Im Mai 2023 wurde das neue Gesetz über die aktive Sterbehilfe im portugiesischen Staatsanzeiger veröffentlicht. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau erläutert den neuen Vorschriften.
Es steht aber noch nicht fest, wann das Gesetz in Kraft treten wird. Das Gesetz tritt nämlich innerhalb von 30 Tagen nach der Veröffentlichung der Durchführungsbestimmungen in Kraft. Die sozialistische Regierung unter Premierminister António Costa arbeitet noch an diesen Durchführungsbestimmungen. Dieser Artikel wurde am 22. Oktober 2023 verfasst. Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis die Durchführungsbestimmungen in Kraft treten.
Anders als in Portugal gibt es in Deutschland noch keinen Gesetzesrahmen für die aktive Sterbehilfe. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2020 entschieden, dass ein striktes Verbot der aktiven Sterbehilfe verfassungswidrig ist, jedoch gibt es noch keinen Gesetzesrahmen. Ohne eine Gesetzesrahmen bewegen sich Ärzte und sonstige Personen, die aktive Sterbehilfe leisten, in einer Grauzone und riskieren strafrechtlich belangt zu werden.
Das neue Gesetz regelt die Bedingungen, unter denen die ärztlich assistierte Tötung nicht strafbar ist.
Für das Verständnis der neuen Regelungen über die aktive Sterbehilfe in Portugal ist die Erläuterung der wichtigsten Begriffe von Bedeutung. Die wichtigsten Begriffe lauten:
„Ärztlich assistierter Tod“ ist der Tod, der durch eigene Entscheidung der Person in Ausübung ihres Grundrechts auf Selbstbestimmung und freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit eintritt, wenn er von Angehörigen der Gesundheitsberufe durchgeführt oder unterstützt wird;
„Ärztlich assistierter Suizid“ ist die Selbstverabreichung von tödlichen Medikamenten durch den Patienten selbst unter ärztlicher Aufsicht;
„Euthanasie“: die Verabreichung tödlicher Medikamente durch einen dazu ordnungsgemäß befugten Arzt oder Angehörige der Gesundheitsberufe;
„Schwere und unheilbare Krankheit“: eine lebensbedrohliche Krankheit in einem fortgeschrittenen und fortschreitenden Stadium, die unheilbar und unumkehrbar ist und schweres Leiden verursacht;
„Schwere dauerhafte Schädigung“ ist eine schwere und dauerhafte Schädigung, die die Person in eine Situation bringt, in der sie auf einen Dritten oder auf technische Unterstützung angewiesen ist, um die grundlegenden Aktivitäten des täglichen Lebens ausführen zu können, und bei der mit Sicherheit oder sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass diese Einschränkungen auf Dauer bestehen bleiben, ohne dass die Möglichkeit einer Heilung oder wesentlichen Verbesserung besteht;
„Schweres Leiden“ ist ein Leiden, das auf eine schwere und unheilbare Krankheit oder eine dauerhafte Schädigung von extremer Schwere zurückzuführen ist, die von großer Intensität, anhaltend, kontinuierlich oder dauerhaft ist und von der Person selbst als unerträglich angesehen wird;
„Leitender Arzt“: der vom Patienten benannte Arzt, der für die Koordinierung aller Informationen und der Unterstützung des Patienten verantwortlich ist und der Hauptansprechpartner des Patienten während des gesamten Betreuungsprozesses ist;
„Facharzt“: ein Arzt, der auf die den Patienten betreffende Pathologie spezialisiert ist und nicht demselben Team angehört wie der betreuende Arzt.
Eine nicht strafbare ärztlich assistierte Tötung ist eine Tötung, die durch die Entscheidung der volljährigen Person selbst erfolgt, deren Wille aktuell und wiederholt, ernsthaft, frei und informiert ist, in einer Situation großen Leidens, mit einer endgültigen Verletzung von extremer Schwere oder einer schweren und unheilbaren Krankheit, wenn sie von Angehörigen der Gesundheitsberufe durchgeführt oder unterstützt wird.
Nur solche Personen können einen Antrag auf eine assistierte Tötung stellen, die die portugiesische Staatsbürgerschaft besitzen oder in Portugal einen rechtmäßigen Wohnsitz haben. Für EU-Bürger, wie deutsche Staatsbürger, aber auch Schweizer, kann dies maximal bedeuten, dass die Meldebescheinigung (CRUE), welche von der jeweiligen Gemeinde ausgestellt wird, vorliegen muss.
Die ärztlich assistierte Sterbebegleitung erfolgt nach dem Willen und der Entscheidung der Person selbst, die sich in einer der folgenden Situationen befindet: a) Dauerhafte, schwerwiegende Verletzung; b) Schwere und unheilbare Krankheit.
