Der Rechtsanwalt in Portugal – Fragen und Antworten – Teil 1

Der Rechtsanwalt in Portugal

Der portugiesische Rechtsanwalt (Advogado) ist kein bloßer Gehilfe der Justiz, sondern ein wesentlicher und unabdingbarer Bestandteil der Rechtspflege. Die in Portugal rund 33.000 zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unterliegen einem strengen Berufsrecht. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau, der als erster deutscher Rechtsanwalt im Jahre 2011 als Advogado zugelassen wurde, beantwortet häufige Fragen.

1. Was ist der Unterschied zwischen einem advogado und einem solicitador?

Die portugiesische Rechtsordnung kennt mit dem solicitador ein weiteres Berufsbild, das im weitesten Sinne zu den Anwaltsberufen gezählt werden kann. Ein solicitador ist aber kein Rechtsanwalt; er ist z. B. nicht vor Gerichten zugelassen.
Er übt nach deutschem Verständnis vornehmlich Tätigkeiten in dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Zwangsvollstreckung aus.

In Portugal sind rund 4.000 solicitadores zugelassen. Die meisten haben ein Jura ähnliches Studium absolviert. Vor allem Personen aus dem englischsprachigen Rechtskreis unterliegen wiederholt dem Irrtum, dass es sich um Rechtsanwälte handelt (solicitador ist zu verwechseln ähnlich mit dem englischen Begriff Solicitor – d. h. dem klassischen Rechtsanwalt in den Commonwealth-Staaten neben dem Barrister).

2. Welche Aufgaben darf nur der advogado erledigen?

Grundsätzlich darf nur der advogado Parteien vor Gericht vertreten, Mandanten rechtlich beraten, Verträge aufsetzen, geschäftliche Transaktionen vor Notaren und Registerämter vorbereiten, Kreditsachen verhandeln, Mandanten in Verwaltungs- und Steuerangelegenheiten sowie vor öffentlichen Stellen vertreten. Darüber hinaus sind Rechtsanwälte – anders als in Deutschland – zur öffentlichen Beurkundung und Beglaubigung von Dokumenten befugt. Wer in Portugal unbefugt Rechtsanwaltstätigkeiten nachgeht, macht sich strafbar. Art. 7 des Gesetzes 49/2004 sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor. In Deutschland ist die unbefugte Ausübung von Rechtsberatung nur eine Ordnungswidrigkeit.

Obwohl das portugiesische Recht einen Straftatbestand vorsieht, ist illegale Rechtsberatung leider weit verbreitet. So machen sich z. B. viele Immobilienmakler strafbar, indem sie Verträge, insbesondere Kaufvorverträge, erstellen. Darauf hinzuweisen ist, dass ein Immobilienmakler auch dann keinen Vertragsentwurf erstellen darf, wenn er einen Rechtsanwalt damit beauftragt. Nur die Rechtsanwälte der Parteien, die am Geschäft beteiligt sind, dürfen die Vertragsgestaltung vornehmen.

3. In welchen Situationen besteht die Pflicht einen Rechtsanwalt zu beauftragen?

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes ist in Portugal obligatorisch in rechtsmittelfähigen Rechtssachen mit einem Streitwert von über € 5.000, in Rechtsmittelsachen oder Verfahren vor den höheren Zivilgerichten und schließlich in Sachen, in denen Rechtsmittel unabhängig von der Streitwerthöhe stets zulässig sind. Stets zulässig sind Rechtsmittel bei Mietsachen und arbeitsrechtlichen Streitigkeiten sowie gegen Entscheidungen zur Streitwertfestsetzung, gegen Entscheidungen, die im Widerspruch zu gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ergangen sind sowie gegen Entscheidungen eines zweit­instanzlichen Gerichts, welche im Widerspruch zu Entscheidungen desselben Gerichts oder eines anderen Berufungsgerichts bzgl. einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stehen.

Außerdem gibt es Fälle einer notwendigen Verteidigung, insbesondere in Strafsachen. Eine notwendige Verteidigung besteht in Haftsachen in allen Verfahren, die in der Hauptverhandlung verhandelt werden. Auch hat der sog. Nebenkläger stets einen Verteidiger zu haben. Auch der Beschuldigte muss stets einen Verteidiger haben, wenn er als Angeklagter verhört wird.

4. Wie wird man advogado in Portugal?

Für die Zulassung ist ein portugiesischer rechtswissenschaftlicher Hochschulabschluss oder ein anerkannter Abschluss einer ausländischen Hochschule erforderlich. Außerdem muss eine praktische Berufszeit von 18 Monaten unter Aufsicht der portugiesischen Anwaltskammer mit anschließender Abschlussprüfung absolviert werden.

Rechtsanwälte aus Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der EU sind, können unter strengen Voraussetzungen dem Berufstitel advogado erwerben. Besonderheiten existieren bei brasilianischen Rechtsanwälten.

