Die Beendigung von Arbeitsverträgen in Portugal | Das Kündigungsverfahren – Im Teil I dieser Beitragsreihe zur Beendigung von Arbeitsverträgen hat Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau die Vertragsauflösung durch Fristablauf, Unmöglichkeit sowie der Verrentung des Arbeitnehmers erläutert. Ferner hat er den Aufhebungsvertrag und die drei Arten der Kündigung durch den Arbeitgeber (verhaltensbedingt kollektiv-betriebsbeding, individual-betriebsbedingt und
personenbedingt) dargelegt. Teil II widmet sich dem wichtigen Kündigungsverfahren.
Das portugiesische Arbeitsrecht sieht ein sehr formelles Kündigungsverfahren vor, das einer Kündigung des Arbeitnehmers weitere Schranken setzt.
1. Fristlose Kündigung wegen subjektiver Kündigungsgründe
Diese Kündigung wegen subjektiver Kündigungsgründe setzt ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers als Kündigungsgrund und ein komplexes Disziplinarverfahren voraus. Es können drei Situationen geschieden werden: i) es soll eine mildere Sanktion als die Kündigung verhängt werden; ii) der Arbeitnehmer soll wegen seines Fehlverhaltens gekündigt werden und iii) die verhaltensbedingte Kündigung erfolgt in einem kleinen Unternehmen.
Erfährt der Arbeitgeber von einem schuldhaften Verhalten und kennt er den zu beschuldigenden
Arbeitnehmer, hat er das Disziplinarverfahren innerhalb von 60 Tagen zu eröffnen. Unabhängig von der Kenntnis tritt grundsätzlich nach einem Jahr Verjährung ein.
Erfüllt das schuldhafte Verhalten gleichzeitig einen Straftatbestand, greift für das Kündigungsrecht ebenfalls die Verjährungsfrist des Strafrechts. Diese Verjährungsfristen laufen jedoch unabhängig von der Kenntnis des Arbeitgebers, beginnend mit dem vorwerfbaren Verhalten. Wird das Disziplinarverfahren nach dem Ablauf der Frist eröffnet, ist eine darauf gestützte Kündigung rechtswidrig.
Das Disziplinarverfahren kann in drei Hauptphasen aufgeteilt werden:
i) Vorermittlungsverfahren (inquérito prévio)
Für die Eröffnung des Disziplinarverfahrensmuss feststehen, welchem Arbeitnehmer welches Verhalten vorzuwerfen ist. Liegen diese Informationen noch nicht vor, ist ein Vorermittlungsverfahren (inquérito prévio) einzuleiten.
Regelmäßig ist dem Arbeitgeber zu raten, den Arbeitnehmer über dieses Vorverfahren bereits zu informieren. Der Arbeitnehmer kann vorläufig unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt werden, sofern dessen weitere Anwesenheit im Unternehmen nachteilig wäre.
Das Vorermittlungsverfahren ist innerhalb von 30 Tagen nach dem Verdacht des schuldhaften Verhaltens zu beginnen; weiterhin muss nach Abschluss der Ermittlung innerhalb von 30 Tagen die schriftliche Anschuldigung (nota de culpa) erfolgen.
ii) Anschuldigung (nota de culpa)
Der Vorwurf des konkreten schuldhaften Verhaltens ist dem Arbeitnehmer innerhalb von 30 Tagen nach Abschluss der Vorermittlungen schriftlich mitzuteilen. Der Arbeitnehmer ist dabei von der bestehenden Kündigungsabsicht zu unterrichten. Diese schriftliche Mitteilung der verhaltensbedingten Kündigungsabsicht eröffnet das eigentliche Disziplinarverfahren.
Das vorgeworfene Verhalten ist in dem Anschuldigungsschreiben so detailliert zu beschreiben, dass dem Arbeitnehmer eine Verteidigung möglich ist. Art, Zeit und Ort aus denen die Anschuldigung folgt, sind ebenso zwingend mitzuteilen, wie der Hinweis auf die Möglichkeit der Verteidigung gegen die geplante Kündigung. Ein weiteres ergänzendes Anschuldigungsschreiben ist zulässig.
