Ende März hat der portugiesische Oberste Gerichtshof in einem die Rechtsprechung vereinheitlichendem Urteil entschieden, dass Wohnungseigentum (vor allem Apartments) grundsätzlich nicht an Touristen im Rahmen eines Alojamento Local vermietet werden darf. Der Experte im Immobilienrecht, Dr. Alexander Rathenau, erläutert dieses wegweisende Urteil und übt Kritik.
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.3.2022 (Rechtssache Nr. 24471/16.4T8PRT.P1.S2-A-RUJ) die Rechtsprechung vereinheitlicht, indem er entschied, dass die Nutzung von Wohnungseigentum als Alojamento Local (kurzzeitige gewerbliche Vermietung an Touristen; Beherbergungsbetrieb; AL) nicht zulässig ist, wenn diese Nutzung in der jeweiligen Teilungserklärung nicht vorgesehen ist. Die Teilungserklärung (auch Gründungstitel genannt) führt zur Entstehung von Wohnungseigentum. Wohnungseigentum bezeichnet das Sondereigentum an einer Wohnung (Apartment oder Reihenhaus).
Da aus den allermeisten Teilungserklärungen in Portugal nur pauschal hervorgeht, dass die Nutzung der einzelnen Einheiten „Wohnzwecken“ dient, führt das höchstrichterliche Urteil dazu, dass nahezu alle Apartments in Portugal ab sofort nicht mehr an Touristen vermietet werden dürfen. Dieses Verbot bezieht sich auf alle Fälle der Vermietung an Touristen, unabhängig davon, ob eine wirksame AL-Lizenz erteilt wurde oder nicht. Jedem Wohnungseigentümer steht das Recht zu, gegen den Eigentümer, der sich nicht an dieses Verbot hält, gerichtlich vorzugehen. Es ist deshalb mit einer Flut an Verfahren zu rechnen, die das Ziel verfolgen, Eigentümer von AL zur Aufgabe der Kurzzeitvermietungen zu zwingen.
Dieses Urteil hat weitreichende wirtschaftliche Folgen, da sehr viele Wohnungseigentümer in Portugal mit dem AL-Gewerbe Einnahmen generieren. Die weiterhin bestehende Möglichkeit, die Wohnung im Wege eines ordentlichen Mietvertrages zu vermieten, kann den Verlust an Einnahmen nicht kompensieren. Die ordentliche Vermietung der Wohnung ist wirtschaftlich bei weitem nicht so attraktiv wie die Kurzzeitvermietung. Hinzu kommt auch noch, dass die Steuerlast bei einer ordentlichen Vermietung derzeit höher ist als im Rahmen des AL-Gewerbes.
Die Frage, ob die in der jeweiligen Teilungserklärung angegebene pauschale Nutzung der Einheiten zu „Wohnzwecken“ mit der Nutzung der Wohneinheiten zu gewerblichen AL-Zwecken kompatibel ist, war bisher in der portugiesischen Rechtsprechung und Literatur umstritten. Aufgrund von widersprechenden Gerichtsentscheidungen hielt der portugiesische Oberste Gerichtshof es für dienlich, die Rechtsprechung zu dieser Frage zu vereinheitlichen. Solange die jeweilige Teilungserklärung weiterhin nur von einer Nutzung zu „Wohnzwecken“ spricht und der Gesetzgeber die Gesetzeslage nicht dahingehend ausdrücklich klarstellt, dass eine AL-Nutzung mit der Nutzung zu „Wohnzwecken“ kompatibel ist, muss ab sofort jeder Apartmenteigentümer in Portugal damit rechnen, dass er die Vermietung an Touristen einstellen muss. Außerdem muss damit gerechnet werden, dass Gemeindeämter der Neu-Erteilung von AL-Lizenzen widersprechen, sollte nicht nachgewiesen werden, dass die jeweilige Teilungserklärung ausdrücklich eine AL-Nutzung erlaubt.
Eine bestehende Teilungserklärung kann allerdings grundsätzlich nur mit der Zustimmung aller Eigentümer geändert werden und unterliegt der notariellen Beurkundungspflicht. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Gemeindeämter vor langer Zeit erteilte Lizenzen nachträglich widerrufen. Aus meiner Sicht sollte der Gesetzgeber schnellstmöglich tätig werden und klarstellen, dass eine AL-Nutzung mit der Nutzung zu „Wohnzwecken“ gemäß Teilungserklärung vereinbar ist.
