach jährlich zum TÜV. Bekanntlich muss der TÜV immer bis zum Tag der Erstzulassung vorgenommen werden. Die Fristen für TÜV-Inspektionen von PKW wurden verlängert. PKW, die zwischen dem 13.3. und 30.6.2020 zum TÜV müssten, profitieren von einer zusätzlichen Frist von 5 Monaten ab dem Tag der Erstzulassung.

3. Ich habe vor einem Monat ein Flugticket gekauft und möchte die Reise nicht mehr antreten. Habe ich ein Rücktrittsrecht wegen der Corona-Krise?
Hier muss man unterscheiden: Wenn der Fluganbieter von sich aus die Reise absagt, erhalten Sie die Kosten erstattet. Nicht abgedeckt ist, wenn Sie aus eigenem Unwohlsein oder aus Gründen der Ansteckungsgefahr nicht reisen wollen. Besteht hier keine Sonderversicherung, können Sie nicht auf die Erstattung der Kosten bestehen. Selbst bei einer Reiserücktrittsversicherung müssten Sie nachweisen, dass Sie die Reise nicht antreten konnten. Angst vor Ansteckung allein reicht nicht. Einige Versicherer haben außerdem einen Pandemie-Ausschluss in ihren AGB. In diesem Fall zahlen sie nicht, wenn Sie infiziert sind, weil die Weltgesundheitsorganisation COVID 19 zur Pandemie erklärt hat. Ausnahmen können bestehen, wenn die Reise in ein Gebiet geht, in dem der Ablauf der Reise klar beeinträchtigt ist (z.B. derzeit Italien). Hier könnte man unter Umständen eine „höhere Gewalt“ annehmen.

4. Ich habe einen Vertrag abgeschlossen, der Fristen für bestimmte Leistungen vorsieht. Führt die aktuelle Corona-Krise zur Aussetzung dieser Fristen oder kann ich sogar vom Vertrag zurücktreten?
Auch hier kommt es auf den Einzelfall an. Zunächst ist festzustellen, ob der Vertrag eine Force Majeure-Klausel („Höhere Gewalt-Klausel“) hat. Sollte dies der Fall sein, so stellt sich aber die Frage, ob das Corona-Virus überhaupt ein Ereignis darstellt, welches die Rechtsfolgen der Klausel auslöst. Sodann müsste von Fall zu Fall geprüft werden, welche Rechtsfolgen die Klausel auslöst: Suspendierung der Leistungspflichten oder gar ein Rücktrittsrecht? Enthält der Vertrag keine Force Majeure-Klausel, ist auf das portugiesische Código Civil (CC) zurückzugreifen. Die Corona-Pandemie kann zu unterschiedlichen Leistungsstörungen führen. Die Materie ist komplex. Zu unterscheiden sind einerseits Fälle, in denen Lieferungen nicht wie zugesagt erfolgen können, weil z.B. die benötigten Rohstoffe oder Zuliefererteile aufgrund von Grenzschließungen und Werkstilllegungen fehlen (dies betrifft derzeit u.a. die portugiesische Bauwirtschaft) und andererseits Fälle, in denen Vertragsverhältnisse durch behördliche Verbote beeinflusst werden.

Allgemein ist zu sagen, dass ein Verschulden in der aktuellen Situation, sofern Leistungsverzögerungen auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind, weitgehend zu verneinen ist, d.h. der eingetretene Verzug mit der Leistungserfüllung kann keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Rücktritt vom Vertrag begründen (vgl. Art. 804 Abs. 2 CC). Zu prüfen ist allerdings, ob es zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gekommen ist. Die Geschäftsgrundlage wird in Art. 437 Abs. 1 CC beschrieben als die Umstände, die zur Grundlage eines Vertrags geworden sind. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt vor, wenn diese nachträglich eine „anormale Veränderung“ (alteração anormal) erleidet. Die betroffene Partei hat das Recht, den Rücktritt vom Vertrag zu erklären oder die Anpassung (Veränderung) des Vertrages zu verlangen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Verpflichtung zur Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht trotz des Wegfalls der Ge-schäftsgrundlage in schwerwiegender Weise gegen Treu und Glauben verstoßen würde und die „anormale Veränderung“ nicht durch das eigene Risiko des Vertrages gedeckt ist. Es muss geklärt werden, inwiefern die Corona-Pandemie zu einer Störung der Geschäftsgrundlage eines Liefer- oder sonstigen Vertrags führen kann.

