Das Mais Habitação-Gesetzespaket: Kommentierung – Teil 5: Zwangsvermietung von leerstehenden Wohnungen

Das Mais Habitação-Gesetzespaket: Kommentierung Teil 5: Zwangsvermietung von leerstehenden Wohnungen

Im Oktober 2023 ist das Mais Habitação-Gesetzespaket in Kraft getreten. In dieser Beitragsreihe kommentiert Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau die neuen Regelungen. Bei der Übersetzung des Gesetzestextes hat Rosa Bauer, Studentin der Übersetzungswissenschaft an der Universität Heidelberg, mitgewirkt.

Artikel 108-C
Zwangsvermietung von leerstehenden Wohnungen
1 – Die im vorherigen Artikel vorgesehene Regelung findet mit den erforderlichen Anpassungen Anwendung auf eigenständige Einheiten und Teile von urbanen Gebäuden, die unabhängig genutzt werden können und für Wohnzwecke bestimmt sind sowie gemäß Gesetzesdekret Nr. 159/2006 vom 8. August, in seiner aktuellen Fassung, seit mehr als 2 Jahren als leerstehend klassifiziert sind. Dies gilt nur, sollten diese Immobilien sich im Landesinneren befinden, wie im Anhang zur Verordnung Nr. 208/2017 vom 13. Juli beschrieben.

2 – Nach Ablauf der im zurückliegenden Absatz genannten Frist von zwei Jahren übermittelt die örtlich zuständige Gemeinde dem jeweiligen Eigentümer je nach Fall:

a) Benachrichtigung über die Erhaltungspflicht gemäß Art. 89 Abs. 2. Die Gemeinde hat die notwendigen Arbeiten gem. Art. 91 selbst vorzunehmen, sollte der Eigentümer diesen nicht nachkommen
oder

b) Benachrichtigung über die Nutzungspflicht der eigenständigen Einheit unter Mitteilung, dass der Adressat ein Mietangebot gemäß Artikel 5 des Gesetzesdekrets Nr. 89/2021 vom 3. November abgeben kann.

3 – Der Mietpreisvorschlag gemäß lit. b) des vorherigen Absatzes darf die allgemeinen Mietpreisgrenzen, die im Ermessen des jeweiligen Bezirks nach Wohnungstyp festgelegt werden, gemäß Buchstabe a) des Absatzes 1 aus Artikel 10 des Gesetzesdekrets Nr. 68/2019 vom 22. Mai, in seiner aktuellen Fassung, um nicht mehr als 30 % überschreiten.

4 – In Fällen, in denen der Eigentümer nach der in lit. b) des Absatzes 2 vorgesehenen Benachrichtigung den Vorschlag ablehnt oder innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt keine Stellungnahme erfolgt und die Immobilie leerstehend bleibt, kann die örtlich zuständige Gemeinde, wenn dies aus Gründen der allgemeinen Wohnungssituation gemäß Artikel 4 des Lei de Bases da Habitação notwendig ist, ausnahmsweise und ergänzend die Zwangsvermietung der Immobilie vornehmen.

5 – Wenn die Gemeinde nicht beabsichtigt, die Immobilie zu vermieten und keine Erhaltungsarbeiten erforderlich sind, übermittelt sie die Informationen über die Immobilie an das IHRU, I. P. (Institut für Wohnen und städtische Erneuerung, Öffentliche Einrichtung), damit dieses ggfls. den Eigentümer gemäß Abs. 2 lit. b) und Abs. 4 benachrichtigen kann.

6 – Die Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht für die Autonomen Regionen.

 

Die Zwangsvermietung (auch unter Zweckentfremdungsverbot bekannt) regelt die Nutzung von Wohnräumen, um dem zunehmenden Wohnungsmangel entgegenzuwirken. Das portugiesische Recht sah in Art. 108-A RJUE bisher eine Zwangsvermietung nur in solchen Fällen vor, in denen gegen den Immobilieneigentümer offene Geldforderungen aus einer sog. Ersatzvornahme bestanden.

Ersatzvornahme ist die Vornahme einer geschuldeten Handlung durch die Gemeinde anstelle des Handlungspflichtigen auf dessen Kosten. Ein typisches Beispiel liegt vor, wenn jemand einen Schwarzbau errichtet, diesen trotz Aufforderung nicht beseitigt und die Gemeinde den Abriss dann selbst auf Kosten des Handlungspflichtigen vornimmt. Um diese Forderung gegen den Handlungspflichtigen einzutreiben, sieht das Gesetz die Möglichkeit einer zwanghaften Vermietung der Immobilie vor, damit sich die Gemeinde aus dem Mietzinserlös befriedigen kann.

