Unterschiede zwischen deutschem und portugiesischem Erbrecht:
Seit Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung steht es in Portugal lebenden deutschen Staatsbürgern frei, selbst zu wählen, welches Erbrecht für das eigene Ableben Anwendung finden soll. Rechtsanwalt und Advogado Dr. Alexander Rathenau fasst die maßgeblichen Unterschiede beider Rechtssysteme zusammen, um die Rechtswahl zu erleichtern.
1. Allgemeines
Grundsätzlich ist anzuerkennen, dass das portugiesische und das deutsche Erbrecht ähnlich ausgestaltet sind. So tritt in beiden Rechtsordnungen die Erbfolge durch Gesetz, Testament oder Vertrag ein. Enorme Unterschiede bestehen jedoch unter anderem bezüglich der Haftung, der Erbfolge, der Gestaltung von Testament und des Pflichtteils.
2. Wirkung von Annahme und Ausschlagung
Die Erbschaft geht in Portugal mit der bedingungslosen und vollumfänglichen Annahme auf die Erben über. Die Annahme kann ausdrücklich oder stillschweigend erklärt werden und ist nicht widerruflich. Nimmt der Erbe die Erbschaft nicht an, kann diese nach portugiesischem Recht abgelehnt werden. Die Erklärung der Ablehnung ist dabei grundsätzlich formfrei, es sei denn, zum Nachlass gehört Immobiliarvermögen. Solange die Erbschaft weder angenommen noch abgelehnt wurde, liegt eine sogenannte ruhende Erbschaft vor.
Anders als in Portugal fällt die Erbschaft nach deutschem Erbrecht von selbst (ipso iure) an. Die Rechte des Erblassers gehen im Zeitpunkt des Todes sofort auf den Erben über. Eine Erklärung zur Annahme der Erbschaft ist daher nicht notwendig. Auch wenn man keinerlei Kenntnis von dem Erbfall hat, erbt man also. Durch die Ausschlagung kann der Erbe bewirken, dass der bereits erfolgte Anfall der Erbschaft wieder rückgängig gemacht wird. Sofern die Erbschaft nach Ablauf einer Frist von sechs Wochen nicht ausgeschlagen wurde, gilt sie als angenommen. Hatte der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz im Ausland oder hält sich der Erbe bei Anfall der Erbschaft im Ausland auf, so beträgt die Frist sechs Monate. Die Ausschlagungserklärung ist formgebunden und muss gegenüber dem Nachlassgericht abgegeben werden.
3. Umfang des Nachlasses
Der Nachlass setzt sich in beiden Rechtsordnungen aus den Vermögenswerten (Aktiva) und den Verbindlichkeiten (Passiva) zusammen. Mit der Erbschaft geht grundsätzlich auch die Verpflichtung einher, die Kosten der Bestattung zu tragen und die Testamentsvollstreckung, die Verwaltung und die Auflösung des Erbes zu betreiben. Erben haften ebenfalls für die Schulden des Erblassers und die Erfüllung der im Testament angeordneten Vermächtnisse. Nach portugiesischem Recht haften die Erben jedoch nur begrenzt auf den Wert des Nachlasses.
In Deutschland tritt der Erbe zunächst vollständig in die Schuldnerposition des Erblassers ein. Die Verbindlichkeiten gehen daher auf den Erben über, sodass dieser auch mit seinem persönlichen Vermögen haftet. Das deutsche Gesetz sieht jedoch Möglichkeiten vor, mit denen der Erbe seine Haftung auch auf die Nachlassgegenstände beschränken kann.
