Der portugiesische Kaufvorvertrag über eine Immobilie entspricht funktionell dem deutschen Grundstückskaufvertrag. Mit Abschluss eines Vorvertrages wird regelmäßig eine Anzahlung auf den Kaufpreis erbracht, die gleichzeitig als sog. Reugeld (sinal) fungiert. Was passiert bei Vertragsbruch durch eine der Vertragsparteien? Der Rechtsexperte, Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau, gibt darauf eine Antwort.
Durch einen Kaufvorvertrag über eine Immobilie (contrato de promessa de compra e venda sobre um bem imóvel) wird die Verpflichtung begründet, einen weiteren Vertrag, den Hauptvertrag (Kaufendvertrag), zu schließen. Der portugiesische Vorvertrag und der deutsche Kaufvertrag nehmen bei der Abwicklung eines Grundstückskaufes dieselbe vorrangige Stellung ein. In Portugal wird oft ein Vorvertrag abgeschlossen, bevor der Hauptvertrag beurkundet wird.
Regelmäßig wird bei dem Abschluss eines Vorvertrages eine Anzahlung auf den Kaufpreis durch den Käufer erbracht.
Nehmen wir folgendes Beispiel an: Anton beabsichtigt den Kauf des Apartments von António für € 300.000. Mit Abschluss des Vorvertrages zahlt Anton € 30.000 als Kaufpreisanzahlung und gleichzeitig Reugeld (sinal) an. Beim Vorvertrag wird vermutet, dass jeder vom Vorvertragskäufer geleistete Betrag als Reugeld anzusehen ist. Dieses Reugeld stellt gleichzeitig eine Anzahlung auf den Kaufpreis dar, da diese Teilzahlung auf den Kaufpreis angerechnet wird.
Bei schuldhafter Nichterfüllung des Kaufvorvertrages durch den Käufer fällt der als sinal geforderte Betrag bei Nichtabschluss des endgültigen Vertrages an den Verkäufer. Ein bloßer Verzug genügt dafür allerdings nicht, wie noch zu sehen sein wird. Hat im umgekehrten Fall der Verkäufer schuldhaft nicht erfüllt, hat der Käufer einen Anspruch in doppelter Höhe der Anzahlung gegen ihn.
Der dritte Fall, dass beide Vertragspartner zu gleichen Teilen die Nichterfüllung des Vorvertrages verschulden, ist nicht gesetzlich geregelt. Der portugiesische Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass nur der geleistete Betrag dem Käufer zurückgewährt werden muss, da beide Parteien gegenseitig Schadensersatzansprüche geltend machen können. Diese Ansprüche könnten auch im Wege der Aufrechnung erlöschen.
Das Gesetz regelt den Sonderfall, dass die Immobilie dem Käufer bereits übergeben wurde. Dann besteht ein Anspruch auf Ersatz der Wertsteigerung der übergebenen Immobilie, welche sich aus der Differenz des Wertes der Immobilie zum Zeitpunkt der Nichterfüllung und dem vereinbarten Preis ergibt. Dabei muss das Reugeld an den Verkäufer zurückgewährt werden. Hat im o. g. Beispiel António die Immobilie Anton übergeben und hatte die Immobilie zum Zeitpunkt der Nichterfüllung des Vorvertrages durch António einen Wert von € 320.000, kann Anton von António € 50.000 fordern. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Wertzuwachs der Immobilie (€ 20.000) und dem Reugeld (€ 30.000). Wurde die Immobilie übergeben, kann der Käufer im Falle der Nichterfüllung durch den Verkäufer diesem gegenüber außerdem ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Dieses Recht wird auch als Einrede der Nichterfüllung des Vorvertrages bezeichnet. Steuerlich zu beachten ist, dass im Falle der Übergabe einer Immobilie im Rahmen eines abgeschlossenen Vorvertrages bereits Grunderwerbsteuer fällig wird.
Sehr wichtig ist, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die nicht säumige Vertragspartei grundsätzlich nur dann sich vom Vorvertrag lösen und die o. g. Ansprüche geltend machen kann, wenn nicht nur Verzug, sondern eine endgültige Nichterfüllung des Vorvertrages durch die andere Vertragspartei vorliegt. Nur ausnahmsweise, wenn aus dem Vorvertrag und den sonstigen Umständen klar und deutlich hervorgeht, dass die Vertragsparteien der vereinbarten Frist für den Abschluss des Hauptvertrages eine wesentliche und absolute Bedeutung zumessen wollten, kann mit dem bloßen Fristablauf eine endgültige und schuldhafte Nichterfüllung vorliegen. In der Praxis muss der säumigen Partei deshalb regelmäßig eine zusätzliche Frist per Einschreiben mit Rückschein für die Erfüllung gesetzt werden, nach deren Ablauf die nicht säumige Partei kein Interesse mehr an der Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses hat.