Der neue Art. 108-C verweist auf Art. 108-B, der entsprechende Anwendung findet. Der neue Art. 108-C erlaubt hingegen – unter engen Voraussetzungen – die Zwangsvermietung von leerstehenden Wohnräumen und geht somit viel weiter als Art. 108-B. Folgende Voraussetzungen müssen für eine Zwangsvermietung von leerstehendem Wohnraum nach der neuen Art. 108-C-Regelung vorliegen:

1) Gegenstand ist entweder eine klassische Wohneinheit, die Bestandteil einer Teilungserklärung ist (Wohnungseigentum) oder eine Wohnung, die zwar eigentumsrechtlich keine eigenständige Einheit darstellt, jedoch selbstständig genutzt werden kann (z.B. ein Wohnhaus mit mehreren Wohnungen, die faktisch selbstständig genutzt werden können);

2) Der Wohnraum befindet sich nicht im Landesinneren (s. dazu die Kommentierung zu 18) und auch nicht auf den Inselgruppen Madeira (mit Porto Santo) und den Azoren;

3) Der genannte Wohnraum steht seit zwei Jahr leer. Indizien für die Annahme eines Leerstandes sind: i) keine aktiven Versorgerverträge (Wasser, Strom, u.a.); ii) keine Rechnungsstellung für den Verbrauch von Wasser, Strom u.a.; iii) geringer Wasser- und Stromverbrauch und iv) amtlich bestätigter Leerstand nach einer Besichtigung. Näheres regelt hier das Dekret 159/2006 vom 08.08.2006;

4) Der Eigentümer wird von der Gemeinde aufgefordert, den Leerstand zu beenden und es wird ihm ein Mietzins-Angebot für den Abschluss eines Mietvertrages unterbreitet (vgl. Dekret Nr. 68/2019 vom 22.05.2019; die Höhe des Mietzinses unterliegt einer Deckelung gem. Abs. 3);

5) Der Eigentümer lehnt das Mietzinsangebot ab oder er äußert sich nicht innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt des Schreibens der Gemeinde und der Wohnraum ist weiterhin leerstehend;

6) Die Zwangsvermietung ist für die Sicherung von Wohnraum für die Allgemeinheit erforderlich, geeignet und verhältnismäßig, d. h. nur ausnahmsweise und wenn der damit verfolgte Zweck nicht anders erreicht werden kann, ist diese – sehr in die verfassungsrechtliche geschützte Eigentumsgarantie eingreifende – Zwangsmaßnahme gestattet.

Sollte die Gemeinde die Zwangsvermietung nicht selbst vornehmen wollen und befindet sich der Wohnraum in einem zur Vermietung geeigneten Zustand, hat sie diese Daten dem staatlichen „Instituto da Habitação e da Reabilitação Urbana, I. P.“ (IHRU, I.P.) zu übermitteln. Das IHRU, I.P. kann dann den Eigentümer im Einklang mit den genannten Regelungen anschreiben und das Verfahren auf Zwangsvermietung selbst durchführen.

Befindet sich der leerstehende Wohnraum in einem desolaten Zustand, ist der Eigentümer von der Gemeinde aufzufordern, zunächst die notwendigen Renovierungsarbeiten durchzuführen (vgl. Art. 89 Abs. 2 RJUE); kommt der Eigentümer diesen Arbeiten nicht nach, kann die Gemeinde den Wohnraum in Beschlag nehmen und die Arbeiten auf ihre Kosten vornehmen (vgl. Art. 91 RJUE).

Auch diese neue Vorschrift über die Pflicht zur Instandhaltung von Wohngebäuden und Zwangsvermietung wird keine praktische Bedeutung haben. Die Gemeinden sind weder personell bzw. fachlich in der Lage noch besteht ein politisches Interesse auf Gemeindeebene, um von diesem „Zwangsrecht“ effektiv Gebrauch zu machen. Es handelt sich zweifelsohne um kein wirksames Mittel, um dem Wohnungsmangel in Portugal auch nur annähernd erfolgreich entgegenzuwirken.

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