Der ärztlich assistierte Tod kann erfolgen durch: a) Ärztlich assistierten Suizid oder b) Euthanasie.
Der medizinisch assistierte Tod kann nur dann durch Euthanasie erfolgen, wenn ein medizinisch assistierter Selbstmord aufgrund des körperlichen Unvermögens des Patienten unmöglich ist, die Euthanasie gilt somit subsidiär.
Der Antrag auf Eröffnung des klinischen Verfahrens für die ärztlich assistierte Tötung wird von einer Person in einem schriftlichen Dokument gestellt. Der Antrag wird an den Arzt gerichtet, den der Patient als beratenden Arzt ausgewählt hat. Der beratende Arzt muss Zugang zur Krankengeschichte des Patienten haben. Die ärztlich assistierte Tötung kann grundsätzlich erst nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach dem Antrag auf Einleitung des Verfahrens durchgeführt werden. Während des gesamten Verfahrens wird dem Patienten der Zugang zu einer Beratung durch einen Facharzt für klinische Psychologie garantiert.
Der Patient hat innerhalb von 10 Arbeitstagen nach Beginn des Verfahrens Zugang zu einer Beratung durch einen Facharzt für klinische Psychologie, deren Bestellung in der Verantwortung des betreuenden Arztes liegt, um ein umfassendes Verständnis seiner Entscheidungen in Bezug auf sich selbst und seine Umgebung zu gewährleisten, aber auch um die Beziehungen und die Kommunikation zwischen dem Patienten und seiner Familie sowie zwischen dem Patienten und den ihn begleitenden Angehörigen der Gesundheitsberufe zu klären, um die Möglichkeit einer unzulässigen Beeinflussung der Entscheidung zu minimieren. Die Begleitung durch einen Facharzt für klinische Psychologie ist obligatorisch, es sei denn, der Patient lehnt sie ausdrücklich ab.
Innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Eröffnung des Verfahrens gibt der beratende Arzt eine begründete Stellungnahme darüber ab, ob der Patient alle Voraussetzungen erfüllt. Die Entscheidung des Patienten muss schriftlich festgehalten, datiert und vom Patienten unterzeichnet werden. Spricht sich der beratende Arzt gegen die ärztlich assistierte Tötung des Patienten aus, wird das laufende Verfahren abgebrochen und abgeschlossen, und der Patient wird vom beratenden Arzt über diese Entscheidung und die Gründe dafür informiert; das Verfahren kann dann mit einem neuen Eröffnungsantrag wieder aufgenommen werden.
Nach einer befürwortenden Stellungnahme des leitenden Arztes konsultiert dieser einen anderen Arzt, der auf die den Patienten betreffende Pathologie spezialisiert ist und dessen Stellungnahme das Vorliegen der Voraussetzungen, die Diagnose und die Prognose des klinischen Zustands sowie den schweren und unheilbaren Charakter der Krankheit oder den endgültigen und äußerst schweren Zustand der Verletzung bestätigt oder nicht.
Fällt das Gutachten des Facharztes gegen die ärztlich assistierte Tötung des Patienten aus, wird das laufende Verfahren abgebrochen und abgeschlossen und der Patient wird vom betreuenden Arzt über diese Entscheidung und ihre Gründe informiert; das Verfahren kann dann mit einem neuen Eröffnungsantrag wieder aufgenommen werden.
Im Falle eines positiven Gutachtens des Facharztes informiert der betreuende Arzt den Patienten über den Inhalt dieses Gutachtens und prüft erneut, ob der Patient seine Wünsche aufrechterhält und bekräftigt. Die Entscheidung des Patienten muss schriftlich festgehalten, datiert und vom Patienten unterzeichnet werden.
Das Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie ist obligatorisch, wenn eine der folgenden Situationen vorliegt: a) Der beratende Arzt und/oder der Facharzt haben Zweifel an der Fähigkeit der Person, um wirksam medizinisch unterstützte Sterbehilfe zu bitten – gefordert wird eine ein ernsthafter, freier und informierter Wille des Patienten; b) Der beratende Arzt oder der Facharzt räumt ein, dass die Person eine psychische Störung oder ein medizinisches Leiden hat, das ihre Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt.
Bestätigt der Facharzt für Psychiatrie eine der im vorigen Absatz genannten Situationen, wird das laufende Verfahren abgebrochen und der Patient wird über diese Entscheidung und die Gründe dafür informiert; das Verfahren kann dann mit einem neuen Antrag auf Eröffnung wieder aufgenommen werden.
