Waren werden vermehrt über das Internet gekauft. Die Anzahl dieser sog. Fernabsatzverträge hat in Zeiten von COVID-19 stark zugenommen. Kennzeichen des elektronischen Handels ist, dass sich die Handelspartner regelmäßig nicht mehr persönlich begegnen, sondern lediglich auf elektronischem Wege miteinander kommunizieren und rechtlich verbindliche Erklärungen abgeben. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau erläutert die Besonderheiten solcher Geschäfte.
Stellen Sie sich folgenden Fall vor:
António hat im Radio von besonderen Rabatten anlässlich des Black Friday gehört und hat daraufhin über das Onlineportal des Ladens „Electrosuper“ einen Staubsauger gekauft. Dieser Staubsauger wurde am 2. Dezember geliefert. Am Weihnachtstag schenkt ihm seine Mutter den gleichen Staubsauger. Er entschließt sich deshalb, den gekauften Staubsauger gegen Erstattung des gezahlten Kaufpreises zurückzugeben.
Wie ist die Rechtslage?
Es könnte ein sog. Fernabsatzvertrag vorliegen, bei dem die zum Abschluss des Vertrages führenden Erklärungen unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und damit unter Abwesenden abgegeben werden. Typisch für Fernabsatzverträge ist, dass der Verbraucher die bestellte Lieferung oder Leistung in der Regel nicht vor ihrem tatsächlichen Eingang bei ihm begutachten und auf Qualität oder Mängel prüfen kann.
Für das Vorliegen eines Fernabsatzvertrages müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein:
1) Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer:
Es muss sich um einen Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer handeln. Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Nicht erfasst werden demnach Verträge ausschließlich zwischen Verbrauchern oder zwischen Unternehmen. Dieser Voraussetzung ist im genannten Beispiel erfüllt, da António den Staubsauger nicht für seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit gekauft hat und der Verkäufer „Electrosuper“ ein Unternehmer ist.
2) Vertragsgegenstand:
Gegenstand des Vertrages muss die geschäftsmäßige Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen sein. Der Vertragsgegenstand ist weit gefasst und umfasst sowohl Kauf- und Werkverträge, als auch Dienst-, Miet-, Darlehensvermittlungs- und Geschäftsbesorgungsverträge. Auch diese Voraussetzung ist erfüllt, da es sich bei dem Staubsauger um eine Ware handelt, die verkauft wurde.
3) Organisation:
Der Vertragsschluss muss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt sein. Der Unternehmer muss deshalb in seinem Unternehmen die personellen und sachlichen Voraussetzungen aufweisen, um regelmäßig im Fernabsatz tätig sein zu können. Erfasst werden folglich auch Unternehmer, die ihren Vertrieb nicht vollständig über Fernkommunikationsmittel betreiben, sondern ihre Waren oder Dienstleistungen auch noch auf andere Weise absetzen. Nicht erfasst werden dagegen solche Unternehmer, die nur gelegentlich Verträge per E-Mail, Telefon oder Fax abschließen, bei denen also die physische Begegnung der Vertragsparteien und die Inaugenscheinnahme der Ware oder des Vertragspartners die Regel ist. Da der Kauf des Staubsaugers über die Internetseite des Ladens „Electrosuper“ erfolgte, der sein Geschäftsmodell zumindest auch auf den Online-Verkauf ausgerichtet hat, liegt auch diese dritte Voraussetzung vor.