Liegt keine anderslautende Vereinbarung vor, kann der vertragstreue Teil bei der Nichterfüllung des Vorvertrages und nach Leistung eines Reugeldes nur den genau fixierten Anspruch aus der Reugeldvereinbarung geltend machen. Die Vorschrift ist von dem Gedanken geleitet, dass das sinal als eine vorgezogene Fixierung des Schadenersatzes für den Fall der Nichterfüllung anzusehen ist. Der Anspruch des Käufers auf Zahlung der doppelten Summe der Anzahlung und – im umgekehrten Fall – der Anspruch des Verkäufers, die erhaltene Anzahlung zu behalten, können somit als vereinbarte pauschale Schadensersatzansprüche bezeichnet werden.
Der Ausschluss weiterer Ansprüche bezieht sich nur auf die Schadensersatzansprüche, die sich aus der Nichterfüllung des Vorvertrages selbst ergeben. Gerät der vertragsbrüchige Teil z. B. bei der Rückerstattung des sinal in Verzug, ergeben sich darüber hinaus geltende Schadensersatzansprüche. In der anwaltlichen Beratung ist wichtig, dass die Vertragsparteien im Vorvertrag vereinbaren können, dass über das sinal hinausgehende Ansprüche geltend gemacht werden können. Das sinal stellt lediglich den Mindestbetrag für den Schadensersatzanspruch dar.
Käufer unterliegen wiederholt dem Irrtum, dass sie im Falle der Nichterfüllung des Vorvertrages maximal das Risiko eingehen, den geleisteten sinal (die Anzahlung auf den Kaufpreis) zu verlieren und sich der Vorvertrag aufgelöst. Dabei wird übersehen, dass im Vorvertrag standardmäßig die besondere Vollstreckung des Vertrages gem. Art. 830 Código Civil vereinbart wird. Außerdem können die Parteien laut Gesetz diese besondere Vollstreckung beim Kaufvorvertrag über eine Immobilie, die ein fertiges oder noch fertig zu stellendes Gebäude im Gegenstand hat, nicht vertraglich ausschließen.
Gemäß dieser besonderen Vollstreckung kann die nicht säumige Partei die vertragsbrüchige Partei auf Abschluss des Hauptvertrages (Kaufendvertrages) gerichtlich verklagen und ihren Anspruch in diesem besonderen Verfahren durchsetzen. Der Richter kann dabei die Willenserklärung der vertragsbrüchigen Partei ersetzen.
Dieses Urteil entspricht sodann einem Erwerbstitel, als hätten die Vertragsparteien einen gültigen notariellen Kaufendvertrag über die Immobilie abgeschlossen. Das ist insofern ein Sonderfall als das portugiesische Recht im Gegensatz zum deutschen die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Handlungen durch Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung nicht kennt. Wurde im o. g. Beispielsfall eine Frist bis zum 31.1.2023 für den Abschluss des Kaufendvertrages vereinbart und hält Anton diese Frist schuldhaft nicht ein, etwa weil er das Interesse an der Immobilie verloren hat, kann António auf Erfüllung klagen, anstatt das geleistete sinal i. H. v. € 30.000 als pauschalen -Schadensersatz zu behalten.
Relevant in der Praxis ist, dass dieser besondere Anspruch auf zwanghafte Durchsetzung des Vorvertrages dem Käufer bei einem sog. Doppelverkauf durch den Verkäufer der Immobilie nichts nützt.
Nehmen wir an, im oben genannten Beispiel hat António das Apartment nach Abschluss des Vorvertrages mit Anton an Maria verkauft. In diesem Falle kann das Gericht kein besonderes Vollstreckungsverfahren durchführen. Die Willenserklärung von António kann nicht ersetzt werden und somit auch nicht das Eigentum auf Anton übertragen werden, da das Eigentum Maria zusteht. Da Maria die Immobilie wirksam erworben hat und Anton nur einen schuldrechtlichen Vorvertrag über den Kauf mit António abgeschlossen hatte, geht der Rechtserwerb durch Maria dem reinen schuldrechtlichen Anspruch von Anton aus dem Vorvertrag vor. Anton hat nur einen Anspruch gegen António auf Zahlung von Schadensersatz.
Ein Käufer kann dieses Risiko grundsätzlich nur durch den Abschluss eines sog. dinglichen Kaufvorvertrages ausschließen, der im Grundbuch eingetragen wird und ähnlich wie eine Auflassungsvormerkung deutschen Rechts wirkt. Letzteres geschieht in der Praxis aufgrund fehlender oder mangelhafter Beratung nur selten.