Eigentumserwerb durch Ersitzung – Wie man sich dagegen wehren kann

Eigentumserwerb durch Ersitzung

Der typische Fall einer Ersitzung stellt sich wie folgt dar: Jemand nutzt ein Grundstück über viele Jahre als wäre er sein Eigentümer, jedoch kann er einen Eigentumserwerb durch keinen schriftlichen Erwerbstitel (z. B. Kaufvertrag) beweisen. Das passiert in Portugal sehr häufig. Noch vor nicht so langer Zeit wurden Grundstücke von einer Generation auf die andere und auch außerhalb des Familienkreises per Handschlag übertragen. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau erläutert den Eigentumserwerb durch Ersitzung und wie sich Dritte, deren Eigentumsrecht dadurch verletzt wird, wehren können.

Nehmen wir folgenden Fall an: Manuel arbeitete für ein Unternehmen, das Eigentümer eines Grundstückes in Lagos war. Im Jahre 2007 wurde das Unternehmen zahlungsunfähig. Da Manuel eine höhere Gehaltsforderung gegen das Unternehmen hatte, entschied es im Juni 2007, dass Manuel das Grundstück als Ausgleich erhält. Ein formaler Vertrag über die Übertragung des Grundstückes wurde nicht abgeschlossen. Bis heute ist das Grundstück grundbuchrechtlich nicht erfasst. Erfasst ist das Grundstück nur beim Finanzamt noch auf dem Namen des Unternehmens (sog. Steuerauszug). Seit 2007 nutzt Manuel das Grundstück öffentlich – wie es ein Eigentümer tut – indem er es u. a. pflegt. Bis heute wurde er nicht an der Nutzung gestört. Hier stellen sich zwei Fragen:

1) Wie kann sich Manuel formal als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch und im Steuerregister eintragen? Nehmen wir an, das Unternehmen hatte das Grundstück wirksam per notariellen Kaufvertrag bereits im Jahre 2001 an António verkauft, ohne dass Manuel das wusste. Manuel hat das Grundstück bereits an einen Dritterwerber verkauft.

2) Wie kann sich António gegen den Eigentumserwerb durch Manuel und den Dritterwerber wehren?

Beginnen wir mit der Antwort auf die erste Frage.
Manuel kann sich darauf berufen, das Eigentum am Grundstück durch Ersitzung erworben zu haben. Die Ersitzung setzt voraus, dass Manuel einen für jedermann sichtbaren und ungestörten Besitz über das Grundstück über einen bestimmten Zeitraum ausgeübt hat. Der Besitz setzt ein Näheverhältnis zu dem Grundstück voraus. Der Besitzer übt die „tatsächliche Gewalt über die Sache“ (corpus) aus. Außerdem muss der Besitzer Besitzwillen über die Sache ausüben (animus possidendi).Kein Besitzer i.S.d. Gesetzes ist, wer ein Grundstück für jemand anders nutzt, etwa der Pächter. Beide genannte Voraussetzungen liegen im genannten Beispiel vor. Die Mindestdauer der Ausübung des Besitzes für den Erwerb des Eigentums durch Ersitzung hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Im vorliegenden Fall ist nur relevant, ob Manuel den Besitz über das Grundstück gutgläubig oder bösgläubig ausübte. Da Manuel gutgläubig davon ausging, dass er durch die Ausübung seines Besitzes nicht das Recht eines Drittens verletzte, beträgt die Frist für die Ersitzung 15 Jahre (2022-2007 = 15). Hätte Manuel von Anfang an gewusst, dass António das Grundstücks im Jahre 2001 erworben hat, würde die Frist der Ersitzung 20 Jahre betragen, d. h. Manuel müsste noch 5 Jahre warten.

Der einfachste Weg für Manuel, um sein Eigentumserwerb durch Ersitzung durch eine Urkunde nachzuweisen, die als Grundlage für die Eintragung seines Eigentums im Grundbuch und Steuerregister dient, besteht in der Beurkundung einer sog. notariellen Ersitzungserklärung.

Diese Erklärung muss folgenden Inhalt aufweisen:

i) Erste Partei ist Manuel;
ii) Zweite Parteien sind drei Personen, die den Wahrheitsgehalt der Behauptungen von Manuel bestätigen;
iii) Manuel erklärt, dass er Eigentümer und rechtmäßiger Besitzer des Grundstückes ist, das in der Urkunde näher identifiziert wird (unter Angabe, dass das Grundstück bisher nicht grundbuchrechtlich erfasst ist);
iv) Manuel erläutert, wie er an den Besitz des Grundstücks gekommen ist (mündlicher Erwerb von dem Unternehmen im Jahre 2007);
v) Manuel sagt aus, dass er seit über mehr als 20 Jahren das Grundstück gepflegt hat, indem er es gesäubert und bepflanzt hat und er diesen Besitz öffentlich, d. h. für jedermann erkennbar, im guten Glauben seines Rechts, ohne daran durch Dritte gestört zu werden, ausgeübt hat.

Mit der Ersitzungserklärung wird vom Notariat eine Bescheinigung des Grundbuchamtes archiviert, woraus hervorgeht, dass das Grundstück bisher nicht grundbuchrechtlich erfasst ist. Wichtig ist, dass nach (meiner Meinung nach falscher) Auffassung des Register- und Notarverbandes die Vorlage einer baurechtlichen Nutzungsbescheinigung zwingend für Gültigkeit der Ersitzungsurkunde ist, sollte sich auf dem Grundstück ein Gebäude befinden.