4) Fernkommunikationsmittel:
Schließlich muss der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen sein. Hierbei handelt es sich um Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, also insbesondere um Briefe, Kataloge, Telefon, Telefax, E-Mail sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste. Dabei muss das Fernabsatzgeschäft nicht ausschließlich unter Verwendung nur eines dieser Fernkommunikationsmittel zustande gekommen sein; auch eine Kombination mehrerer Fernkommunikationsmittel kann zum Abschluss des Vertrages führen. Wer also z.B., wie António im Fernsehen, auf ein Produkt aufmerksam gemacht wird und dann unter Verwendung der dort eingeblendeten Telefon- oder Telefaxnummer bzw. E-Mail-Adresse eine Bestellung aufgibt, benutzt zur Vertragsanbahnung Fernkommunikationsmittel. Gleiches gilt auch für die klassische Bestellung per Bestellschein nach Katalog. Da António den Staubsauger über das Internet gekauft hat, liegt auch diese letzte Voraussetzung vor, sodass ein Fernabsatzvertrag vorliegt.
Der Unternehmer hat bei Fernabsatzverträgen verschiedene vorvertragliche und vertragliche Informationspflichten. Sinn dieser Informationspflichten ist es, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, sich über den Inhalt seines Vertrages zu informieren und zu entscheiden, ob er daran festhalten will oder nicht. Weiterhin soll er auch nach Vertragserfüllung auf die wesentlichen Vertragsinformationen, z. B. über die Gewährleistung, zurückgreifen können. Es besteht eine allgemeine Offenbarungspflicht über den kommerziellen Charakter des Vertrags. Der Unternehmer muss deshalb Informationen über seine Person und den geschäftliche Zweck des Vertrages rechtzeitig vor Vertragsabschluss erkennbar offen legen. Eine wichtige Pflichtinformation besteht in der Aufklärung über das Bestehen eines Widerrufsrechts. Sehr praxisrelevant ist nämlich, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gem. Art. 10 des Dekrets Nr. 24/2014 vom 14.2.2014 zusteht.
Das Widerrufsrecht kann innerhalb von 14 Tagen ab Lieferung bzw. bei Dienstleistungen ab Vertragsschluss ausgeübt werden. Der Widerruf bedarf keiner Begründung, er muss jedoch schriftlich erfolgen, wobei keine Unterzeichnung der Widerrufserklärung erforderlich ist. Anstelle des schriftlichen Widerrufs kann auch die Rücksendung der Ware erfolgen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. Da António im genannten Beispiel den Staubsauger am 2. Dezember erhalten hat, war die 14-Tages-Frist zu Weihnachten bereits abgelaufen. Zum Schutz des Verbrauchers beginnt die Frist jedoch erst anzulaufen, wenn ihm die notwendigen Informationen in der gesetzlich vorgegebenen Qualität übermittelt worden sind. Sollte António nicht über das Bestehen des Widerrufsrechts von 14 Tagen informiert worden sein, erlischt das Widerrufsrecht spätestens 12 Monate ab Vertragsschluss, bzw. bei Warenlieferungen ab einem Tag vor Anlieferung der Ware. In diesem Falle könnte António die Ware einfach zurücksenden und damit seinen Widerruf noch fristgerecht bekunden. Macht der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht fristgerecht Gebrauch, endet der Vertrag. Dies hat zur Folge, dass bereits empfangene Leistungen zurück zu gewähren sind. António ist demnach zur Rücksendung des Staubsaugers an den Laden „Electrosuper“ innerhalb von 14 Tagen ab dem Tag seines Widerrufs verpflichtet. Die Gefahr der Rücksendung trägt der Verkäufer. António hat aber grundsätzlich die Kosten der Rücksendung zu zahlen, es sei denn, er wurde bei Vertragsschluss nicht ausdrücklich darüber informiert. Wurde er nicht darüber informiert, muss der Verkäufer die Kosten der Rücksendung tragen. Hat António den Staubsauger beschädigt, muss er für den Schaden aufkommen. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist. Der Laden „Electrosuper“ ist im Falle des Widerrufs verpflichtet, António den gezahlten Preis für den Staubsauger innerhalb von 14 Tagen nach Erlangung von Kenntnis des Widerrufs zu erstatten. Wird der Preis nicht fristgerecht erstattet, muss als Strafe die doppelte Summe erstattet werden.