Niemand beherrscht diese Pandemie und sie war bei lebensnaher Betrachtung nicht vorhersehbar. Demnach kann grundsätzlich auch keiner Vertragspartei das Risiko für sie auferlegt werden. Ob im Ergebnis aber ein Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen werden kann, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden. Da die Voraussetzungen streng sind und komplexe Fragen aufwerfen, werden solche Fälle, in denen eine Vertragspartei sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, vorwiegend vor Gericht landen.


5. Mein Vermieter hat mir ein Kündigungsschreiben gesendet. Muss ich die Wohnung verlassen?

Nein. Bis auf Weiteres werden die rechtlichen Folgen der Kündigung von Mietverträgen über Wohn- oder Gewerbeimmobilien ausgesetzt. Ausgesetzt wurden auch die Verfahren über die Vollstreckung von Hypotheken, solange der Hautwohnsitz des Schuldners davon betroffen ist.

6. Ich bin Arbeitnehmerin und habe einen 10-jährigen Sohn, auf den ich zu Hause aufpassen muss, da die Schule geschlossen wurde. Darf ich der Arbeit fernbleiben?
Ja, dürfen Sie, solange Ihr Kind unter 12 Jahre alt ist. Sie haben einen Anspruch auf 2/3 Ihres Grundgehalts. Der Staat und Ihr Arbeitgeber zahlen jeweils die Hälfte. Sollten Sie aber von zu Hause aus arbeiten können, besteht dieser Anspruch nicht. Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer während der aktuellen Krise Homeoffice anordnen kann, solange die Arbeit von zu Hause aus verrichtet werden kann. Wenn Sie von zu Haus aus arbeiten, sollte die Arbeitsschutzversicherung darüber informiert werden, anderenfalls es zu einem Versicherungsausfall kommen kann.

7. Darf mein Arbeitgeber aufgrund der Corona-Krise einseitig meine Arbeitszeit reduzieren und mir ein entsprechend geringeres Gehalt auszahlen?
Ja, aber dafür muss Ihr Arbeitgeber formal Kurzarbeit beantragt haben. Dies darf er grundsätzlich nur dann, wenn er einen Umsatzrückgang von 40 % zum Vormonat oder im Vergleich zum Vorjahr nachweisen kann. Sie haben dann einen Anspruch auf einen proportionalen Lohn gemessen an der Anzahl der abgeleisteten Arbeitsstunden.

8. Ich habe ein Unternehmen mit 10 Arbeitnehmern. Darf ich die Arbeitnehmer nach Hause schicken und einige der Arbeitsverträge kündigen?
Sie können am Lay-off-Hilfsprogramm teilnehmen, wenn ein Umsatzrückgang von 40 %, wie unter 7. beschrieben, eingetreten ist. Während der Lay-off-Phase und 60 Tage danach dürfen Sie allerdings keine betriebsbedingten Kündigungen vornehmen, da das Lay-off-Hilfsprogramm gerade der Sicherung der Arbeitsplätze dienen soll. Sie können aber jederzeit befristete Arbeitsverträge auslaufen lassen. Während der Lay-off-Phase hat der jeweilige Arbeitnehmer einen Anspruch auf 2/3 seines Bruttolohns, maximal aber 1.905,00 €. Der Staat zahlt 70 % (maximal bis zu 1.333,50 € je Arbeitnehmer) und der Arbeitgeber die restlichen 30 % des Lohnes. Diese Unterstützung hat eine Dauer von einem Monat und kann maximal bis zu drei Monate verlängert werden. Sie müssen Ihre Arbeitnehmer über den Lay-off schriftlich informieren. Die Regierung hat darüber hinaus noch eine Reihe von Zahlungsterminen hinsichtlich Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen verlängert, um Unternehmern zu helfen. Ihr Buchhalter (Contabilista Certificado) kann Sie über Einzelheiten informieren.


9. Ich bin selbstständig tätig und habe infolge der Corona-Krise kein Einkommen mehr. Was kann ich tun?

Wenn Sie nachweisen können, dass Ihre Kunden infolge der Corona-Krise vollständig (!) ausgefallen sind, können Sie eine Hilfe in Höhe von maximal 438,81 €/Monat für einen Zeitraum von maximal sechs Monaten beantragen.

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