Erbrecht als Hindernis für den Wohnungsmarkt – Reformbedarf in Portugal
In einem Interview mit barlavento hebt Dr. Alexander Rathenau, die strukturellen Probleme des portugiesischen Erbrechts hervor und fordert eine Reform.
Laut Rathenau behindert das derzeitige Erbrecht eine effiziente Nutzung von Immobilien, da das Prinzip der Noterbteile (quotas indisponíveis) dazu führt, dass viele Erbschaften ungeteilt bleiben. Erbengemeinschaften können sich oft nicht über die Nutzung oder den Verkauf der geerbten Immobilien einigen, was dazu führt, dass diese über Jahre hinweg leer stehen und verfallen. Dies habe nicht nur negative Auswirkungen auf den Immobilienmarkt, sondern auch auf die Stadtentwicklung und die Wirtschaft insgesamt.
Er argumentiert, dass die historischen Gründe für die Noterbteile – insbesondere die finanzielle Absicherung von Nachkommen – heute kaum noch gerechtfertigt sind. Die meisten Erben seien bereits wirtschaftlich unabhängig, weshalb die gesetzliche Einschränkung der Testierfreiheit nicht mehr zeitgemäß sei. Rathenau verweist auf das deutsche Erbrecht, das es Erblassern ermöglicht, frei über ihr Vermögen zu verfügen.
Eine Reform des Erbrechts könnte den Immobilienmarkt beleben, indem sie eine flexiblere Nachlassgestaltung ermöglicht, Konflikte zwischen Erben reduziert und verlassene Immobilien wieder nutzbar macht. Zudem würde eine solche Reform die Übertragung von Vermögen erleichtern und zu einer effizienteren Nutzung des vorhandenen Wohnraums beitragen.
Mietrecht: Zu kompliziert und wenig attraktiv für Vermieter
Neben der Erbrechtsreform sieht Rathenau dringenden Handlungsbedarf im portugiesischen Mietrecht. Während Steuererleichterungen für langfristige Mietverträge ein Schritt in die richtige Richtung seien, bleibe das Grundproblem bestehen: Der Immobilienkauf ist für viele Familien weiterhin attraktiver als die Miete. Dies führt zu einer geringen Dynamik auf dem Mietmarkt und einem hohen Verschuldungsgrad privater Haushalte.
Eine Reform könnte Vermieter ermutigen, mehr Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Beispielsweise sei die automatische Vertragsverlängerung um mehrere Jahre eine unnötige Hürde für Vermieter und schaffe Unsicherheit. Klare und ausgewogene Regelungen könnten das Vertrauen in den Mietmarkt stärken und das Angebot an Mietwohnungen erhöhen. Auch eine strengere Regulierung der kurzfristigen Ferienvermietung (Alojamento Local) könnte dazu beitragen, mehr Immobilien für den regulären Mietmarkt verfügbar zu machen.
Wohnraumkrise: Notwendige Maßnahmen zur Entlastung des Marktes
Als Lösungsansätze für die Wohnraumkrise schlägt Rathenau eine verstärkte Förderung von sozialem Wohnungsbau vor, insbesondere durch staatlich unterstützte Projekte in Kooperation mit privaten Investoren. Steuervorteile, zinsgünstige Kredite und Subventionen für Entwickler könnten dazu beitragen, mehr bezahlbaren Wohnraum für die Mittelschicht zu schaffen.
Zusätzlich plädiert er für die Umnutzung leerstehender Gewerbeimmobilien zu Wohnzwecken sowie für eine effizientere Nutzung staatlicher Liegenschaften, die derzeit brachliegen. Auch junge Menschen sollten durch gezielte Förderprogramme beim Kauf ihrer ersten Immobilie unterstützt werden – eine Maßnahme, die bereits mit der Befreiung von der Grunderwerbsteuer (IMT) für unter 35-Jährige eingeleitet wurde.
Fehlentscheidungen des Gesetzgebers und ungenutzte rechtliche Instrumente
Rathenau kritisiert, dass der portugiesische Gesetzgeber in der Vergangenheit mehrfach neue juristische Konzepte eingeführt habe, die in der Praxis kaum Wirkung zeigten. Ein Beispiel sei das Recht auf langfristiges Wohnen (Direito Real de Habitação Duradoura – DRHD), das als Alternative zu Kauf und Miete gedacht war, aber von kaum jemandem genutzt wurde.
Generell sieht Rathenau den Schlüssel zur Lösung der Wohnungsfrage in einer Mischung aus gezielten Fördermaßnahmen, steuerlichen Anreizen und einer Modernisierung des Erb- und Mietrechts. Zudem könnten Investitionen in die Infrastruktur ländlicher Gebiete dazu beitragen, den Druck auf die Immobilienmärkte in den Städten zu verringern.
Den vollständigen Artikel finden Sie hier: [Interview mit Alexander Rathenau in barlavento]