Rechtsanwälte aus einem EU-Staat können hingegen seit 2015 unter einfachen Voraussetzungen den portugiesischen Anwaltstitel erwerben. Vor 2015 musste der ausländische EU-Rechts­anwalt eine Eignungsprüfung bestehen oder zumindest nachweisen, dass er seit drei Jahren in Portugal beratend tätig war. Es verwundert sehr, dass der portugiesische Gesetzgeber nunmehr auf jegliche Art von Eignungsprüfung verzichtet. Dieser Verzicht führte dazu, dass es in Portugal Berufsträger geben kann, die zwar den Titel advogado führen, aber weder der portugiesischen Sprache mächtig sind noch sich im portugiesischen Recht auskennen. Insofern sollte sich der potentielle Mandant darüber erkundigen, welche Kenntnisse der ­advogado hat und sich nicht durch den Berufstitel blenden lassen.

5. Hat der advogado eine Berufshaftpflichtversicherung?

Ja. Der portugiesische advogado ist angehalten eine Berufshaftpflichtversicherung über eine Mindestversicherungssumme von € 250.000 je Versicherungsfall zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen.
Der advogado kann seine Haftung auf Vorsatz beschränken. Dafür hat er in seinem Schriftverkehr den Zusatz „mit beschränkter Haftung“ aufzunehmen.

6. Welche sind die Grundbedingungen anwaltliche Tätigkeit?

Zu den Grundbedingungen anwaltlicher ­Tätigkeit gehören:
i) das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Rechtsanwalt; ii) die Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Rechtschaffenheit und Ehrbarkeit des Rechtsanwaltes; iii) die fachliche Unabhängigkeit bei der Ausübung seiner Tätigkeit; iv) das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen; und v) das Verbot der Ausübung von Tätigkeiten, die mit dem Anwaltsberuf unvereinbar sind. Unvereinbar mit der Rechtsanwaltstätigkeit sind u. a. Aufgaben bzw. Funktionen als Beamter bzw. Angestellter des öffentlichen Dienstes, Verwaltungsmitarbeiter, Richter oder sonstiger Mitarbeiter des Gerichts, Notar oder Registerangestellter (Grundbuchamt, Standesamt etc.), Armeemitglied, Wirtschaftsprüfer, zertifizierter Buchhalter, Insolvenzverwalter und Immobilienmakler.

Kritikwürdig ist, dass Rechtsanwälte nicht nur keine Wirtschaftsprüfer oder zertifizierte Buchhalter sein dürfen, sondern auch ein Verbot besteht, Kanzleiräume mit diesen beiden Berufsträgern zu teilen. Das deutsche Recht kennt ein solches Verbot nicht. Dieses Verbot führt dazu, dass Rechtsanwälte in Portugal im internationalen Wettbewerb ohne erkennbaren Grund benachteiligt werden. Auf Unverständnis stößt auch das Verbot multidisziplinäre Sozietäten zu gründen. Es ist Rechtsanwälten in Portugal untersagt, direkt oder indirekt ihren Beruf innerhalb einer Berufsausübungsgesellschaft oder sonstigen Vereinigung gemeinsam mit Angehörigen anderer Berufsgruppen auszuüben. Davon ausgenommen ist nur der portugiesische solicitador.

7. Was versteht man unter anwaltlicher Verschwiegenheitspflicht?

Der advogado ist verpflichtet, hinsichtlich aller Tatsachen, die ihm in Ausübung seiner Tätigkeit bzw. aufgrund seiner Berufsausübung bekannt werden, Verschwiegenheit zu wahren. Darunter fallen auch solche Tatsachen, die dem Rechtsanwalt durch die Gegenseite, im Rahmen von Einigungs- oder Vergleichsverhandlungen oder in geplatzten Geschäftsverhandlungen bekannt werden. Auch unterliegt die schriftliche Kommunikation mit anderen Rechtsanwälten der Vertraulichkeitspflicht.

Räumlichkeiten des Rechtsanwaltes genießen einen Sonderstatus im Hinblick auf kriminalistische Überwachungs- oder Ermittlungsmaßnahmen und die Korrespondenz des Rechtsanwaltes einen besonderen Schutz vor Sicherstellungen. Die Verletzung des Berufsgeheimnisses steht unter Strafe (Art. 195 des portugiesischen Strafgesetzbuches). Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwaltes erstreckt sich auf seine Mitarbeiter und sonstigen beschäftigten Personen.

Mit der Verschwiegenheitspflicht korrespondiert das Schweigerecht des Rechtsanwaltes. Die portugiesische Berufsordnung sieht allein die Entbindung von der Schweigepflicht durch die Anwaltskammer auf Antrag des Rechtsanwaltes vor (Art. 92 Abs. 4 der Berufsordnung). Der Mandant allein kann den Rechtsanwalt in der Regel nicht von der Schweigepflicht entbinden.

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