Im Falle eines positiven Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie muss dieser in Begleitung des betreuenden Arztes den Patienten über den Inhalt des Gutachtens informieren und sich anschließend vergewissern, dass der Patient seinen Willen beibehält und bekräftigt; die bewusste und ausdrückliche Entscheidung des Patienten muss in einem schriftlichen Dokument festgehalten werden, das vom Patienten selbst unterzeichnet wird.
In den Fällen, in denen eine positive Stellungnahme vorgelegt wird, sendet der betreuende Arzt nach der erneuten Bestätigung des Patientenwillens eine Kopie der Akte der sogenannten Prüfungs- und Bewertungskommission für klinische Verfahren der ärztlichen Sterbehilfe und bittet um eine Stellungnahme zur Einhaltung der Anforderungen und der vorangegangenen Phasen des Verfahrens, die innerhalb von fünf Werktagen erstellt wird.
Wenn die Kommission Zweifel daran hat, ob die Voraussetzungen für die ärztlich assistierte Tötung erfüllt sind, muss sie die an dem Verfahren beteiligten Ärzte zur Stellungnahme vorladen und kann außerdem zusätzliche Unterlagen anfordern, die sie für erforderlich hält.
Im Falle einer ablehnenden Stellungnahme der Kommission wird das laufende Verfahren abgebrochen und kann dann mit einem neuen Antrag auf Eröffnung des Verfahrens wieder aufgenommen werden.
Im Falle eines positiven Gutachtens der Kommission muss der betreuende Arzt den Patienten über den Inhalt dieses Gutachtens informieren und erneut prüfen, ob der Patient seinen Willen aufrechterhält und bekräftigt, und seine bewusste und ausdrückliche Entscheidung muss in einem schriftlichen Dokument festgehalten werden, das vom Patienten selbst datiert und unterzeichnet wird.
Nach Erhalt eines positiven Gutachtens der Kommission vereinbart der beratende Arzt in Übereinstimmung mit den Wünschen des Patienten den Tag, die Uhrzeit, den Ort und die Methode für die ärztlich assistierte Sterbebegleitung.
Der beratende Arzt informiert und klärt den Patienten über die für die medizinisch unterstützte Tötung zur Verfügung stehenden Methoden auf, nämlich die Selbstverabreichung von tödlichen Medikamenten durch den Patienten oder die Verabreichung durch einen dafür ordnungsgemäß qualifizierten Arzt oder medizinisches Fachpersonal, jedoch unter ärztlicher Aufsicht, wenn der Patient körperlich nicht in der Lage ist, sich selbst tödliche Medikamente zu verabreichen.
Diese Entscheidung muss schriftlich erfolgen, datiert und vom Patienten unterzeichnet werden.
Wird der Patient vor dem für die Sterbehilfe festgelegten Termin bewusstlos, wird das Verfahren unterbrochen und findet nicht statt, es sei denn, der Patient kommt wieder zu Bewusstsein und hält seine Entscheidung aufrecht.
Neben dem beratenden Arzt und einem anderen Angehörigen der Gesundheitsberufe, die bei der Verabreichung der tödlichen Medikamente anwesend sein müssen, können auf Empfehlung des beratenden Arztes weitere Angehörige der Gesundheitsberufe sowie vom Patienten angegebene Personen anwesend sein, sofern der beratende Arzt der Auffassung ist, dass angemessene klinische und komfortable Bedingungen gegeben sind.
Unmittelbar vor Beginn der Verabreichung oder Selbstverabreichung der tödlichen Medikamente muss der beratende Arzt in Anwesenheit eines oder mehrerer Zeugen, die in der elektronischen Patientenakte ordnungsgemäß ausgewiesen sind, bestätigen, dass der Patient weiterhin ärztlich assistierte Sterbehilfe wünscht.
Wenn der Patient seinen Wunsch nach Sterbehilfe nicht ausdrücklich bestätigt, insbesondere wenn er Zweifel äußert, wird das laufende Verfahren abgebrochen und abgeschlossen. Dies wird in einem schriftlichen, datierten und vom beratenden Arzt unterzeichneten Dokument festgehalten und das Verfahren kann dann mit einem neuen Antrag auf Eröffnung wieder aufgenommen werden.
Die Entscheidung des Patienten in jeder Phase des klinischen Verfahrens der ärztlichen Sterbehilfe ist streng persönlich und kann nicht delegiert werden. Der Patient, der um ärztlich assistierte Sterbehilfe ersucht, kann jedoch in allen Phasen des Verfahrens, in denen dies beantragt wird, durch eine von ihm ausschließlich zu diesem Zweck benannte Person seines Vertrauens vertreten lassen. Die Person, die vom Patienten zu seinem Stellvertreter ernannt wurde, darf keinen direkten oder indirekten Nutzen aus dem Tod des Patienten ziehen, insbesondere keinen finanziellen Vorteil, und auch kein Erbschaftsinteresse haben.