Darauf hinzuweisen ist ferner, dass weder Manuel noch seine drei „Zeugen“ strafrechtlich wegen Falschaussage belangt werden können, sollten ihre Behauptungen in der notariellen Ersitzungserklärung unwahr sein. Die vormals im Gesetz vorgesehene Strafbarkeit wurde 2015 nämlich für verfassungswidrig erklärt.

Ich habe das Gefühl, dass deshalb die Anzahl der Falschbeurkundungen gestiegen ist. Die Ersitzungserklärung wird leider regelmäßig von Gaunern genutzt, um Grundstücke, die in Wahrheit jemand anders gehören, an Dritte lukrativ zu verkaufen.

Die Ersitzungserklärung ist innerhalb von fünf Tagen nach ihrer Beurkundung in einer örtlichen Zeitung zu veröffentlichen, die in der Gemeinde, in der sich das Grundstück befindet, am meisten gelesen wird. Erst nach dem Ablauf von 30 Tagen seit der Veröffentlichung in der Zeitung darf das Notariat eine beglaubigte Abschrift der Ersitzungserklärung ausstellen. Erst mit einer beglaubigten Abschrift kann Manuel in unserem Beispiel die Eintragung seines Eigentums im Grundbuch veranlassen.

Sollte das Notariat innerhalb der genannten 30 Tage von einer gerichtlichen Anfechtung der Ersitzungserklärung durch einen Dritten, der behauptet, der wahre Eigentümer des Grundstücks zu sein, Kenntnis erhalten, so muss zunächst die Klage in der Urkunde notiert werden, bevor eine Abschrift ausgestellt werden darf. Die Anhängigkeit der Klage wird außerdem im Grundbuch eingetragen.

Im Rahmen der Klage obliegt es laut gefestigter Rechtsprechung Manuel den Nachweis zu erbringen, dass er tatsächlich das Eigentum am Grundstück durch Ersitzung erworben hat. Manuel trifft damit die Beweislast seines Eigentumserwerbes. Diese Last trifft ihn auch dann, wenn er bereits im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Dies wurde in einem rechtsvereinheitlichenden Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahre 2007 entschieden. Aus meiner Sicht ist das Urteil verfehlt, da das Grundbuch einen öffentlichen Glauben über dessen Richtigkeit erzeugt und nach der Grundbucheintragung dem Kläger die Beweislast treffen müsste, dass der Beklagte kein Eigentum durch Ersitzung erworben hat.

Nach dem Ablauf der besagten 30 Tage kann sich Manuel als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eintragen. Wie im Beispiel genannt, hat Manuel das Grundstück sodann an einen Dritterwerber verkauft. Logische Folge dieser 30-Tages-Regelung wäre, dass der Eigentumserwerb durch Ersitzung zu Gunsten von Manuel oder zumindest der Erwerb des Eigentums zu Gunsten des Dritterwerbers, der gutgläubig darauf vertraut hat, dass Manuel Eigentümer des Grundstücks war, nicht mehr angefochten werden kann. Leider sieht der Oberste Gerichtshof das in seinem rechtsvereinheitlichenden Urteil aus 2007 anders.

António, der sich durch Manuels Ersitzungserklärung in seinem Eigentumsrecht verletzt sieht, kann jederzeit Klage auf Nichtigkeitserklärung des Eigentumserwerbs durch Manuel und durch den gutgläubigen Dritterwerber erheben. Sowohl Manuel als auch der Dritterwerber sind Beklagte im Verfahren. Kann Manuel im Gerichtsverfahren nicht beweisen, dass die Voraussetzungen für den Erwerb des Eigentums durch Ersitzung zu seinen Gunsten vorlagen, und kann António seinen Eigentumserwerb durch den Kaufvertrag aus dem Jahre 2007 nachweisen, so wird António als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Da Manuel in diesem Falle zu keinem Zeitpunkt Eigentümer des Grundstücks war, wird auch der Eigentumseintrag zu Gunsten des Dritterwerbers laut Rechtsprechung hinfällig. Der Dritterwerber kann sich nur an Manuel wenden, der ihm den erhaltenen Kaufpreis zu erstatten hat. Erstattet Manuel den Kaufpreis nicht freiwillig, muss er vom Dritterwerber verklagt werden. Das Risiko einer erfolgreichen Vollstreckung der Forderung gegen Manuel trägt sodann der gutgläubige Dritterwerber.

Die Anträge von António lauten somit:

i) Erklärung der Nichtigkeit der Urkunde über die notarielle Ersitzungserklärung (die Manuel unter Beteiligung seiner drei „Zeugen“ notariell beurkunden ließ);
ii) Erklärung der Nichtigkeit des Kaufvertrages über das Grundstück zwischen Manuel und dem Dritterwerber;
iii) Erklärung der Nichtigkeit und demzufolge Löschung der Eintragung im Grundbuch des Eigentumserwerbs durch Manuel (Ersitzung) und der Eintragung des Eigentumserwerbs durch den Drittwerber (Kauf);
iv) Erklärung des Eigentumserwerbes durch António (Kauf im Jahre 2001; ggfls. subsidiär und rein vorsorglich Erwerb durch Ersitzung durch António, sollten diese Voraussetzungen vorliegen);
v) Verurteilung der Beklagten, das Eigentumsrecht von António anzuerkennen, keine Handlungen am Grundstück vorzunehmen, die sein Eigentumsrecht tangieren könnten und das Grundstück António frei von Gegenständen und Personen herauszugeben.

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