4. Gesetzliche Erbfolge
In beiden Rechtordnungen ist die gesetzliche Erbfolge einschlägig, wenn keine letztwillige Verfügung vorliegt. Die gesetzlichen Erben sind Verwandte und der Ehegatte. Sie werden in Ordnungen eingeteilt. Die folgende Übersicht macht den Unterschied zwischen der deutschen und der portugiesischen Rechtslage deutlich:
Ordnungen | Portugiesisches Recht | Deutsches Recht |
---|---|---|
1. Ordnung | Überlebende Ehegatte und die Abkömmlinge | Abkömmlinge des Erblassers |
2. Ordnung | Überlebende Ehegatte und Verwandte in aufsteigender Linie | Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge |
3. Ordnung | Geschwister und deren Abkömmlinge | Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge |
4. Ordnung | Seitenverwandte bis zum 4. Grad | Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge |
5. Ordnung | Der Staat | Entferntere Voreltern des Erblassers |
Das deutsche Erbrecht regelt das Erbe des Ehegatten unabhängig von den Verwandten. So steht dem überlebenden Ehegatten des Erblassers neben Verwandten der 1. Ordnung ein Viertel, neben Verwandten der 2. Ordnung oder neben Großeltern die Hälfte der Erbschaft zu. Verstirbt ein Ehegatte, der mit seinem Partner in dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, wird der Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel erhöht. Die Erbteile der Verwandten, die neben dem Ehegatten erben, vermindern sich entsprechend.
5. Pflichtteil
Das portugiesische Erbrecht versteht den Pflichtteil (auch: Noterbteil) als Anteil des Vermögens, über den der Erblasser nicht verfügen darf. Den Pflichtteilsberechtigten (auch: Noterben) darf ihr Noterbteil weder durch ein Testament noch durch einen Verzichtsvertrag entzogen werden. Es findet daher stets eine Beteiligung von Ehegatten, Abkömmlingen und Vorfahren am Nachlass statt.
Die Testierfreiheit nach deutschem Recht gestattet es dem Erblasser, seine gesetzlichen Erben von der Erbfolge auszuschließen. Den Abkömmlingen, Ehegatten und Eltern wird jedoch eine Mindestbeteiligung am Wert des Nachlasses durch den Pflichtteil gesichert. Die Höhe des Pflichtteils beträgt stets die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Das Pflichtteilsrecht führt im deutschen Erbrecht in aller Regel zu einem Geldanspruch gegen den Erben und stellt eine Nachlassverbindlichkeit dar.
6. Gestaltungsmöglichkeiten
In beiden Rechtsordnungen kann durch die Errichtung eines Testaments auf die Erbfolge Einfluss genommen werden. Auch können Vermächtnisse angeordnet werden.
a. Testament
Das Testament unterliegt stets strengen Formvorgaben. Nach deutschem Recht kann es nur vom Erblasser persönlich erreichtet werden. Möglich ist dabei, dass der Erblasser die Erklärungen zur Niederschrift eines Notars oder eigenhändig abgibt. Eigenhändig bedeutet, dass die gesamte Niederschrift des Testaments per Hand vom Erblasser angefertigt, bestenfalls mit Vor- und Nachnamen unterschrieben und mit einer Ort- und Datumsangabe versehen wurde.
Nach portugiesischem Recht kann das öffentliche Testament von einem Notar verfasst und anschließend in sein Urkundenbuch eingetragen werden. Möglich ist aber auch, dass der Testator sein Testament selbst verfasst. In diesem Fall muss jede Seite rubriziert und die letzte Seite eigenhändig unterzeichnet werden. Diese Form des Testaments wird anschließend vom Notar bestätigt. Das nach deutschem Recht häufig verfasste gemeinschaftliche Testament ist nach portugiesischem Recht nicht möglich.
Inhaltlich kann das Testament neben den Vorgaben zur Erbeinsetzung auch Vermächtnisse anordnen. Nach portugiesischem Recht geht das Eigentum des von dem Vermächtnis erfassten Gegenstandes direkt auf den Bedachten über. Nach deutschem Recht erlangt der Bedachte lediglich einen Anspruch auf Leistung des entsprechenden Gegenstandes gegen den Erben.
b. Erbvertrag und Schenkung
Erbverträge und Schenkungen von Todes wegen sind nach portugiesischem Erbrecht grundsätzlich nichtig. Das deutsche Erbrecht wiederum erlaubt es dem Erblasser, auch durch Vertrag Erben einzusetzen, Vermächtnisse und Auflagen anzuordnen sowie das anzuwendende Erbrecht zu wählen. Alle Verfügungen von Todes wegen, die in einem Testament zulässig sind, können auch in einem Erbvertrag getroffen werden. Das deutsche Erbrecht sieht zudem Schenkungen von Todes wegen nicht generell als nichtig an. Allerdings müssen diese die Formvorgaben eines Testaments erfüllen.