Durch den Widerruf des Antrags auf ärztlich assistierte Sterbehilfe durch den Patienten wird das laufende klinische Verfahren abgebrochen.
Die Wahl des Ortes, an dem die ärztlich assistierte Tötung durchgeführt wird, bleibt dem Patienten überlassen. Die ärztliche Sterbehilfe kann in Gesundheitseinrichtungen des staatlichen Gesundheitsdienstes sowie im privaten und sozialen Sektor durchgeführt werden, die über eine ordnungsgemäße Zulassung und Genehmigung zur Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, über stationäre Einrichtungen und einen geeigneten Ort mit eingeschränktem Zugang verfügen. Wählt der Patient einen anderen Ort, muss der beratende Arzt bescheinigen, dass er über die geeigneten klinischen Bedingungen für diesen Zweck verfügt.
Die Angehörigen der Gesundheitsberufe können die ärztlich assistierte Tötung ausüben oder daran mitwirken, mit Ausnahme derjenigen, die aus dem Tod des Patienten einen unmittelbaren oder mittelbaren Nutzen, insbesondere einen Vermögensvorteil, ziehen.
Während des klinischen Verfahrens der medizinisch unterstützten Tötung müssen die Ärzte und andere an dem Verfahren beteiligte Angehörige der Gesundheitsberufe die folgenden Pflichten erfüllen:
a) Sie informieren den Patienten objektiv, verständlich, streng, vollständig und wahrheitsgemäß über die Diagnose, die anwendbaren, durchführbaren und verfügbaren Behandlungen, die voraussichtlichen Ergebnisse, die Prognose und die Lebenserwartung seines klinischen Zustands;
b) den Patienten über sein Recht informieren, seine Entscheidung, ärztlich assistierte Sterbehilfe zu beantragen, jederzeit zu widerrufen;
c) den Patienten über die Methoden der Verabreichung oder Selbstverabreichung von tödlichen Medikamenten zu informieren, damit er eine informierte Wahl und Entscheidung treffen kann;
d) Sicherstellen, dass die Entscheidung des Patienten frei, informiert und in Kenntnis der Sachlage getroffen wird;
e) Sie müssen die Wünsche des Patienten regelmäßig und häufig anhören;
f) den Dialog mit den Angehörigen der Gesundheitsberufe, die den Patienten betreuen, und, wenn der Patient dies erlaubt, mit seinen Familienangehörigen und Freunden aufnehmen;
g) Dialog mit dem Bevollmächtigten, sofern dieser vom Patienten ernannt und bevollmächtigt wurde; h) Sicherstellung der Voraussetzungen dafür, dass der Patient mit den Personen in Kontakt treten kann, mit denen er dies wünscht und
i) Sicherstellung der psychologischen Beratung des Patienten.
Ärzte und sonstige Angehörige eines Gesundheitsberufes, welche bei der Sterbehilfe mitwirken sollen, können die Tätigkeit aus Gewissensgründen verweigern. Das Gesetz regelt Näheres.
Angehörige der Gesundheitsberufe können wegen ihrer Beteiligung an dem klinischen Verfahren der ärztlich assistierten Tötung nicht disziplinarisch belangt werden, sofern sie alle in diesem Gesetz festgelegten Bedingungen und Pflichten erfüllen.
Mit dem Inkrafttreten dieser neuen Gesetzgebung über die aktive Sterbehilfe werden auch folgende Vorschriften des portugiesischen Strafgesetzbuches wie folgt geändert:
„Artikel 134
[…]
1 – […]
2 – […]
3 – Eine Handlung ist nicht strafbar, wenn sie in Erfüllung der im Gesetz über die aktive Sterbehilfe festgelegten Bedingungen erfolgt.“
„Artikel 135
[…]
1 – […]
2 – […]
3 – Das Verhalten ist nicht strafbar, wenn es unter den im Gesetz über die aktive Sterbehilfe festgelegten Bedingungen erfolgt.“
„Artikel 139
[…]
1 – (Aktueller Wortlaut des Artikels.)
2 – Ein Arzt oder eine Krankenschwester, der/die nicht dazu aufruft oder dafür wirbt, sondern lediglich auf ausdrücklichen Wunsch einer anderen Person gemäß Artikel 135 Absatz 3 Informationen über die ärztlich assistierte Selbsttötung erteilt, wird nicht bestraft.“