Bei dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 22.3.2022 handelt es sich nämlich um ein eklatantes Fehlurteil. Das Urteil widerspricht aus meiner Sicht der geltenden Rechtslage und damit dem Willen des Gesetzgebers, an dem sich die Rechtsprechung zu orientieren hat.
Aus folgenden fünf Gründen bin ich der Auffassung, dass das Urteil fehlerhaft ist und der Gesetzgeber aufgrund der weitreichenden negativen Auswirkungen der Entscheidung zügig handeln sollte:
1. Jede Immobilie, bevor sie bewohnt werden darf, muss in Portugal baurechtlich abgenommen werden. In der sog. baurechtlichen Nutzungsbescheinigung bzw. Bewohnbarkeitsbescheinigung geht hervor, dass Apartments „Wohnzwecken“ dienen. Es ist unumstritten und wurde auch von dem Obersten Gerichtshof in dem hier besprochenen Urteil bestätigt, dass der Begriff „Wohnzwecke“ im baurechtlichen Sinne die Nutzung des Apartments als AL umfasst;
2. Gemäß Art. 1422 Abs. 2 lit. c) des portugiesischen Zivilgesetzbuches kann in der Teilungserklärung aufgenommen werden, dass Wohneinheiten „anderen Zwecken“ dienen können, solange dieser Zweck nicht gegen die baurechtlich zugelassene Nutzung zu „Wohnzwecken“ verstößt. Da in den allermeisten Teilungserklärungen nur von „Wohnzwecken“ die Rede ist, kommt der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil zum Ergebnis, dass die jeweiligen Apartments nicht gewerblich an Touristen vermietet werden dürfen. Hätten die Parteien, welche die Teilungserklärung unterzeichnet haben, den Willen gehabt, in diesen Wohneinheiten eine touristische Vermietung zuzulassen, hätten sie dies auch so ausdrücklich aufgenommen. Der Gerichtshof verkennt hier insbesondere, dass nach dem gesunden Menschenverstand bzw. aus der Sicht eines objektiven Betrachters der Begriff „Wohnzwecke“ im Sinne des Zivilrechts die Kurzzeitvermietung genauso wie die Langzeitvermietung erfasst. Touristen, die eine Wohnung nur für einige Tage nutzen, bewohnen das Apartment.Das Apartment als Solches wird durch die Nutzung durch Touristen nicht in ein Gewerbeobjekt verwandelt. Es dient vielmehr weiterhin reinen Wohnzwecken. Allein der Beherbergungsbetrieb kann ein Gewerbe darstellen.
Es steht außer Frage, dass die allermeisten Urheber der Teilungserklärungen in Portugal nicht die Absicht hatten, die Wohneinheiten aus der AL-Vermietung zu verbannen. Die Teilungserklärungen werden in der Regel durch den Bauträger des Gebäudes unmittelbar nach dessen Fertigstellung beurkundet, die rein gewerbliche Zwecke verfolgen: Ihre Absicht besteht darin, die Apartments zu verkaufen bzw. gewerblich zu vermieten. Hinzu kommt, dass die meisten Käufer von Apartments nicht darauf achten, ob in der Teilungserklärung ein anderer Zweck als der allgemeinübliche „Wohnzweck“ aufgeführt ist; auch habe ich noch nie eine Teilungserklärung mit einem anderen Zweck bei klassischen Wohnungen gesehen;
3. Sollte ein politischer Wille bestehen, die Nutzung von Wohneinheiten und Wohnimmobilien im Allgemeinen zu gewerblichen AL-Zwecken zu beschränken, ist der Gesetzgeber gefragt, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu schaffen. Gerichte müssen sich an das geltende Recht halten. Der Gesetzgeber hat seit dem Inkrafttreten der AL-Regelungen im Jahr 2008 wiederholt die Rechtmäßigkeit der gewerblichen Vermietung aller (legalen) Wohnimmobilien bestätigt. Im Laufe der Jahre wurden ausschließlich einzelne Einschränkungen erlassen, die lauten:
I) Die Mehrheit der Wohnungseigentümer kann wirksam beschließen, dass eine AL-Vermietung in ihrem Gebäude über einen Zeitraum von einem Jahr verboten ist, solange nachgewiesen wird, dass durch die Vermietung an Touristen wiederholt die normale Nutzung des Gebäudes gestört wurde sowie Eigentümer belästigt oder in ihrer Ruhe effektiv gestört wurden;
II) Es wurden maximale Kapazitäten festgelegt, darunter folgende Regelung zu Apartments: Jeder Apartmenteigentümer darf nur dann mehr als neun Einheiten pro Gebäude im Rahmen der AL-Vermietung nutzen, sofern diese Zahl nicht mehr als 75 % der Anzahl der insgesamt existieren Wohneinheiten repräsentiert. Bei der Feststellung, ob die maximale Zahl eingehalten wird, werden Wohnungen, die auf den Namen des Ehegatten, von Abkömmlingen und Verwandten in aufsteigender Linie des Eigentümers eingetragen sind sowie Wohnungen mitberücksichtigt, die auf den Namen von juristischen Personen eingetragen sind, solange es gemeinsame Anteilseigner gibt;
III) Die Einrichtung eines Hostels (diese bestehen in der Regel aus Schlafplätzen in Mehrbettzimmern) in einem Apartment setzt die Zustimmung der Eigentümerversammlung voraus.
