Revolutionär: Nutzungsgenehmigung und Nutzungsbescheinigung bei Gebäuden abgeschafft!
Der Experte im portugiesischen Immobilienrecht, Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau, erläutert die neue Rechtslage, die am 1. Januar 2024 und 4. März 2024 in Kraft getreten ist und das Immobilienrecht in Portugal revolutioniert.
1. Einleitung
Die Nutzungserlaubnis ist von großer Bedeutung im portugiesischen Baurecht, da sie formaljuristisch nachweist, dass das Gebäude in Übereinstimmung mit dem Gesetz und dem von der Gemeinde genehmigten Architekturprojekt sowie mit den sonstigen besonderen Plänen, wie Statik, Schalldämmung und Abwassersystem errichtet wurde. Liegt keine Nutzungserlaubnis vor, darf das Gebäude nicht durch Menschen genutzt werden.
Ausnahmsweise muss ein Gebäude keine Nutzungserlaubnis besitzen, wenn nachgewiesen wird, dass es vor dem 7. August 1951 errichtet wurde. Am 7. August 1951 ist nämlich erstmals das Allgemeine Baugesetz (Regulamento Geral das Edificações Urbanas) in Kraft getreten, weshalb Gebäude, die vor diesem Stichtag errichtet wurden, keine Nutzungserlaubnis besitzen müssen.
2. Wegfall der Nutzungsgenehmigung und der Nutzungsbescheinigung
Vor dem 4. März 2024 sah das Gesetz noch vor, dass die Gemeinde die Nutzungserlaubnis formal genehmigen musste (sog. autorização de utilização). Der Nachweis der Existenz der Nutzungsgenehmigung für Gebäude, die vor dem 4. März 2024 fertigstellt und abgenommen wurden, wurde durch eine Nutzungsbescheinigung vorgenommen (sog. alvará de autorização de utilização). Die Nutzungsgenehmigung hatte der Bauherr nach der Fertigstellung des Gebäudes zu beantragen. Nach der Genehmigungserteilung bescheinigte die Gemeinde die Existenz der Genehmigung durch die Ausstellung der genannten Nutzungsbescheinigung.
Seit dem 4. März 2024 sieht das Gesetz keine Nutzungsgenehmigung und demnach auch keine Nutzungsbescheinigung mehr vor. Diese Änderung bezweckt den Abbau von Bürokratie.
Ab sofort wird die ehemalige Nutzungsgenehmigung durch die einseitige Einreichung einer Erklärung des zuständigen Architekten bzw. Ingenieurs vor der Gemeinde ersetzt, wonach der Bau vollendet und im Einklang mit dem genehmigten Bauprojekt errichtet wurde.
Sollten während der Bauphase Änderungen am genehmigten Bauprojekt vorgenommen worden sein, müssen außerdem sog. finale Bauzeichnungen (telas finais), welche die Abweichungen zum genehmigten Projekt genau kennzeichnen, eingereicht werden.
Allein die Einreichung dieser Unterlagen genügt, damit das Gebäude sofort genutzt werden kann.
Vor dem 4. März 2024 musste noch abgewartet werden, bis die Gemeinde die Nutzungs-
genehmigung und danach die Nutzungsbescheinigung ausstellte. Bis zur Ausstellung vergingen regelmäßig einige Monate. Jetzt genügt, dass der Verkäufer der Immobilie den Nachweis erbringt, dass er die genannten Unterlagen bei der Gemeinde eingereicht hat.
3. Wegfall der Pflicht des Nachweises der Existenz einer Nutzungserlaubnis bei Immobilientransaktionen
Vor dem 1. Januar 2024 durfte der Eigentümer eines Gebäudes, für das keine gültige Nutzungserlaubnis nachgewiesen werden konnte, welche die bauliche Anlage als Ganzes baurechtlich erfasste, seine Immobilie nicht verkaufen, verschenken oder tauschen. Eine Immobilie ohne Nutzungserlaubnis konnte nach Auffassung vieler Juristen nicht einmal durch eine sog. Ersitzung wirksam erworben werden.
Der Nachweis der Existenz einer Nutzungserlaubnis wurde für Gebäude, die vor dem 4. März 2024 fertiggestellt wurden, durch die Vorlage einer Nutzungsbescheinigung (die auf einer erteilten Nutzungsgenehmigung basierte) oder einer „1951-Bescheinigung“ bzw. dem Nachweis der erstmaligen Erfassung im Steuerregister vor 1951 erbracht. Seit dem 4. März 2024 genügt der Nachweis der Einreichung der Erklärung des zuständigen Architekten bzw. Ingenieurs, wonach der Bau vollendet und im Einklang mit dem genehmigten Bauprojekt errichtet wurde und ggfls. der sog. finale Bauzeichnungen, wie bereits erörtert.