Das ist sehr wichtig, da ein Nachschieben der Begründung im gerichtlichen Verfahren nicht möglich ist. Der Verschuldensgrad ist dem Arbeitnehmer ebenfalls mitzuteilen. Das Anschuldigungsschreiben kann durch persönliche Übergabe gegen Empfangsbestätigung oder in Anwesenheit von Zeugen sowie per Post mittels Einschreiben mit Empfangsbestätigung dem Arbeitnehmer zugestellt werden.
iii) Verteidigung des Arbeitnehmers
Innerhalb von zehn Werktagen nach Zustellung der Anschuldigung kann der Arbeitnehmer seine Verfahrensakte einsehen und zu dem Vorwurf schriftlich Stellung nehmen. Zudem kann er Unterlagen beilegen und eine entsprechende Beweiserhebung beantragen, etwa die Vorlage bestimmter Unterlagen oder die Anhörung von Zeugen. Mögliche Verfahrensmängel des Anschuldigungsschreibens des Arbeitgebers werden durch eine Erwiderung des Arbeitnehmers geheilt, da mit der Verteidigung des Arbeitnehmers das Ziel der Formvorschriften erreicht wird.
Eine fehlende Begründung der Kündigung ist jedoch auf diese Weise nicht heilbar; sie stellt eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung dar. Legt der Arbeitnehmer kein Verteidigungsschreiben vor, folgt daraus nicht die Schlussfolgerung eines Geständnisses der vorgeworfenen Umstände.
iv) Unternehmensinterne Untersuchung
Der Arbeitgeber bzw. Verfahrensleitern ist verpflichtet, die beantragten Beweise zu erheben.
Offensichtlich verzögernden oder unsachlichen Beweisbegehren muss der Verfahrensleiter allerdings nicht nachgehen. Der Arbeitnehmer muss selbst dafür sorgen, dass seine Zeugen zur Anhörung erscheinen. Hat der Arbeitnehmer viele Zeugen benannt, besteht nur die Pflicht zur Anhörung von drei Zeugen zur je beweisenden Tatsache und maximal zehn Zeugen. Die Zeugen sind gemäß der Reihenfolge der Liste des Arbeitnehmers zu hören. Die Zeugenaussagen sind notfalls schriftlich einzuholen. Die Beweisaufnahme wird durch ein Schlussgutachten abgeschlossen.
Auf dieser Grundlage legt der Arbeitgeber seine Entscheidung fest, ob ein schuldhaftes Verhalten vorliegt und wenn ja, welche Sanktion er verhängen wird. Nach Abschlussder Beweisaufnahme legt der Arbeitgeber das Anschuldigungsschreiben oder das Ergebnisder Beweisaufnahme sowie eine Kopie der Unterlagen des Disziplinarverfahrens dem Betriebsrat und, sofern der betroffene Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied ist, ebenfalls der Gewerkschaft zur Stellungnahme vor.
Diese Arbeitnehmer-Vertretungsorgane können innerhalb von fünf Werktagen eine eigene Stellungnahme abgeben. Diese Maßnahmen der Tatbestandsermittlung stellen keine Vorwegnahme eines gerichtlichen Verfahrens dar. Kommt es zu einem gerichtlichen Verfahren, sind die Beweise durch das Gericht ggfls. erneut unabhängig zu erheben.
Nach Erhalt der Stellungnahmen der Arbeitnehmervertretung oder dem erfolglosen Ablauf der Stellungnahmefrist kann der Arbeitgeber innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Schlussgutachtens der unternehmensinternen Untersuchung die Kündigung wegen schuldhaften Verhalten aussprechen.
Die Dreißigtage-Frist beginnt einheitlich mit Abschluss der Beweisaufnahme. Neben dieser Frist muss der Arbeitgeber beachten, dass die Zustellung der Kündigung an den Arbeitgeber für eine wirksame Kündigung innerhalb eines Jahres seit Eröffnung des Disziplinarverfahrens zu erfolgen hat.
Die Kündigungserklärung muss schriftlich erfolgen und ist zu begründen.
Die Kündigungsentscheidung hat auf eine Abwägung aller relevanten Faktoren zu beruhen.
Tatsachen, die nicht Gegenstand des Anschuldigungsschreibens waren, dürfen in dieser Phase nicht mehr verwertet werden. Das Kündigungsschreiben führt, mit Kenntnis oder Kennen-müssen des Arbeitnehmers, zur Auflösung des Arbeitsvertrages. Eine Kopie der Kündigung ist der zuständigen Arbeitnehmervertretung mitzuteilen.
Nur wenige Verfahrenserleichterungen sieht das Gesetz für Kleinbetriebe (bis zu neun Arbeitnehmer) vor. Kleinbetriebe sind allerdings grundsätzlich nur von der Verpflichtung befreit, die Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung einzuholen, sofern der betroffene Arbeitnehmer kein Mitglied der Arbeitnehmervertretung ist.