Aus diesen Einschränkungen kann eindeutig der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, dass die Nutzung von Apartments im Rahmen einer AL-Vermietung mit der in Teilungserklärungen beschriebenen „Wohnzweck-Nutzung“ vereinbar ist. Art. 1422 Abs. 2 lit. c) des portugiesischen Zivilgesetzbuches muss im Lichte der AL-Vorschriften und der mit diesen Vorschriften verfolgten Absichten des Gesetzgebers ausgelegt werden;
4. Ferner gilt es Folgendes in Erinnerung zu rufen: Mit dem Inkrafttreten der ersten AL-Regelungen im Jahr 2008 hat der Gesetzgeber eine Art Amnestie erlassen: Bereits vor dem Inkrafttreten dieser Regelung haben viele Eigentümer ihre Wohneinheiten illegal an Touristen vermietet. Viele Vermieter führten keine Steuern ab. Außerdem achtete man auf keine Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen. 2008 entschied der Gesetzgeber, dass ab sofort jeder Wohnungseigentümer seine (legale) Immobilie an Touristen vermieten darf, auch wenn es sich weiterhin um eine klassische Wohnung handelt und der Vermieter weiterhin in seiner Wohnung lebt. Als Gegenleistung erwartete der Gesetzgeber von dem Vermieter nur, dass er die anfallenden Steuern ordnungsgemäß abführt, die Wohnung eine bestimmte Ausstattung hat sowie Hygiene- und Sicherheitsvorschriften eingehalten werden;
5. Schließlich ist für einen Laien schwer verständlich, warum er infolge des höchstrichterlichen Urteils zur Aufgabe der gewerblichen Nutzung seines Apartments verpflichtet wird, obwohl die Rechtslage, die der Gerichtshof klarzustellen meint, bereits zum Zeitpunkt der Beantragung seiner Vermietungslizenz bestand. Warum hat die Gemeinde die Lizenz erlassen und das Finanzamt die Anmeldung des Gewerbes sowie die Zahlung der Steuern auf die Mieteinnahmen zugelassen?
Es liegt hier ein Vertrauensbruch im Raum, der nur zum Tragen kommen sollte, wenn es keine Alternative gibt. Die obersten Richter hatten eine Alternative: Sie hätten entscheiden müssen, dass es kein Verbot der kurzzeitigen Vermietung von Apartments auf der Grundlage der aktuellen Rechtslage geben kann und eine mögliche anderslautende Entscheidung dem Gesetzgeber überlassen müssen.
Fazit: Solange die jeweilige Teilungserklärung weiterhin nur von „Wohnzwecken“ spricht und der Gesetzgeber nicht wie oben angeregt tätig wurde, muss ab sofort jeder Apartmenteigentümer damit rechnen, dass er seine Einheit nicht mehr an Touristen vermieten darf. Aber auch hier gilt der Satz „Wo kein Kläger, da kein Richter“. Der Wohnungseigentümer muss vor Gericht ziehen, sollte sein Nachbar sich weigern, das AL einzustellen.