Diese strenge Nachweispflicht diente dazu, Schwarzbauten zu bekämpfen und den Käufer zu schützen. Es durfte kein Kaufvertrag über ein Gebäude durch einen Notar oder Rechtsanwalt beurkundet werden, für das nicht der Nachweis der Existenz der Nutzungserlaubnis vorgelegt wurde. Wurde dagegen verstoßen, führte dieser Mangel zur Nichtigkeit des Kaufvertrages. Der beurkundende Notar bzw. Rechtsanwalt musste in der Übertragungsurkunde ausdrücklich darauf hinweisen, dass ihm das Original oder eine beglaubigte Abschrift der Nutzungserlaubnis des Gebäudes bzw. der Gebäudeeinheit vorgelegt wurde. Diese Vorlagepflicht bestand nur dann nicht, wenn die Nummer und das Ausstellungsdatum der Nutzungsgenehmigung aus dem Grundbuch des Gebäudes hervorgingen.
Allerdings – das gehört zur Wahrheit – zeigt uns die Praxis, dass es viele Gebäude in Portugal gibt, die zwar eine formale Nutzungsgenehmigung besitzen, die jedoch teilweise illegal gebaut wurden. Klassische illegale Bauten, die ohne Baugenehmigung vorgenommen werden, sind die Vergrößerung des Gebäudes durch einen Anbau, die Errichtung eines Schwimmbades, die Änderung der Fassade, die Errichtung von Nebengebäuden und die Änderung der Nutzung, z. B. einer Garage in einen Wohnraum.
Da die Nutzungsbescheinigung nach der Fertigstellung des Gebäudes durch die Gemeinde ausgestellt wurde und die Gemeinde nach deren Ausstellung grundsätzlich nicht mehr prüfte, ob das Gebäude in seinem Ist-Zustand baurechtlich legal ist, bedeutet die Existenz einer solchen Bescheinigung nicht, dass das konkrete Gebäude zum aktuellen Zeitpunkt in seiner Gesamtheit baurechtlich legal ist.
Auch bei einem neuen Gebäude kann nicht davon ausgegangen werden, dass es in seiner Gesamtheit baurechtlich legal ist, nur weil eine Nutzungsbescheinigung vorliegt.
Die Nutzungsgenehmigungen stellten die Gemeinden nämlich in aller Regel auf der Basis einer Erklärung des zuständigen Bauarchitekten aus. Es genügte, dass der Bauarchitekt versicherte, dass das Gebäude wie genehmigt errichtet wurde (Übereinstimmung zwischen Ist-Zustand und Soll-Zustand). Da der Architekt vom Eigentümer der Immobilie bezahlt wird, liegt es auf der Hand, dass diese Versicherung nicht immer der Wahrheit entsprach. Nur ausnahmsweise, insbesondere bei der Legalisierung von Schwarzbauten, überprüften Mitarbeiter der Gemeinde persönlich, ob das Gebäude wie genehmigt errichtet wurde.
Deshalb kam es in der Praxis wiederholt vor, dass Gebäude Gegenstand von Immobilienverkäufen wurden, die baurechtlich zumindest teilweise illegal sind. Das erklärt, warum der Rechtsanwalt des Käufers einer Immobilie in Portugal anhand der genehmigten Baupläne vor dem Kauf prüfen sollte, ob das Gebäude wie genehmigt errichtet wurde. Um diese Überprüfung vornehmen zu können, ist eine vom Gemeindeamt beglaubigte Abschrift des genehmigten Architekturprojektes einzuholen. Nach meiner Meinung ist der Verkäufer eines Gebäudes verpflichtet, diese beglaubigte Abschrift dem Käufer bzw. dessen Rechtsanwalt vorzulegen.
Seit dem 1. Januar 2024 muss bei Immobilientransaktionen, die Gebäude zum Gegenstand haben, nicht mehr die Existenz einer Nutzungserlaubnis nachgewiesen werden bzw. es bedarf nicht mehr des Nachweises der baurechtlichen Legalität des Gebäudes.
Der portugiesische Gesetzgeber bezweckt damit den Abbau von Bürokratie. Das bedeutet jedoch selbstverständlich nicht, dass das Gebäude baurechtlich rechtswidrig sein darf. Ein Gebäude darf auch weiterhin nur durch Menschen betreten und genutzt werden, wenn eine gültige Nutzungserlaubnis vorliegt, welche das Gebäude als Ganzes abdeckt. Aufgehoben wurde nur die Pflicht, diesen Nachweis gegenüber dem beurkundenden Notar bzw. Rechtsanwalt zu erbringen.
Diese Änderung öffnet Tür und Tor für Verkäufe von Gebäuden, die baurechtlich ganz oder teilweise illegal sind.
Umso wichtiger ist ab sofort deshalb die Prüfung vor dem Kauf, ob das Gebäude tatsächlich baurechtlich legal ist. Um den Käufer zumindest etwas zu schützen, ist der beurkundende Notar bzw. Rechtsanwalt verpflichtet, in dem Kaufvertrag darauf hinzuweisen, dass das Gebäude möglicherweise über keine Nutzungserlaubnis bzw. bei einem sich noch im Bau befindlichen Gebäude über keine Baugenehmigung verfügt.
Durch den Wegfall dieser Nachweispflicht besteht auch nicht mehr die Pflicht, dass der beglaubigende Notar bzw. Rechtsanwalt bei der Beglaubigung der Unterschriften unter einem Kaufvorvertrag die Existenz einer Nutzungserlaubnis bescheinigt.